| # taz.de -- Offizieller Armutsbericht: Afghanen wieder so arm wie früher | |
| > Fast 55 Prozent: Die Armutsrate in Afghanistan steigt trotz | |
| > Milliardenhilfen wieder auf den Stand wie zum Ende des Taliban-Regimes. | |
| Bild: Für viele afghanische Bauern ist der Anbau von Schlafmohn der einzige Au… | |
| KABUL taz | Die Armutsrate in Afghanistan liegt nun bei 54,5 Prozent. Das | |
| geht aus einem kürzlich veröffentlichen Bericht des afghanischen | |
| Statistikamts hervor. Er wurde in Zusammenarbeit mit der Europäischen | |
| Union, der Weltbank und dem afghanischen Wirtschaftsministerium erarbeitet, | |
| am 2. Mai veröffentlicht wurde, aber erst jetzt öffentlich vorgestellt. Der | |
| letzte verfügbare Wert von 2013 lag noch bei 39 Prozent. | |
| Das heißt, inzwischen lebt wieder mehr als jede zweite Afghanin und jeder | |
| zweite Afghane unter der Armutsgrenze. Das bedeutet, dass jeder Betroffene | |
| umgerechnet nur maximal einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung hat. | |
| Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Afghanen, die in | |
| „Nahrungsmittelunsicherheit“ leben (früher Hunger genannt), von 30,1 auf | |
| 44,6 Prozent. Das bedeute, so der Bericht, dass „mehr Menschen gezwungen | |
| sind, ihr Land zu verkaufen, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen und zum | |
| Arbeiten zu schicken oder aber von Nahrungsmittelhilfe abhängig sind“. | |
| Der Bericht war übrigens schon seit Längerem fertiggestellt worden. Aber | |
| die afghanische Regierung in Form von Präsident Aschraf Ghani, einem | |
| früheren Mitarbeiter der Weltbank, überlegte noch, ob er wirklich | |
| veröffentlicht werden sollte. | |
| ## Mehr Armut als beim Sturz der Taliban | |
| Die Rate von 55 Prozent liegt mehr als drei Punkte über der Rate | |
| unmittelbar nach dem Sturz der Taliban, nämlich 51,4 Prozent im Jahr 2003. | |
| Das war, nachdem die Politik des Taliban-Regimes wie auch das Ausbleiben | |
| von Entwicklungsgeldern (nur humanitäre Nothilfe war möglich) zur Verarmung | |
| des Landes geführt hatte. | |
| 2003 waren noch nicht so viele internationale Mittel nach Afghanistan | |
| geflossen, als dass sie sich bereits deutlich positiv auf die Armutsrate | |
| niedergeschlagen hätten. Bis 2011/12 sank die Rate dann aber auf 38,3 | |
| Prozent. | |
| Das war auch die Zeit mit den bisher höchsten internationalen | |
| Entwicklungszahlungen an Afghanistan sowie dem Ende des sogenannten | |
| Stabilisierungsparadigmas. Das heißt, dass solche Gelder vor allem zur | |
| Stabilisierung und Befriedung in talibanbeeinflusste Gebieten flossen, der | |
| Löwenanteil dabei über das internationale Militär. | |
| Seither gingen diese Zahlungen aber parallel zum westlichen Truppenrückzug | |
| stark zurück. Einem neuen Bericht der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam | |
| und des Schwedischen Afghanistan-Komitees zufolge erhielt Afghanistan im | |
| Jahr 2011 Hilfe von 6,9 Milliarden US-Dollar, aber 2015 dann nur noch von 4 | |
| Milliarden. | |
| ## Präsident Ghani spricht von „Schande“ | |
| Seitdem war auch das afghanische Wirtschaftswachstum stark gefallen, und | |
| zwar auf einen Wert noch unter dem Bevölkerungswachstum. | |
| Präsident Ghani nannte die Zahl der Armutsrate eine „Schande“. Das fällt | |
| allerdings auf ihn selbst zurück. Er ist ja nicht nur seit 2014 Präsident | |
| des Landes, sondern war auch vorher schon ein sehr wichtiges Mitglied der | |
| Regierung. Ihm ist es nicht gelungen, die endemische Korruption auch nur | |
| ansatzweise einzudämmen. | |
| Erst vor wenigen Tagen hatte er wieder ein massives | |
| Arbeitsbeschaffungsprogramm angekündigt. Er wolle innerhalb dreier Jahre | |
| 2,1 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Allerdings hatte er diese | |
| Priorität auch bereits gleich nach seiner Amtsübernahme im Oktober 2014 | |
| verkündet, ohne dass sich bisher Sichtbares getan hätte. | |
| Zudem müssen im nächsten Jahr Präsidentenwahlen stattfinden, so dass unklar | |
| ist, ob das danach überhaupt noch sein Job sein wird. | |
| Es ist aber auch eine Schande für die Geberländer. Denn die es haben es | |
| trotz Milliardenausgaben nicht geschafft zu verhindern, dass die Armut in | |
| Afghanistan wieder auf den Stand wie unter den Taliban gesunken ist. | |
| 17 May 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Ruttig | |
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