| # taz.de -- Antifaschistische Bewegung und AfD: Raus aus der Defensive | |
| > Seit Herbst sitzt die AfD im Bundestag – und was macht die Antifa? Die | |
| > Szene ist auf der Suche. Nun könnte es mit der Schockstarre vorbei sein. | |
| Bild: Teilnehmer einer Demo gegen Rechts in Chemnitz im Mai | |
| Berlin taz | Das neue Bündnis ist breit aufgestellt: Theater und Bands, | |
| Parteien und die Antifa, die MotorradfahrerInnen der Kuhle Wampe und der | |
| Türkische Bund Berlin-Brandenburg. Sie alle mobilisieren gegen die größte | |
| Demo, die die AfD bisher angemeldet hat: Am 27. Mai sollen rund 10.000 | |
| Menschen in Berlin auf die Straße gehen, über das Motto lässt die Partei | |
| ihre AnhängerInnen derzeit noch per Online-Umfrage abstimmen. | |
| Doch auch die Gegner machen mobil: Beim geplanten „Marsch auf Berlin“ der | |
| AfD werde man mit „Massenprotesten zeigen, dass die Bevölkerung Berlins | |
| nicht bereit ist, RassistInnen und neuen Nazis ungehindert die Straße zu | |
| überlassen“, sagte eine Sprecherin des Gegenbündnisses „Stoppt den Hass �… | |
| Stoppt die AfD“, das sich eigens für diesen Termin in Berlin gegründet hat. | |
| Einen Tag zuvor wird der AfD auch in Bayern der Kampf angesagt: Der | |
| regionale Flügel der Kampagne Nika (Nationalismus ist keine Alternative) | |
| ruft für den 26. Mai zu einer landesweiten Konferenz auf, um „mit dem | |
| Problem AfD offensiv umzugehen“, wie Luca Meier*, einer der Organisatoren, | |
| der taz sagte. Dabei gehe es sowohl um den Abbau sozialer Errungenschaften | |
| durch die CSU wie beim neuen Polizeiaufgabengesetz als auch um den | |
| generellen Rechtsruck und eine weitere Verankerung der AfD im | |
| Parteienspektrum. Anlass ist die bayerische Landtagswahl im Herbst. | |
| ## Schockstarre seit der Bundestagswahl | |
| Werden die Berliner Proteste und die bayerische Kampagne so groß wie | |
| erhofft, könnten sie nicht nur der AfD etwas entgegensetzen – sondern auch | |
| zeigen, dass sich die linksradikale Szene aus der Schockstarre löst, in die | |
| sie seit der Bundestagswahl offenbar gefallen war. Seitdem nämlich waren | |
| die Momente, in denen sichtbar wurde, dass die Szene gegen die AfD aktiv | |
| ist, rar gesät. | |
| Zwar waren da die Parteitage in Köln noch vor der Wahl und in Hannover kurz | |
| danach, bei denen jeweils Tausende auf die Straße gingen, um den Ablauf | |
| stören. Jenseits dessen jedoch war von einer Antifaarbeit gegen die AfD | |
| wenig zu sehen. War sie zu schwach, um offensiver aufzutreten? Ist der | |
| Gegner zu stark geworden? Oder können die Konzepte der Antifa spätestens | |
| seit dem Zeitpunkt nicht mehr greifen, da es gegen Abgeordnete im Bundestag | |
| geht und nicht gegen Nazis auf der Straße? | |
| „Antifa ist nicht tot“, sagt Meier, 28, von der Gruppe antifa nt aus | |
| München, der seit mehr als zehn Jahren in der radikalen Linken aktiv ist. | |
| Klar sei aber, dass „die Mobilisierung gegen den Rechtsruck bisher nicht | |
| die Kraft hat, die nötig wäre“. | |
| ## Weit entfernt von den Erfolgen der 90er | |
| Das gilt sowohl gesamtgesellschaftlich als auch für die autonome Szene | |
| selbst: Weit entfernt von den Erfolgen der 90er, in denen die Gruppen | |
| unangefochten an der Spitze des Protestspektrums gegen rechts standen, hat | |
| sich die Szene spätestens ab den 2000er-Jahren zerklüftet. Einen Teil der | |
| Aufgaben im Antifa-Bereich übernahmen Akteure wie das Netzwerk Ums Ganze, | |
| zu dem auch die antifa nt gehört, oder die Interventionistische Linke (IL), | |
| der größte Player im postautonomen Spektrum, der von Feminismus bis hin zu | |
| Klima aber auch andere Themen besetzt. | |
| Auch hier ist man selbstkritisch: „Dass die AfD in die Parlamente | |
| eingezogen ist, ist für uns natürlich ein Problem“, sagt Zoé Neumann* von | |
| der Antifa-AG der IL. „Wir haben uns bisher viel zu wenig damit | |
| beschäftigt, was unser Gegenkonzept ist, was die Antwort darauf sein muss.“ | |
| Nicht, dass andere zivilgesellschaftliche Akteure die Antwort schon parat | |
| hätten. Aber für die Antifa bedeutet die AfD, die als parlamentarisches | |
| Scharnier zur extremen Rechten funktioniert, dass manche ihrer zentralen | |
| Strategien nicht mehr greifen – Outings zum Beispiel. Während ein Teil der | |
| Gegner im Bundestag sitzt und dort auch bereits den Schulterschluss mit | |
| etablierten Parteien wie der Union sucht, macht außerparlamentarisch etwa | |
| die Identitäre Bewegung mobil und trägt ihre Gesinnung stolz vor sich her. | |
| ## Der Gegner ist diffuser geworden | |
| „Die Zeiten, in denen man mit kleinen Gruppen von gesellschaftlich recht | |
| isolierten Akteuren zu tun hatte, die relativ einfach stigmatisiert werden | |
| konnten, sind vorbei“, sagt der Sozialwissenschaftler Nils Schuhmacher, der | |
| zu politischem Protest forscht. Der Gegner, der früher klar eingrenzbar | |
| war, ist deutlich breiter und diffuser geworden. „Das hat ein | |
| Entmutigungsmoment.“ | |
| Trotzdem müsse man unterscheiden, sagt IL-Frau Neumann: Vor allem auf dem | |
| Land spielten neben der AfD auch klassische Neonazistrukturen wie die | |
| Kameradschaftsszene nach wie vor eine Rolle. „Dass es weiterhin Gewalt auf | |
| der Straße gibt, wird in Städten wie Berlin gerne mal vergessen“, sagt sie. | |
| Dass sich die Antifa in Stadt und Land vor breite und teils sehr | |
| verschiedene Aufgaben gestellt sieht, trägt wohl dazu bei, dass bundesweite | |
| Kampagnen derzeit nicht die Kraft entfalten, die noch zu Zeiten von Dresden | |
| Nazifrei um 2010 möglich war. Immerhin gibt es Nationalismus ist keine | |
| Alternative (Nika), die unter anderem zu den Parteitagsblockaden | |
| mobilisiert und auf regionaler Ebene nun auch zur bayerischen Kampagne | |
| aufruft. Zudem arbeiten manche anlassbezogene Initiativen auch | |
| überregional. | |
| ## Der Aktivenkreis wächst | |
| Insgesamt aber sind die Strukturen, in denen sich Antifa organisiert, | |
| momentan deutlich stärker regional und lokal aufgestellt, mit Kiez-Antifas | |
| in der Stadt und Gruppen in der Fläche. Die mobilisierten im Februar zum | |
| Beispiel nach Cottbus, das Schlagzeilen machte, weil Cottbuser über Monate | |
| gegen Flüchtlinge auf die Straße gegangen waren. „Da passiert viel | |
| Soli-Arbeit, zum Beispiel mit Geflüchteten. Das Engagement ist da“, sagt | |
| Meier. „Nur gibt es eben nicht den einen überregionalen Ausdruck, der das | |
| als breiten Kampf sichtbar machen würde.“ Das vor zwei Jahren gegründete | |
| Bündnis Aufstehen gegen Rassismus versucht, dem Rechnung zu tragen und | |
| lokale und überregionale Strukturen zu verknüpfen. | |
| Und auch wenn das große Ganze gerade weniger sichtbar ist: Spätestens seit | |
| der Bundestagswahl, sagt Neumann, nehme sie ein großes Bedürfnis wahr, | |
| gegen die AfD aktiv zu werden. Zwar zähle man die Mitglieder nicht, wie es | |
| Parteien tun – aber „in meinem Aktivenkreis in Neukölln werden wir mehr“, | |
| sagt sie. Monatlich trifft sich der Vernetzungs- und Aktivenkreis. | |
| Die, die neu hinzukommen, müssten aber auch entsprechend eingebunden | |
| werden, sagt der Sozialwissenschaftler Schuhmacher: „Natürlich rufen | |
| Ereignisse wie die Bundestagswahl den Wunsch hervor, aktiv zu werden.“ | |
| Politische Empörung an sich sei aber kein tragfähiges Element für eine | |
| Konsolidierung. Dafür bedürfe es handlungsfähiger und attraktiver Gruppen. | |
| ## Was ist die Strategie? | |
| Was also ist das Ziel, was die Strategie? Zum einen wird nach wie vor | |
| versucht, den Abwehrkampf gegen einen rechten Rollback zu führen. „Uns geht | |
| es darum, die AfD in ihrer rassistischen Propaganda zurückzudrängen und | |
| nicht im Gegenteil deren Positionen zu antizipieren und zu erfüllen“, sagt | |
| Neumann. | |
| Die IL plane deshalb auch, weiter gegen jede Großdemo und jeden Parteitag | |
| der AfD auf die Straße zu gehen, sowohl auf Bundesebene, wie nächstes Mal | |
| am 30. Juni, als auch im Lokalen – um Normalisierungen der AfD | |
| entgegenzuwirken, wo es eben noch gehe. Und auch, sagt Maier, um das Gefühl | |
| entstehen zu lassen, nicht vereinzelt vor sich hinzuarbeiten, sondern dem | |
| Rechtsruck gemeinsam etwas entgegenzusetzen. | |
| Zum anderen arbeiten die Gruppen daran, eigene Alternativen zu formulieren. | |
| Man müsse die „Fortschreibung einer eigenen linken Erzählung“ vorantreibe… | |
| hieß es vor Kurzem etwa auf dem Blog der IL. Im Austausch mit anderen | |
| müssten nun die Dimensionen eines solchen Projekts ausgelotet werden. | |
| ## Etwas Neues, Offensives | |
| Meier stimmt zu: Abwehrkampf allein sei nicht zeitgemäß, sagt er auch mit | |
| Blick auf die Landtagswahl nicht nur in Bayern, sondern auch in Sachsen und | |
| Brandenburg 2019. Aufklärung und Recherche seien zwar weiter wichtig – | |
| „aber wir müssen uns als Teil einer breiten, radikalen Linken überlegen, wo | |
| es hingeht. Wir brauchen etwas Neues, Offensives.“ | |
| Das soll nun zum Beispiel die regionale Nika-Kampagne anlässlich der | |
| Landtagswahlen bringen. Man wolle den Wahlkampf nutzen, um innerhalb | |
| linksradikaler und antifaschistischer Strukturen in Bayern „einen Austausch | |
| zu beginnen, aus der Zeit gefallene Spaltungslinien zu überwinden, uns zu | |
| organisieren, zu vernetzen und eine kollektive politische Praxis zu | |
| entwickeln“, heißt es in dem Aufruf. Das Ziel, sagt Meier, sei eine | |
| gemeinsame Organisierung, damit eine antiautoritäre radikale Linke wieder | |
| handlungsfähig werde. Erste Termine, zu denen mobilisiert wird, sind die | |
| Konferenz sowie der Landesparteitag der AfD in Nürnberg am 9. Juni. | |
| Hinweise auf die Frage, ob die Offensive gelingt, wird es auch bei der Demo | |
| Ende Mai in Berlin geben. Da könne die Chance genutzt werden, den Protest | |
| gegen die AfD zu verbreitern und in andere Bevölkerungsschichten zu tragen, | |
| sagt Neumann. „Es hängt ja letztlich nicht nur an der Antifa. Wir wollen | |
| klarmachen, dass alle aktiver werden müssen.“ | |
| * Namen geändert | |
| 20 May 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
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