| # taz.de -- Ausstellung zu Gender und Militär: Männlicher Krieg, weiblicher F… | |
| > Das Militärhistorische Museum Dresden steckt in der Krise. Die große | |
| > Sonderausstellung zu „Gewalt und Geschlecht“ täuscht darüber hinweg. | |
| Bild: „First Spaceship on Venus“: Eine Arbeit der Künstlerin Sylvie Fleury… | |
| Weil plötzlich wieder alles „wie früher“ ist, fällt auf, dass am | |
| Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden mehr als zwei Jahre | |
| lang nichts Besonderes los war. Rund 20 Sonderausstellungen zuvor in sechs | |
| Jahren! Links vom Haupteingang, wo einst ein bunt bestrickter | |
| Leopard-Panzer stand, empfängt den Besucher nun eine raketenförmige | |
| Skulptur „Crazy Daisy“ aus weiblichen Schaufensterpuppen. | |
| Das Gegenstück steht auf jener Freifläche, von der die Großschießgeräte f�… | |
| ein halbes Jahr Ausstellungsdauer verbannt worden sind. Der Norweger Morten | |
| Traavik hat eine Boden-Boden-Rakete mit einem Riesenkondom überzogen. | |
| Weitere Kunstobjekte fordern das Auge, bevor man das Haus betreten hat. An | |
| den Simsen entdeckt man geschlechtslose silberne Humanwesen, | |
| korrespondierend mit dem metallischen Riesenkeil, den Stararchitekt Daniel | |
| Libeskind zur Wiedereröffnung des Hauses 2011 durch das historische Gebäude | |
| getrieben hat. | |
| Da ist sie wieder, diese einzigartige Kombination von Kunst, | |
| Militärgeschichte und Volkspädagogik, mit der sich das frühere | |
| Armeemuseum der DDR nach dem Umbau von einer Militaria-Schau für | |
| Waffennarren abhob. Auf den 2.000 Quadratmetern der [1][Sonderausstellung | |
| „Gewalt und Geschlecht“] herrscht diese Balance, wie sie für den bis zum | |
| vorigen Sommer amtierenden wissenschaftlichen Leiter Gorch Pieken typisch | |
| ist. | |
| Als Kurator der Sonderausstellung zur unterschiedlichen Militanz von Mann | |
| und Frau ist er noch einmal nach Dresden zurückgekehrt. Dieser sein bislang | |
| größter Wurf weitet sich zu einer Gesamtschau auf das | |
| Geschlechterverhältnis unter den Aspekten von Stärke, Macht und Kampf. | |
| Wie nie zuvor hat Pieken aber auch um diese Ausstellung kämpfen müssen. | |
| Eröffnet werden sollte sie schon vor einem halben Jahr. „Es gab Objekte, | |
| die kontrovers mit der Leitung des Hauses diskutiert wurden“, bestätigt er. | |
| Die Verschiebung lag also nicht nur an den immensen Ausstellungskosten von | |
| rund 3 Millionen Euro, etwas mehr als das Jahresbudget des Museums. Allein | |
| 600.000 Euro kosteten die Kunsttransporte, denn die Sonderausstellung | |
| verblüfft mit zahlreichen Originalleihgaben. | |
| ## Keine statische Waffenschau | |
| Über mangelnde Rückendeckung musste Gorch Pieken früher nicht klagen. | |
| Oberst Matthias Rogg als Leiter stand stets hinter seinen Plänen und ihrer | |
| aufgeklärt-zivilgesellschaftlichen Orientierung. Im Vorwort zum 648 Seiten | |
| umfassenden Ausstellungskatalog spricht Pieken ausdrücklich von einem | |
| „Friedensmuseum“. Rogg wurde im März 2017 an die Führungsakademie der | |
| Bundeswehr in Hamburg versetzt. Spekulationen, damit könne eine Abkehr vom | |
| allzu liberalen Kurs des europaweit renommierten Museums verbunden sein, | |
| wurde damals energisch entgegengetreten. Doch mit der Versetzung auch von | |
| Gorch Pieken an das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften | |
| der Bundeswehr in Potsdam schien sich genau dieser Verdacht zu bestätigen. | |
| Schlüsselfigur ist der Leiter dieses Potsdamer Zentrums, Kapitän zur See | |
| Jörg Hillmann. Er ist zugleich Vorgesetzter des seit 2017 amtierenden | |
| Dresdner Museumsleiters Armin Wagner. Hillmann versicherte nun | |
| ausdrücklich, dass man langfristig an Struktur und Konzept des | |
| Militärhistorischen Museums festhalten wolle. „Wir werden es nicht | |
| zurückverwandeln in eine statische Waffenschau“, betonte er die Modernität | |
| und Dynamik des Hauses. Hillmann bestätigte auch die Absicht, einen zivilen | |
| Leiter des Dresdner Museums zu bestellen, eine museologische Fachkraft. | |
| So hatte es auch der zehnköpfige Museumsbeirat empfohlen. Gorch Pieken wird | |
| jetzt für zwei Jahre an das neue Berliner Humboldtforum ausgeliehen, | |
| schloss aber nicht aus, in Dresden erneut als Kurator tätig zu werden. Von | |
| schönster Eintracht in der Bundeswehr zeugen die Vorgänge aber nicht. Aus | |
| internen Quellen des Leyen-Ministeriums ist zu erfahren, wie groß die | |
| Vorbehalte gegenüber dem liberalen Dresdner Stil dort sind. | |
| ## In der Krise muss man klotzen | |
| In der Krise muss man klotzen, scheint indessen das Motto dieser bislang | |
| opulentesten Ausstellung zu sein. Der Preis für Umfang und Intensität ist | |
| eine gewisse Unübersichtlichkeit der drei nicht zusammenhängenden Räume. | |
| Das Konzept ist aber logisch gegliedert und lässt kaum einen Aspekt der | |
| unerschöpflichen Mann-Frau-Beziehungen aus. Der Prolog schafft erst einmal | |
| Distanz zwischen den Geschlechtern, bedient Klischees und Vorurteile, zeigt | |
| die männliche Dominanz und die häufige Opferrolle von Frauen in | |
| Machtkämpfen und Kriegen. Kunstgeschichtlich kann man hier unbekannte | |
| Malerinnen entdecken, die handwerklich brillant Heldenporträts und | |
| Kampfszenen geschaffen haben. | |
| Die Relativierung erfolgt in der Abteilung zwei. Neben der Männerherrschaft | |
| ermächtigten sich auch Frauen selbst, nutzten Lücken in Dynastien, wurden | |
| zu Anführerinnen oder Terroristinnen. Ein eigenes Kapitel widmet sich der | |
| Frauenrolle in der Nazizeit. Nahe an der Gender-Debatte heute und an der | |
| Psychologie bewegen sich die brisanten Kapitel vier bis sechs. Weibliche | |
| Schönheit kann ebenso Machtwirkung entfalten wie männliche Stärke. Das | |
| Rollendenken hält sich hartnäckig. Ein reichliches Drittel männlicher | |
| Bundeswehrangehöriger verbindet deren Öffnung für Frauen 2001 mit dem | |
| Verlust an Kampfkraft. | |
| Die anhaltende Geschlechterteilung symbolisieren technisch aufwändige | |
| Theatervorhänge, die durch die Räume laufen. Für weniger Spaltung als | |
| erwartet sorgte die milde Eröffnungsrede der umstrittenen Publizistin Cora | |
| Stephan. Auch den Großzügigsten beiderlei Geschlechts kann man jedenfalls | |
| die Selbstüberprüfung anhand der 850 Exponate nur empfehlen. | |
| 29 Apr 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.mhmbw.de/sonderausstellungen/gug | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Bartsch | |
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