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# taz.de -- Klage gegen Deutschen Feuerwehrverband: Es brennt unterm Dach
> Die Geschäftsführerin des Feuerwehrverbands klagt gegen ihren
> Arbeitgeber. Es geht um Diskriminierung und sexuelle Belästigung.
Bild: Der Feuerwehrverband zu Gast beim Bundespräsidenten. Links neben ihm ste…
Berlin taz | Ihre Berufung war ein politisches Signal, gesetzt, um die
Männerbastion Feuerwehr zu modernisieren: 2016 wurde Müjgan Perçin – eine
grüne, türkischstämmige Juristin aus Berlin-Kreuzberg –
Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV). Eine
Chance, so heißt es, bekam die mittlerweile 44 Jahre alte Perçin dort
nicht: Als Frau und Muslima sei sie in der Feuerwehr als Fremdkörper
betrachtet und auch so behandelt worden. Jetzt wehrt sie sich juristisch.
An diesem Montag verhandelt das Landesarbeitsgericht Berlin eine Klage
Perçins gegen ihren Arbeitgeber. Es sei „systematisch der Versuch
unternommen worden, eine möglicherweise ‚völkisch‘ nicht ins Bild passende
Frau, noch dazu mit türkischer Abstammung“ loszuwerden, heißt es darin. Die
Klägerin sei vom DFV, ihrem eigenen Dienstherrn, „in systematischer Weise
wegen ihres Geschlechts und ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert und
sexuell belästigt worden“. Aufgelistet ist ein Katalog von Vorfällen, die
dies belegen sollen.
Der DFV weist alle Anschuldigungen zurück. „Im Deutschen Feuerwehrverband
hatten und haben Rassismus, Diskriminierung und Sexismus keinen Platz“,
schreibt der DFV dazu auf taz-Anfrage. Die ethnische Herkunft der
Mitarbeiterin und ihr Geschlecht hätten „keine Rolle in der Zusammenarbeit
gespielt.“
Bis 2016 war Perçin Mitarbeiterin der Grünen in Nordrhein-Westfalen, dort
hat sie sich um Katastrophenschutzgesetze gekümmert. Ihr Referendariat
absolvierte sie unter anderem beim Polizeipräsidenten von Berlin, zudem
machte sie Station bei den Vereinten Nationen in New York. Sie arbeitete
als wissenschaftliche Mitarbeiterin für eine Bundestagsabgeordnete und
bewarb sich 2013 selbst um einen Listenplatz für die Bundestagswahl.
Ex-Präsident auch wegen Berufung Perçins gestürzt
Das DFV-Präsidium hielt trotz ihrer Kompetenzen nicht viel von ihr: Die
Hälfte der DFV-Mitglieder stimmte Anfang 2016 gegen die Einstellung
Perçins. Der damalige Präsident Hartmut Ziebs gab ihr die Stelle trotzdem.
Er sei „sicher, dass sie mit ihrer frischen Perspektive“ die Feuerwehr
voranbringen werde, sagte Ziebs damals. Die Berufung Perçins soll einer der
Gründe gewesen sein, weshalb der DFV Ziebs nach einem [1][spektakulären
öffentlichen Machtkampf 2019] stürzte.
Ihm sei die „Einstellung einer Frau mit türkischen Wurzeln als
Bundesgeschäftsführerin“ und seine [2][„klare Haltung gegen rechtsnationa…
Tendenzen“] im Verband zum Verhängnis geworden, sagte Ziebs damals selbst.
Im Dezember musste er schließlich zurücktreten. Perçin blieb
Bundesgeschäftsführerin, doch das Verhältnis zum DFV ist schwer zerrüttet.
Sie ist seit Monaten krankgeschrieben. Sagen will sie mit Blick auf das
offene Verfahren nichts.
Ihre Klage zielt darauf, dass die Männer, die ihr das Leben so lange so
schwer gemacht haben, vom Verband abgemahnt werden müssen. Da geht es zum
Beispiel um Hermann Schreck, der heute an Ziebs’ Stelle den DFV
interimsmäßig leitet. Als Perçin kam, soll er verbandsöffentlich die Frage
gestellt haben, warum denn „unbedingt eine Türkin als
Bundesgeschäftsführerin“ habe eingestellt werden müssen. Seine Ablehnung
habe er Perçin spüren lassen.
Drei Jahre später schließlich, bei der Vorstandssitzung im November 2019 in
Fulda, auf der über Ziebs’ Zukunft gerungen wurde, habe er zu Perçin
gesagt: „Du passt hier nicht rein.“ Bei bloßen Anfeindungen soll es indes
nicht geblieben sein. Die Klage fordert vom DFV auch, Maßnahmen gegen
sexistische Angriffe auf Perçin zu ergreifen. Ein Landesfeuerwehrchef habe
das Gerücht gestreut, Perçin habe ein sexuelles Verhältnis zu Ziebs, dieser
habe sie nur deshalb eingestellt und ihr die mit fast 7.000 Euro im Monat
dotierte Stelle als „Versorgungsposten“ zugeschustert.
Vorwurf sexueller Belästigung
Ein anderer Feuerwehr-Landesfürst wollte offenbar selber ein Verhältnis
anfangen. In WhatsApp-Nachrichten habe er Perçin wissen lassen: „Ich finde
Dich echt voll hübsch, wenn ich als älterer Mann das noch so sagen darf.“
Oder: „Ich schicke Dir einen süßen Gutenachtkuss, welchen ich dir gern
selber und in echt mal geben würde, wenn ich das darf“ – um sie eben dazu
direkt in sein Hotelzimmer einzuladen: „Wenn du magst, kannst Du noch gern
kurz zu mir kommen. Können ja gern uns noch ein wenig unterhalten. Bin im
EG 310“.
Solche Nachrichten sind mehr als eine Grenzüberschreitung, weil die
Landeschefs der Feuerwehr Mitglied im Präsidialrat des DFV sind – einem
wichtigen Organ des Arbeitgebers in Person von Perçin.
Der DFV sagt auf Anfrage, dass er beantragt habe, die Klage zurückweisen zu
lassen. „Dies entspricht unserem derzeitigen Kenntnisstand in Bezug auf die
Vorwürfe und die rechtliche Würdigung.“ Sollte das Gericht jedoch ein
Fehlverhalten von Akteuren gegenüber der Klägerin feststellen, „so werden
wir natürlich unmittelbar die notwendigen Konsequenzen ziehen“.
Es sind Schlaglichter auf die Kultur der männerdominierten Feuerwehr, in
der Witze so klingen: „Erst eine rauchen, dann eine Frau missbrauchen.“ Das
soll ein weiterer Feuerwehr-Landesfürst gesagt haben. Frauen in der
Feuerwehr habe dieser als „hübsches Anschauungsobjekt“ abqualifiziert.
„Vorwürfe sind sehr begründet“
Alle drei Landes-Feuerwehrchefs wollen auf taz-Anfrage nichts zu den
Anschuldigungen sagen und verweisen auf ihre Persönlichkeitsrechte. „Die
Vorwürfe, die Frau Dr. Perçin in der Klage erhebt, sind sehr begründet“,
sagt hingegen ihr Ex-Chef Hartmut Ziebs, der sie 2016 eingestellt hatte.
Der Konflikt habe direkt nach Perçins Berufung begonnen. Ziebs habe damals
versucht, den Mobbingvorwürfen nachzugehen. „Aber die Beteiligten haben
alles abgestritten, da hat man keine Chance als Arbeitgeber.“
Hartmut Ziebs stand dafür, die Feuerwehr für andere gesellschaftliche
Gruppen zugänglicher zu machen – schon deshalb, weil sie vielerorts
Nachwuchssorgen plagen, die sich, ohne dass mehr MigrantInnen in die
freiwilligen Feuerwehren eintreten, zum eklatanten Sicherheitsproblem
auswachsen dürften.
So legte Ziebs vor allem ab 2015 auch Wert darauf, dass die Feuerwehr sich
für Geflüchtete öffnet. „Feuerwehr ist hier ein Schritt in die neue
Heimat“, sagte Ziebs damals. Die Berufung Perçins sollte dies
unterstreichen. „Frau Dr. Perçin war eine der Besten, die wie kriegen
konnten“, sagt Ziebs, eine „Integrationsfigur im wahrsten Sinne des Wortes
und ideal, um deutlich zu machen, dass die Feuerwehr ein moderner Teil
einer offenen Gesellschaft sein will“.
Dass er den internen Machtkampf trotz erheblicher öffentlicher
Unterstützung, etwa durch Parteien, die Gewerkschaft Verdi und durch die
Bild-Zeitung, verloren hat, „hat mich ehrlich gesagt geschockt“, sagt
Ziebs. Er habe damals die ehemalige Bundesjustizministern Hertha
Daeubler-Gmelin als Vermittlerin im Streit mit den Präsidiumsmitgliedern
gewonnen. Aber bis auf die Landesverbände NRW, Saarland und Sachsen-Anhalt
hätten alle eine Vermittlung verweigert. Zum 31. Dezember 2019 legte Ziebs
schließlich sein Amt nieder.
Nur dürres Statement des DFV
Seit dem 6. Dezember, dem Tag der letzten Präsidiumssitzung, habe keiner
aus dem Präsidium mehr mit ihm gesprochen. Der DFV blieb auch nach außen
überaus wortkarg: Zur Implosion seiner Führung erklärte er – nichts. Erst
Wochen später, im Januar 2020, gab es ein dürres Statement des
Interimschefs Hermann Schreck, der nur erklärte, er kümmere sich
„verlässlich um anstehende dringende Angelegenheiten“.
Einen Nachfolger für Ziebs will der Verband erst im Herbst wählen. „Die
Frage ist, ob es jemand wird, der es schafft, den Verband wieder
zusammenzubringen und in eine innovative Zukunft zu führen“, sagt Ziebs.
Seine eigene Zukunft soll im Bundestag liegen. Im Juni hat ihn sein
CDU-Kreisverband Ennepe-Ruhr als Kandidaten für die Wahl im nächsten Jahr
vorgeschlagen.
10 Aug 2020
## LINKS
[1] /Machtkampf-in-der-Feuerwehr/!5644325
[2] /Feuerwehrmann-ueber-Machtkampf-im-Verband/!5650721
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Feuerwehr
sexuelle Belästigung
Schwerpunkt AfD
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