# taz.de -- Klage Georgiens gegen Russland: Richter entscheiden über Kriegsgr�… | |
> Zehn Jahre nach dem Krieg um Südossetien versucht der Europäische | |
> Gerichtshof für Menschenrechte eine Aufarbeitung. Der Ausgang ist unklar. | |
Bild: Schwere Vorwürfe gegen die russische Armee: Panzer ziehen am 22.08.2008 … | |
STRASSBURG taz | Es ist einer der heikelsten Fälle, die der Europäische | |
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) je entscheiden musste. An diesem | |
Mittwoch verhandelte der Straßburger Gerichtshof über die Klage Georgiens | |
gegen Russland wegen massiver Menschenrechtsverletzungen während des | |
Südossetienkriegs 2008. | |
Südossetien ist eine Region mit rund 50.000 Einwohnern, die seit 1920 zu | |
Georgien gehört. Nach dem Zerfall der Sowjetunion strebte Südossetien nach | |
Unabhängigkeit und lehnte sich an Russland an. Im Sommer 2008 eskalierte | |
der Konflikt zum Krieg. Am 7. August rückten georgische Truppen in | |
Südossetien ein – angeblich, um einem russischen Angriff zuvorzukommen. | |
Russland gewann aber schnell die Oberhand und besetzte bis Oktober sogar | |
Teile des georgischen Kernlands. Südossetien erklärte sich nach dem kurzen | |
Krieg für unabhängig, wird bisher aber fast nur von Russland anerkannt. | |
Schon 2008 rief die georgische Regierung den EGMR an und verklagte Russland | |
wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen. Rund 20.000 Georgier seien aus | |
Südossetien mit Gewalt vertrieben worden. Zu diesem Zweck seien die | |
mehrheitlich georgischen Dörfer zunächst bombardiert, später geplündert | |
worden. | |
## Effektive Kontrolle | |
Bei den Kämpfen seien 228 Zivilisten getötet worden, es habe mehr als 30 | |
Fälle von Folter gegeben. 300 bis 500 Häuser seien angezündet worden. Auch | |
soweit dabei südossetische Milizen handelten, sei Russland verantwortlich, | |
betonte jetzt Ben Emmerson, der englische Anwalt Georgiens. „Russland hatte | |
die effektive Kontrolle in Südossetien.“ | |
Das wies die russische Seite in Straßburg weit von sich. „Die russischen | |
Truppen waren voll damit beschäftigt, den georgischen Angriff | |
zurückzuschlagen. Sie kämpften an der Front und konnten nicht | |
kontrollieren, was in Südossetien passiert“, so Michael Swainston, der | |
englische Anwalt, der Russland vertrat. Für die Gräuel seien südossetische | |
Kriminelle verantwortlich gewesen, sie hätten das von Georgien verursachte | |
Chaos ausgenutzt. | |
Russland warf Georgien einen „Propagandafeldzug“ vor und stellte viele der | |
Zeugenaussagen, Fotos und Videos als „manipuliert“ in Frage. So sei ein | |
Waffenexperte von der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch | |
parteiisch, weil er früher für den US-Geheimdienst gearbeitet habe. | |
Georgien habe selbst Streumunition eingesetzt und versuche dies Russland in | |
die Schuhe zu schieben. Die Beweise, dass der holländische Journalist Stan | |
Storimans von einer russischen Iskander-Rakete getötet wurde, seien | |
fabriziert. | |
Georgiens Anwalt Ben Emmerson kommentierte. „Sie sehen, wie sehr Russland | |
mit dem Rücken zur Wand steht, sie können nur noch alle anderen als Lügner | |
bezeichnen.“ | |
## Keine Frage gestellt | |
Der EGMR wird es schwer haben, in diesem Dickicht von Behauptungen und | |
Gegenbehauptungen eine überzeugende eigene Position zu finden. Das zeigt | |
schon die Dauer des Verfahrens. 2011 ließ der Gerichtshof die Klage zu, | |
sparte dabei aber alle schwierigen Fragen aus. 2016 wurden in Straßburg | |
Zeugen vernommen, wobei jede Person nur 15 Minuten befragt werden konnte. | |
In der jetzigen mündlichen Verhandlung ließen die Richter nicht erkennen, | |
ob und wie sie den Fall entscheiden werden. Die 17 Richter der Großen | |
Kammer des EGMR stellten keine einzige Frage. Wissen sie schon, wie sie | |
entscheiden wollen? Oder haben sie innerlich bereits kapituliert? | |
Russland hatte in den letzten Jahren den EGMR massiv in Frage gestellt. | |
Die Klage Georgiens gegen Russland ist erst die 23. Staaten-Staaten-Klage | |
am EGMR. Üblicherweise klagen Bürger gegen ihren eigenen Staat. Der | |
Rechtsprechung des EGMR, der nichts mit der EU zu tun hat, unterliegen 47 | |
Staaten, inklusive Russland, Türkei und Schweiz. | |
23 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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