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# taz.de -- Debatte Migrationspolitik der Linkspartei: Ordnung statt Gerechtigk…
> Funktionäre der Linkspartei fordern eine Abkehr vom Bekenntnis zu offenen
> Grenzen. Das ist einer linken Partei unwürdig.
Bild: Grenzen, wie hier zwischen den USA und Mexiko, regeln nicht einfach indiv…
Ein 19-köpfige Gruppe, bestehend aus Abgeordneten und Funktionär*innen der
Linkspartei, hat sich mit einem „[1][Thesenpapier linke
Einwanderungspolitik]“ im migrationspolitischen Konflikt innerhalb der
Partei zu Wort gemeldet. Die Zusammensetzung der Gruppe suggeriert
innerparteiliche Breite und soll offensichtlich eine mögliche
programmatische Lösung des [2][seit Monaten öffentlich ausgetragenen
Konflikts] in Aussicht stellen.
Die Botschaften des Papiers sind eindeutig: Die Partei soll ihr bisheriges,
in Partei- und Wahlprogrammen verankertes Bekenntnis zu „offenen Grenzen“
räumen und stattdessen Vorschläge für eine staatliche „Regulierung“ mach…
[3][Auf knappen acht Seiten (PDF)] entfalten die Autor*innen ihre in die
Partei gerichtete Erzählung: Asyl und Einwanderung seien politisch
voneinander zu trennen und ein globales Recht auf Einwanderung weder
juristisch gegeben noch pragmatisch machbar.
Trotz einiger (nicht besonders origineller) Vorschläge einer solchen
Regulierung zielt die Initiative jedoch in erster Linie darauf ab, die
Linke im allgegenwärtigen Rechtsruck des politischen Diskurses
anschlussfähig zu halten. Diese Operation wird damit begründet, dass man
ein von Stammtisch bis zum Heimatministerium gängiges Argument
plausibilisiert: die Behauptung, dass es einen alternativlosen politischen
Realismus gibt. Dieser Realismus besagt, dass „unbegrenzte Migration“ und
„globale Bewegungsfreiheit“ notwendig begrenzt werden müssen. So schreiben
die Autor*innen: „Schon rein logisch gibt es nur drei Möglichkeiten in
Bezug auf Einwanderung: unregulierte, regulierte oder gar keine. Unserer
Auffassung nach ist nur die zweite Position, also eine Regulierung,
vertretbar.“ Alles andere ist dann wahlweise „utopisch“ oder „weltfremd…
besser noch, birgt sogar die Gefahr einer „Destabilisierung der
Gesellschaft und einer Schwächung der Kampfbedingungen der
ArbeiterInnenklasse durch Migration“. Es können nicht alle kommen, sonst
bricht Chaos aus und die Ordnung ist in Gefahr.
Der scheinbare Realismus, den die Verfasser*innen beschwören, ist in
Wahrheit jedoch nichts weiter als eine Leugnung der politischen Dimension
der Migration – und damit einer linken Partei unwürdig. Jenseits der
humanitären Logik des Asylrechts und der Logik nationaler Umverteilung
beginnt nämlich die eigentliche Aufgabe „linker Migrationspolitik“, die
sich mit der Frage nach der Möglichkeit „offener Grenzen“ verbindet. Es
geht dabei um ein Verständnis davon, was in den gegenwärtigen
Migrationsbewegungen und den sozialen Kämpfen an der Grenze politisch zum
Ausdruck kommt. Die eigentliche Frage lautet daher nicht: Sind offene
Grenzen utopisch? Die Frage lautet: Welche politischen Konsequenzen hat es,
wenn die durch Grenzen abgesicherte globale Ungerechtigkeit der
Lebensbedingungen und Lebenschancen brüchig wird – und wie verhält sich
linke Politik zu den Prozessen, die dadurch in Gang gesetzt werden?
## Grenzen sichern soziale Konflikte ab
Die Stärke der Migrationsbewegungen, die sich symbolisch im Sommer 2015
verdichtete, und die weiterhin kaum zu brechende transnationale Solidarität
rütteln an der staatlich verfassten, globalen Ordnung der Exklusion. Dieser
Angriff ist nicht „weltfremd“ und „utopisch“, sondern im Gegenteil das …
der politischen Qualität gegenwärtiger Migrationsbewegungen. Es ist dabei
die Natur eines Angriffs auf eine etablierte Ordnung, dass sich dieser
nicht im Rahmen eben dieser Ordnung auflösen lässt – das sollte zumindest
eine linke Partei eigentlich verstehen können. Linke Migrationspolitik kann
es insofern überhaupt nur geben, wenn sie eine Politik ist, die die
Perspektive der Kämpfe einnimmt – und nicht die Perspektive der Ordnung.
Wer die Gesellschaft verändern will, muss sich daher zum Recht der Menschen
bekennen, die Ordnung in Frage zu stellen und Konflikte zu eröffnen. Den 19
linken Politiker*innen geht es aber nicht um all das. Ihre Perspektive ist
nicht die der Kämpfe und der Ausgeschlossenen, sondern die der
Gewährleistung der Ordnung. Mehr noch: Es geht ihnen letztlich und
entschieden darum, das Recht des Staates auf Migrationssteuerung zu
behaupten – und zwar gegen die Migrant*innen und gegen die
No-Border-Bewegung.
In einer Situation, in der die globalen Migrationsbewegungen es zeitweise
geschafft haben, die durch Grenzen und Nationalstaaten abgesicherte Ordnung
globaler Ungleichheit massiv herauszufordern, soll die Linke Partei
ergreifen: auf der Seite der Ordnung. Linke Politik ist in ihren Augen
nicht eine Sache von Bewegungen und Kämpfen auf einem widersprüchlichen und
transnationalen Terrain, sondern ein ordnungspolitisches Programm guter
Regierungskunst im ausschließlichen Horizont des Nationalstaats. Alles soll
bleiben, wie es ist – mit etwas Umverteilung, Regulierung und sozialer
Sicherheit.
Genau das Gegenteil ist das Ziel einer „Position offener Grenzen“ und der
Sinn eines programmatischen Bekenntnisses zu ihnen: Sie ist keine
ordnungspolitische Position, sondern zielt auf eine Politik der Kämpfe. Sie
behauptet nicht, dass offene Grenzen hier und heute harmonische Zustände
herstellen würden. Sie behauptet, dass Grenzen ein zentrales Instrument der
Herrschaft über die globale Ungleichheit sind. Grenzen und staatliche
Migrationssteuerung regeln nicht einfach individuelle Migration, sondern
sichern soziale Konflikte ab. Fallen die Grenzen, wird die [4][Architektur
des globalen Kapitalismus] zu einem politischen Problem statt zur
Angelegenheit militärischer und polizeilicher Grenzsicherung.
Wir haben das im Sommer 2015 erlebt und die Solidarität von
Hunderttausenden könnte es der Linken ermöglichen zu sehen, dass die
politische Qualität der Migrationsbewegungen auch hier Anstöße geben konnte
für neue Formen der Solidarität, der Lebensweise und der sozialen
Beziehungen. Und damit für eine linke Idee, die weit über den engen Rahmen
nationalstaatlichen Handelns hinausgeht.
9 May 2018
## LINKS
[1] /Linkspartei-Thesen-gegen-offene-Grenzen/!5501604
[2] /Machtkampf-bei-der-Linkspartei/!5492147
[3] https://www.fabio-de-masi.de/kontext/controllers/document.php/305.1/8/8f260…
[4] /Debatte-Autoritaerer-Nationalismus/!5494464
## AUTOREN
Mario Neumann
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