# taz.de -- Nordkorea-USA-Gipfel: Feinde, die sich nahekommen | |
> Am Dienstag wollen sich US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas | |
> Staatschef Kim Jong Un in Singapur treffen. Historisch! Aber warum? | |
Bild: „Trump hatte ja letztes Jahr bereits angekündigt, mit Kim einen Burger… | |
## Trump trifft Kim: Was macht den Gipfel von Nordkorea und den USA | |
historisch? | |
Bislang hat sich noch kein US-Präsident mit einem nordkoreanischen | |
Staatschef getroffen. Genau davon hat aber bereits Staatsgründer Kim Il | |
Sung geträumt: einmal mit dem Staatsoberhaupt des „imperialistischen | |
Feindes“ auf Augenhöhe zu verhandeln. Seinem Enkel Kim Jong Un scheint dies | |
nun zu gelingen – vor allem aufgrund des Atomprogramms, das der 34-Jährige | |
in den letzten Jahren immer schneller ausgebaut hat. | |
## Worum geht es? | |
Washington verlangt, dass Pjöngjang vollständig nuklear abrüstet. Nordkorea | |
hingegen möchte das Waffenstillstandsabkommen des Koreakriegs (1950–53) | |
durch einen Friedensvertrag ersetzen. Das Kim-Regime richtet seit seiner | |
Gründung all sein Handeln darauf, seinen Fortbestand zu sichern. Dafür ist | |
ein glaubhafter Nichtangriffspakt mit den USA essenziell. Die größte Angst | |
der Parteikader in Pjöngjang ist es, dasselbe Schicksal zu erleiden wie | |
Saddam Hussein in Irak oder Gaddafi in Libyen. Als Gegenleistung für die | |
Abrüstung fordert Nordkorea Wirtschaftshilfen und die Aufhebung der | |
Sanktionen gegen das Land. Die große Frage ist, ob sich beide | |
Verhandlungspartner auf eine Definition von „Denuklearisierung“ einigen | |
können. | |
## Ist das nicht reine Paragrafenklopferei? | |
Keinesfalls. Die USA zielen auf eine [1][„vollständige, nachprüfbare und | |
irreversible“ Denuklearisierung] ab. Besonders heikel ist der letzte Punkt: | |
Streng genommen müsste das Regime seine bis zu zehntausend Nuklearexperten | |
im Land ausweisen. Denn mit dem bereits bestehenden Know-how könnte | |
Pjöngjang theoretisch jederzeit wieder sein Atomprogramm aufnehmen. | |
Nordkorea hingegen würde eine nukleare Abrüstung der gesamten koreanischen | |
Halbinsel bevorzugen. Dies beinhaltet auch, dass die Amerikaner ihren | |
atomaren Schutzschirm aus Südkorea abziehen. Diese beiden Agenden auf einen | |
Nenner zu bringen gilt laut vielen Experten als nahezu unmöglich. | |
## Wie mächtig ist das Atomarsenal der Nordkoreaner wirklich? | |
Kim behauptet, dass er bereits in der Lage sei, mit seinen Atombomben jeden | |
Winkel des amerikanischen Festlandes unter Beschuss zu nehmen. Unabhängige | |
Experten halten dies jedoch für übertrieben. Zwar verfügt Nordkorea über | |
bis zu 20 Atomsprengkörper und hat bei seinem sechsten und bisher letztem | |
Atomtest Anfang 2017 eine Explosion von 100 Kilotonnen Sprengkraft | |
ausgelöst. Zum Vergleich: Die Atombombe von Hiroshima hatte eine | |
Sprengkraft von circa 15 Kilotonnen. Allerdings wird bezweifelt, dass es | |
dem Regime bereits gelungen ist, seine Atomsprengköpfe derart zu | |
miniaturisieren, dass sie auf eine Interkontinentalrakete montiert werden | |
können. Ebenso ist unklar, ob nordkoreanische Ingenieure die sogenannte | |
Wiedereintrittstechnologie gemeistert haben. Die Raketenspitze muss nämlich | |
beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre Außentemperaturen von über 3.000 | |
Grad Celsius vertragen. | |
## Das Atomprogramm Nordkoreas ist doch vor allem ein Eigentor für das | |
Regime, schließlich hat es zu massiven Wirtschaftssanktionen geführt. Wieso | |
also hat es Kim überhaupt so energisch und stur entwickeln lassen? | |
Das Regime in Pjöngjang hat seine Atombombe bislang als einzige | |
verlässliche Lebensversicherung angesehen – um dadurch stark genug zu sein, | |
Angriffe von vornherein auszuschließen. Zudem hatte Kim Jong Un das Ziel | |
verfolgt, durch die Atombombe schlussendlich weniger Ressourcen in sein | |
konventionelles Militär stecken zu müssen – und diese stattdessen zum | |
Aufbau der Wirtschaft zu nutzen. Das verhinderten die USA jedoch durch die | |
von ihnen angeführte Sanktionspolitik. | |
## Nordkorea hat bereits 2002 ein Atomabkommen mit den Amerikanern | |
gebrochen. Wieso sollte man der Regierung diesmal über den Weg trauen? | |
Ganz so einseitig war es damals nicht. Auch die USA haben ihren Teil der | |
Abmachungen – Öllieferungen nach Nordkorea – nicht fristgerecht | |
eingehalten. Aber natürlich sind die Zweifel an Nordkoreas Aufrichtigkeit | |
berechtigt, genau wie die Nordkoreaner guten Grund haben, Washington zu | |
misstrauen. | |
Dennoch ist die geopolitische Ausgangslage mittlerweile eine andere. | |
Nordkorea hat in der Zwischenzeit sein Atomprogramm nahezu vervollständigt | |
und damit eine selbstbewusste Verhandlungsposition erlangt. Die Beziehung | |
zu China hingegen hat sich in den letzten Jahren massiv verschlechtert. | |
China möchte zwar Stabilität in der Region, ist jedoch entschieden gegen | |
die nuklearen Ambitionen des Kim-Regimes. Xi Jinping verliert allmählich | |
die Geduld mit Kim. | |
Auf der anderen Seite ist in Südkorea mit Moon Jae In ein linker Präsident | |
an der Macht, der aufrichtig um eine Verbesserung der innerkoreanischen | |
Beziehungen bemüht ist und einen Krieg in Korea um jeden Preis vermeiden | |
will. Dann wäre da noch Donald Trump: Er hat im letzten Jahr glaubhaft | |
versichert, dass er auch einen Militärschlag gegen Nordkorea in Erwägung | |
ziehen würde. | |
## Trump wurde ja sogar vom Präsidenten Südkoreas für den | |
Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Ein Witz, oder? | |
Tatsächlich war die Äußerung wohl rein taktischer Natur und nicht ganz | |
ernst gemeint. Dabei sollte man nicht vergessen: Donald Trumps Vorgänger | |
Barack Obama hat den Nordkoreakonflikt weitgehend ignoriert. Seine | |
„strategische Geduld“ im Umgang mit Pjöngjang gilt als gescheitert. Trump | |
hingegen hat erstmals Bewegung in den Konflikt gebracht – und mit seiner | |
unkonventionellen Art und seinem überdimensionalen Ego ist er vielleicht | |
ein geeignetes Gegenüber für Diktator Kim, der ja auch immer recht | |
großspurig auftritt. Diese beiden Politiker an einem Verhandlungstisch über | |
einen der gefährlichsten Konflikte weltweit reden zu lassen – kann das | |
überhaupt gut gehen? Nun ja, vielleicht ist Trumps Eitelkeit in diesem | |
speziellen Fall durchaus hilfreich. Er will schließlich unbedingt den | |
historischen Deal. | |
## Dass sich zwei Staatschefs in einem Drittland treffen, ist ungewöhnlich. | |
Wieso findet der Gipfel ausgerechnet in Singapur statt? | |
Sollte Kim in die USA fliegen? Das wäre völlig indiskutabel – schon wegen | |
Sicherheitsbedenken. Auch Trump kann unmöglich nach Pjöngjang reisen. So | |
würde er den Nordkoreanern die Kontrolle über die symbolischen TV-Bilder | |
überlassen. Die damalige Außenministerin Madeleine Albright hat diese | |
Erfahrung bereits gemacht: Bei ihrem Besuch in der nordkoreanischen | |
Hauptstadt im Jahr 2000 wurde sie kurzerhand ins Sportstadion 1. Mai | |
gesetzt, wo über 100.000 Zuschauer Kim Jong Il zujubelten. | |
## Aber warum Singapur? | |
Singapur ist eine gute Wahl. Der Inselstaat ist vergleichsweise neutral, | |
kann die hohen Sicherheitsanforderungen erfüllen und hat genügend | |
Erfahrungen mit internationalen Gipfeltreffen. Zwar ist Singapur ein enger | |
Verbündeter der USA, jedoch unterhält es gleichzeitig auch diplomatische | |
Beziehungen zu Nordkorea. Das erste Fastfoodrestaurant sowie die erste | |
ausländische Anwaltsfirma in Pjöngjang stammen übrigens beide aus Singapur. | |
Was Kim Jong Un ebenfalls gefallen dürfte: Singapur hat das Statut des | |
Internationalen Strafgerichtshofs nicht unterzeichnet. | |
## Nordkorea gilt ja als einer der ärmsten Staaten der Welt, Singapur | |
hingegen ist ein hochpreisiges Reiseziel. Wer zahlt denn für Kims | |
Hotelrechnung? | |
Nordkorea ist bekannt dafür, sich gerne mal einladen zu lassen. Für die | |
Unterbringung der nordkoreanischen Delegation bei den Olympischen | |
Winterspielen im südkoreanischen Pyeongchang hat beispielsweise Seoul | |
gezahlt – immerhin 225.000 Dollar. Das Gipfeltreffen in Singapur findet nun | |
im Capella-Hotel statt, einem Luxusressort auf einer vorgelagerten Insel. | |
Die Sprecherin des US-Außenministeriums hat jedoch ausgeschlossen, dass die | |
USA für die Nordkoreaner zahlen werden. Vielleicht wird die singapurische | |
Regierung einspringen, das wird in Diplomatenkreisen als möglich | |
bezeichnet. Dank der Nordkoreaner kämen schließlich rund 5.000 Journalisten | |
auf die Insel – und mit ihnen kostenlose Publicity von unschätzbarem Wert. | |
## Was steht auf dem Speiseplan? | |
Noch sind die kulinarischen Details nicht bekannt, aber Trump hatte ja | |
letztes Jahr bereits angekündigt, mit Kim einen Burger essen zu wollen. | |
Allein das Protokoll dürfte den Organisatoren massive Kopfschmerzen | |
bereiten: Die Tischordnung bietet viele Möglichkeiten für Fettnäpfchen, die | |
Getränkewahl auch – schließlich gilt Kim als überaus trinkfest, während | |
Trump abstinent lebt. Beim Fototermin steht Kim Jong Un zudem vor dem | |
Problem, neben dem 20 Zentimeter größeren Trump wie ein Zwerg zu wirken. | |
Apropos Optik: Neben dem Hotel des Gipfeltreffens liegt ein überaus | |
beliebter Vergnügungspark. Die [2][dortige Achterbahn ist zweifelsohne die | |
perfekte Metapher] für das [3][Auf und Ab im Vorfeld des Gipfels.] | |
## Es hieß, dass der ehemalige Basketballer Dennis Rodman ebenfalls nach | |
Singapur fährt. Wieso der denn? | |
Rodman, bekannt aus der US-Profiliga NBA, gehört zu den wenigen Westlern, | |
die Kim Jong Un persönlich getroffen haben – fünf Mal sogar in den letzten | |
Jahren. Kim ist seit seiner Schulzeit im schweizerischen Bern ein | |
begeisterter Basketballfan. Dennis Rodman behauptet gar, dass er als | |
diplomatischer Vermittler dazu beigetragen hat, dass die beiden Staatschefs | |
nun aufeinandertreffen. Zu Kims Geburtstag im letzten Jahr hat Rodman ihm | |
ein Exemplar von Trumps Bestseller „The Art of the Deal“ geschenkt. | |
11 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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