Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Jürgen Trittin zu Merkels USA-Reise: „Macron hat wenig erreicht�…
> Trumps außenpolitisches Verhalten ist nicht erratisch, aber sehr
> gefährlich sagt der Grünen-Politiker Jürgen Tittin. Merkel müsste jetzt
> Härte zeigen.
Bild: Jürgen Trittin gilt als Transatlantik-Experte
taz: Herr Trittin, Kanzlerin Merkel wird gleich US-Präsident Donald Trump
treffen. Was erwarten Sie von ihr?
Jürgen Trittin: Die Kanzlerin muss klar machen, was die europäische
Grundhaltung ist. Europa darf sich von den USA kein Regime von Strafzöllen
aufzwingen lassen. Und die EU-Staaten entscheiden selbst darüber, wie sie
ihre Rolle in der Nato ausfüllen. Wenn Merkel keine klare Sprache spricht,
wird Trump sich darin bestärkt fühlen, Handelskriege mit Europa und China
anzuzetteln.
taz: Macron setzte auf kalkulierte Schmeichelei, Merkel auf Nüchternheit.
Was ist bei Trump aussichtsreicher?
Das deutsch-französische „good cop, bad cop“-Spiel funktioniert ja
offensichtlich nicht. Macron hat mit seiner Charmeoffensive wenig erreicht.
Er hat erst im Kongress die Ansagen gemacht, die er vorher bei Trump
ausgespart hat: Dass Nationalismus und Isolationismus fatal sind, dass das
Nuklearabkommen mit dem Iran unendlich wichtig ist für die Sicherheit in
der Welt.
taz: Trump hat schon im Wahlkampf mit dem Ausstieg aus dem Nuklearabkommen
gedroht, dass den Iran für eine gewisse Zeit dazu verpflichtet, keine
Atombombe zu bauen. Ist es noch zu retten?
Ich bin pessimistisch, wenn es um die Zukunft des Nuklearabkommens mit dem
Iran geht. Manche beschreiben Trumps Agieren ja gerne als erratisch. Das
gilt vielleicht für einzelne Entscheidungen. Aber es ist klar eine innere
Logik erkennbar. Trump setzt Zusagen um, die seinen Wählern wichtig sind.
Seine Absagen an Klimaschutz zielten auf kohlefördernde Staaten wie
Pennsylvania. Die Strafzölle für chinesischen Stahl nutzen amerikanischen
Stahlarbeitern, also Trump-Wählern.
taz: Das hieße, das unter Obama verhandelte Abkommen mit dem Iran wäre
verloren. Trump will Härte gegen Schurkenstaaten zeigen.
Das befürchte ich. Ich glaube, Trump hat sich schon für den Ausstieg aus
dem Abkommen mit dem Iran entschieden. Die Frage wird sein, wie er das tut
– und wie die Europäer damit umgehen.
taz: Welche Szenarien sind denkbar?
Es gibt eine katastrophale und eine weniger katastrophale Variante. Denkbar
ist, dass die USA nur die Verabredung kündigen, dass der Iran sein Öl
verkaufen darf. Dann ist die Frage, wie der Iran reagiert – und ob die USA
und Europa ihm Kompensationen anbieten. Weitaus schlimmer wäre die
einseitige Aufkündigung des gesamten Abkommens durch die USA.
taz: Der Iran würde dann weiter an der Entwicklung von Atomwaffen arbeiten.
Ein Szenario, das nicht nur Israel fürchtet.
Es käme zu einem nuklearen Wettrüsten im Nahen Osten. Denn wenn der Iran
die Bombe entwickelt, wird Saudi-Arabien diese Option auch ziehen –
wahrscheinlich noch schneller. Wir kämen also wieder in eine Logik der
atomaren Abschreckung. Aber nicht mit zwei relativ stabilen Blöcken wie im
Kalten Krieg, sondern in einer Region mit mehreren instabilen Regimen. Das
müssen wir unbedingt verhindern.
taz: Macron hat versucht, Trump eine Brücke zu bauen, indem er ein neues,
umfangreicheres Abkommen ins Spiel brachte. Wie aussichtsreich ist das?
Die Idee ist, dass der Iran in seiner Regionalpolitik eingehegt wird. Er
unterstützt ja zum Beispiel die Hamas, die Israel bekämpft. Außerdem haben
Macron und die USA das iranische Raketenprogramm im Blick, das offenbar
auch Langstreckenangriffe möglich macht. Um hier Fortschritte zu erreichen,
müsste man dem Iran aber Zugeständnisse machen. Das ist aber nicht Trumps
Interesse. Er will sich als harter Hund gegenüber dem „Schurkenstaat“
profilieren und denkt an die Midterm Elections. Bei denen will er die
republikanische Mehrheit im Senat verteidigen.
taz: Merkels Mission in Washington ist also so gut wie aussichtslos?
Aus Trumps Sicht überwiegen die Vorteile einer Kündigung. Vielleicht ist es
möglich, Zeit zu gewinnen. Wenn die USA nur wieder Sanktionen gegen den
Iran in Kraft setzen, wäre das ein Erfolg. Wenn es aber zum Äußersten
kommt, wird ein Prozess in Gang gesetzt, der für Jahrzehnte nicht reparabel
ist. Das Nuklearabkommen hat nur funktioniert, weil Russland und China
zugestimmt haben. Ein neuer Konsens wäre erstmal kaum vorstellbar.
taz: Merkel hat vor einem Jahr mit Blick auf Trump gesagt, die Europäer
müssten ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Tut sie genug dafür?
Die Kanzlerin denkt immer noch, sie könne Trump beschwichtigen und
aussitzen. Nach dem Motto: Irgendwann ist er ja wieder weg. Diese Strategie
ist gescheitert. Merkel traut sich nicht, einen härteren Kurs zu fahren.
Ein Beispiel: Trumps Steuerreform war ein Milliardengeschenk für Reiche.
Eine passende Antwort wäre gewesen, digitale Wertschöpfung in Deutschland
und Europa stärker zu besteuern – Stichwort Facebook. Aber die
Bundesregierung hat dazu einfach geschwiegen. Damit Merkel glaubwürdig
verhandeln kann, müsste sie sich außerdem um eine einige, starke EU
bemühen. Dafür müsste sie ihre Austeritätspolitik beenden und in eine
Stärkung Europas investieren. Auch das passiert nicht.
27 Apr 2018
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Iran
Atomabkommen
Jürgen Trittin
Donald Trump
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Strafzölle
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Strafzölle
Schwerpunkt Emmanuel Macron
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte EU und Nationalismus: Tod der Nation, es lebe Europa
Frieden in Europa kann es nur geben, wenn die Nationen ihre Souveränität
aufgeben. Das ist auch das Ziel der EU – nur haben wir es vergessen.
Kommentar Ein Jahr Emmanuel Macron: Die Zustimmung bröckelt
Seit einem Jahr, seit seiner Wahl zum Präsidenten, missachtet Macron die
Bindeglieder zwischen Staat und Gesellschaft. Das wird er bereuen.
Transatlantische Handelsbeziehungen: Schonfrist verlängert
Noch einmal ein Monat: Trump verschont die EU-Länder, Mexiko und Kanada
beim Thema Strafzölle. Die USA wollen so auf die Einwilligung zu
Obergrenzen drängen.
Kolumne Liebeserklärung: Die Männerfreundschaft
Ein ungutes Gefühl überkommt uns, wenn Trump und Macron sich herzen. Dabei
sollte uns ein wenig Restwärme beruhigen.
Kommentar Macron und Merkel in USA: Bundesregierung handelt falsch
Noch hat Merkel Donald Trump nicht getroffen, doch die Stimmung ist
schlecht. Dabei gäbe es eine Strategie gegen den Unberechenbaren.
Die Kanzlerin bei Donald Trump: Erst Liebe, dann Merkel
Anders als Emmanuel Macron erwartet Angela Merkel ein eher kühler Besuch in
Washington. Auch politisch darf sie nicht viel erwarten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.