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# taz.de -- Rechte Tendenzen bei der Feuerwehr?: Innenminister diskreditiert Ab…
> Die Feuerwehr in Schleswig-Holstein fragte rechte Einstellungen ab. Das
> gefiel dem Innenminister nicht. Nun ist alles abgesagt.
Bild: Weiß, männlich, heldenhaft. Aber wie halten sie es mit der Demokratie?
BREMEN taz | Die Fragen sind natürlich suggestiv, aber eben drum sind sie
eigentlich auch sehr leicht zu beantworten. Es sind es die klassischen
Gretchen-Fragen für Neonazis: Wie hältst du es mit der Demokratie?
Beziehungsweise: „Wäre unter gewissen Umständen eine Diktatur die bessere
Staatsform?“ oder „Ist die Bundesrepublik durch die vielen Ausländer in
einem gefährlichen Maß gefährdet?“ Und dann sind da
Thesen-Zustimmungsfragen wie „Ohne Judenvernichtung wäre Hitler heute ein
großer Staatsmann“ oder „Die Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit
üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen“.
Weil die Feuerwehr Schleswig-Holstein mit diesen Fragen
rechtsextremistische Einstellungen in den eigenen Reihen abfragte, hat sie
viel Kritik geerntet – unter anderem vom Innenminister Hans-Joachim Grote
(CDU).
Holger Bauer, Sprecher des Landesfeuerwehrverbands, versteht die Aufregung
nicht: „Als guter Demokrat kann ich diese Fragen ruhigen Gewissens
beantworten“, sagt er. Der Fragebogen sei weder neu noch von ihnen
erstellt. „Solche Fragen werden sogar von Schülern beantwortet, warum
sollte das ein Feuerwehrmann nicht dürfen?“
Die Landesfeuerwehr Schleswig-Holstein wollte herausfinden, wie die
Befindlichkeit ihrer Feuerwehrleute ist. Dafür kreierten sie zusammen mit
der Hochschulprofessorin Melanie Groß einen [1][Online-Fragebogen], der
anonymisiert die Situation auf den Wachen, persönliche Angaben und in einem
dritten Teil eben auch politische Einstellungsmuster abfragte. Für das
Projekt erhielt die Landesfeuerwehr 21.500 Euro staatliches Fördergeld über
das Programm [2][Zusammenhalt durch Teilhabe.]
Der Fragebogen ist ein gängiges und wissenschaftlich anerkanntes
Instrument, das standardisiert bei Befragungen in verschiedenen Ländern –
wie etwa den [3][sogenannten Mitte-Studien] – zum Einsatz kommt. Die werden
seit 2002 durchgeführt und zählen zu den renommiertesten Sozialstudien
Deutschlands, die unter anderem den weit verbreiteten Rassismus in der
deutschen Bevölkerung belegt – auch in der vermeintlichen Mitte der
Gesellschaft.
Einige Feuerwehrleute und die [4][Kieler Nachrichten befanden wohl aber die
Fragen nach der politischen Einstellung als „Gesinnungstest“] – man fühle
sich „stigmatisiert“, „ehrverletzt“ und „beleidigt“, außerdem in d…
Ecke gedrängt. Mindestens vier von insgesamt 15 Kreiswehrführern (sic!)
weigerten sich demzufolge, an der Befragung teilzunehmen.
Die Kieler Nachrichten brachten kurzerhand sogar Innenminister Grote in
Stellung, dieser habe großes Verständnis dafür, dass viele Formulierungen
der Fragen als „Zumutung“ empfunden werden – „Ich empfinde es genauso�…
sagte Grote auch der taz. Er habe den Landesfeuerwehrverband gebeten, den
dritten Block der Umfrage kurzfristig zurückzuziehen.
Auch wenn Grote dem Feuerwehrverband als eigenständigem Verein nichts zu
sagen hat, hat dieser die Fragen zu den politischen Einstellungen nach dem
Druck von oben zurückgezogen, wie Verbandssprecher Bauer bestätigt.
Die Kritik an dem Forschungsprojekt ist aus Sicht des Feuerwehrverbandes
jedoch weiter unverständlich, zumal die Umfrage allen Kreis- und
Stadtwehrführern im April vorgestellt worden sei und alle Angaben
freiwillig waren. Hinzu komme, dass der Großteil der Feuerwehrleute die
Fragen gar nicht gestört habe. „Bislang haben rund 1.700 Teilnehmer die
Umfrage abgeschlossen, 70 Prozent haben alles ausgefüllt“, sagt Bauer.
## Ähnliche Befragungen an Schulen
Blöd auch, dass das Innenministerium gemeinsam mit der Uni Kiel selbst
jedes Jahr [5][ähnliche Befragungen mit Schleswig-Holsteins Schüler*innen
durchführt.] Auch in diesen Analysen sollen Aussagen auf einer
Zustimmungsskala bewertet werden, anhand von Thesen wie „Die Weißen sind
zurecht führend in der Welt“, „Deutschland braucht wieder einen Führer, d…
zum Wohle aller mit starker Hand regiert“ und „Durch ihr Verhalten sind die
Juden an ihrer Verfolgung in Deutschland mitschuldig“.
Melanie Groß, Professorin an der Fachhochschule Kiel, hat die Untersuchung
als Projekt der Feuerwehr durchgeführt. „Sicher wäre es hilfreich gewesen,
wenn man abgewartet hätte, was die über 1.000 ausgefüllten Fragebögen
ergeben hätten“, sagt sie. In qualitativen Befragungen habe sie
festgestellt, dass den meisten Feuerwehrleuten Vielfalt sehr wichtig sei.
Nun sei es darum gegangen, den Befund quantitativ abzusichern.
## Unbeantwortete Fragen
Dabei sollte nicht nur die Anschlussfähigkeit rechtsextremer Positionen
überprüft werden, sondern auch, inwiefern „vielleicht ja auch gerade die
Verpflichtung der Feuerwehren auf Gemeinschaft, Hilfe und Vielfalt sehr gut
gerüstet sind gegen einen gesellschaftlichen Rechtsruck“, sagt Groß. Dass
die Fragen nun unbeantwortet bleiben „ist schade, weil es ein wirklich
tolles Projekt war. Die Feuerwehr hat von sich aus gesellschaftliche
Verantwortung übernommen, indem sie sich mit den eigenen Strukturen
beschäftigt hat.“
Lasse Petersdotter, Sprecher für Rechtsextremismus des grünen
Koalitionspartners in der Jamaika-Koalition, geht sogar noch weiter. „Grote
grätscht mit einer holzschnittartigen Kritik in ein sinnvolles Projekt“,
sagt er. Der Abbruch der Umfrage sei ein Fehler gewesen. Dass die Feuerwehr
angesichts des Rechtsrucks in den eigenen Reihen nach Problemen schauen
wollte, sei vorbildlich – „viel zu häufig finden solche Maßnahmen erst
statt, wenn es öffentliche rechtsextreme Vorfälle gab“.
8 Jun 2018
## LINKS
[1] https://www.surveymonkey.de/r/lfv-sh
[2] http://www.zusammenhalt-durch-teilhabe.de/
[3] /!5359043/
[4] http://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Innenminister-greift…
[5] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/K/kriminalpraevention/regi…
## AUTOREN
Gareth Joswig
Andreas Speit
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Feuerwehr
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