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# taz.de -- World Press Photo Award: Ein Preis mit Aufregerpotenzial
> Kein Fotojournalismus-Preis ist renommierter, keiner kontroverser. Dabei
> fing alles ganz einfach an. Der World Press Photo Award und seine
> Geschichte.
Bild: Ronaldo Schemidts Gewinnerbild ist – wie viele andere – durchaus umst…
Es sind Bilder, die die Welt bewegen. Ihr Leid erzählen. Ihre Krisen, in
manchen Fällen aber auch ihre Hoffnungen. Am Donnerstagabend wurden in
Amsterdam die Gewinner des diesjährigen [1][World Press Photo Award]
bekannt gegeben. Den ersten Preis in der Hauptkategorie World Press Photo
des Jahres gewann der für die französische Presseagentur AFP arbeitende, in
Mexiko lebende Fotograf Ronaldo Schemidt.
Sein Bild zeigt den 28-jährigen Venezolaner José Víctor Salazar Balza, der
bei Protesten gegen Präsident Nicolás Maduro in Caracas im Mai 2017 von
Flammen erfasst wurde, nachdem ein Tank eines Motorrads in unmittelbarer
Nähe explodiert war. Der Mann trägt eine Gasmaske und rennt, während sein
Körper in Flammen aufgeht. Er hat überlebt – mit schwersten Verbrennungen.
Jury-Mitglied Whitney C. Johnson begründete die Wahl mit den Worten: „Er
[José Víctor Salazar Balza] repräsentiert nicht nur sich selbst und sich
selbst brennend, sondern auch die Idee von einem brennenden Venezuela.“
Fotograf Schemidt ist selbst Venezolaner, allerdings verließ er seine
Heimat vor 18 Jahren. Dennoch wisse er genau, „was Venezuela derzeit
durchmacht“, sagte er bei der Preisverleihung. Die Aufnahme habe er nicht
geplant: „Ich fühlte die Explosion hinter mir und ich spürte die Hitze und
in diesem Moment habe ich mich umgedreht und schon fotografiert, ohne zu
sehen, was vor sich ging.“
Insgesamt wurden 42 Fotografen in acht Kategorien prämiert, auch zwei
Deutsche sind darunter, Jesco Denzel mit einem Bild aus dem nigerianischen
Lagos und Thomas P. Peschak, der gleich drei Auszeichnungen in den
Kategorien Umwelt und Natur erhielt. Nur sehr wenige Frauen wurden
ausgezeichnet.
Eingereicht wurden mehr als 73.000 Fotos. Das sind viele verglichen mit den
gut 300 Bildern, die ins Rennen gingen, als der Preis das erste Mal
ausgelobt wurde. Das war 1955. Eine Gruppe niederländischer
Fotojournalisten beschloss, einen nationalen Fotowettbewerb, die „Silberne
Kamer“, für Kollegen aus anderen Ländern zu öffnen, um sich zu vernetzen
und eine größere Reichweite für ihre Arbeit zu erzielen. Eigentlich sollte
es ein einmaliges Event werden.
## Ein Bild, das die Weltgeschichte beeinflusste
Mittlerweile findet der Wettbewerb jährlich statt und gilt als der
prestigeträchtigste Preis für Fotojournalisten. Sein Anspruch ist es,
Weltgeschichte festzuhalten. Von einem Bild wird sogar behauptet,
Geschichte nicht nur abgebildet, sondern vielleicht sogar ein Stück weit
mit beinflusst zu haben: Nick Úts Schwarz-Weiß-Aufnahme aus dem Jahr 1972
zeigt Kinder – darunter ein nacktes Mädchen –, die nach einer
Napalm-Attacke schreiend wegrennen. Dem Bild wird nachgesagt, heftigen
Widerstand gegen den Vietnamkrieg bei großen Teilen der US-Bevölkerung
erzeugt und damit das Kriegsende beschleunigt zu haben.
Die Jury wird jedes Jahr neu bestimmt. Die Mitglieder kommen aus
verschiedenen Ländern und haben unterschiedliche Hintergründe; sie kommen
aus Industrie- sowie aus sogenannten Entwicklungsländern und sind
unterschiedlichen Glaubens. Die Rede ist manchmal von den „Vereinten
Nationen im Miniaturformat“. Zur Zeit des Kalten Krieges achteten die
Organisatoren auf eine ausgewogene Mischung von Repräsentanten aus dem
Westen und den Sowjetrepubliken.
Neutralität ist das oberste Gebot der Jury. 2011 wurde der israelische
Fotograf Amit Sha'al mit einem dritten Preis ausgezeichnet. Der Libanon
zeigte kurze Zeit später eine Ausstellung der prämierten Bilder. Es ist
Usus, dass die Bilder jedes Jahr nach ihrer Auszeichnung auf eine
Wanderausstellung in über vierzig Länder weltweit gehen.
Während die Ausstellung bereits lief, baten die libanesischen Kuratoren die
Verantwortlichen des World Press Photo Award, das Bild des israelischen
Fotografen herausnehmen zu dürfen, schließlich befänden sich die beiden
Länder in einem kriegsartigen Zustand. Das Komitee weigerte sich und
schloss daraufhin vorzeitig die gesamte Ausstellung.
## Mit Photoshop manipuliert?
Kontroversen um den Preis gibt es immer wieder. 2013 geriet der schwedische
Fotograf Paul Hansen in die Kritik. Den ersten Preis gewann er mit einem
Bild, das das Begräbnis eines zwei- und eines vierjährigen Jungen, beides
Brüder, im Gaza-Streifen zeigt. Die beiden Kinder waren, so wie auch ihr
Vater, bei einem israelischen Luftangriff getötet wurden.
Doch diesmal war der Streit nicht inhaltlicher Art: Mehrere Experten
behaupteten im Nachhinein, Hansen habe das Bild mit Photoshop manipuliert –
ein Ausschlusskriterium für die Jury. Das Foto wurde daraufhin aufwendig
untersucht. Der Verdacht bestätigte sich nicht, Hansen durfte seinen Preis
behalten, doch sein Image dürfte nachhaltig beschädigt worden sein.
Zwanzig Prozent der diesjährigen Einreichungen seien wegen Manipulationen
mit Photoshop oder anderen Bildbearbeitungsprogrammen abgelehnt worden,
heißt es von seiten der Organisatoren. Weil es sich um ein so häufiges
Phänomen handelt, sind die Organisatoren dazu übergegangen, die Bilder
schon zwei Monate vor ihrer Auszeichnung zu veröffentlichen, in der
Hoffnung, dass sich dadurch die Chance erhöht, Betrug zu entlarven. Denn
ein breites Publikum sieht mehr als wenige Experten.
Auch 2017 gab es heftige Diskussionen um die Wahl der Jury, die den
türkischen Fotografen Burhan Ozbilici ausgezeichnet hatte, der zufällig bei
der Ermordung des russischen Botschafters in Ankara zugegen war und den
Täter mit der Waffe in der Hand neben dem Opfer abgebildet hatte. Die Wahl
stieß international auf heftige Kritik. Sogar der Jury-Präsident, Stuart
Franklin, distanzierte sich von der Entscheidung. Er [2][schrieb im
Guardian], man verbreite dadurch die Botschaft des Terroristen und stifte
womöglich Menschen zu ähnlichen Taten an.
Auch mit der diesjährigen Wahl sind nicht alle glücklich, zeigt sie doch in
fast allen Kategorien Leid, Gewalt, Blutrünstigkeit und Elend. Jurymitglied
Thomas Borberg kritisierte im Vorfeld, wir hielten unseren eigenen
Untergang regelmäßig mit der Kamera fest, anstatt mit Bildern
dagegenzuwirken. Auf jeden Fall ist dem World Press Photo Award zu
verdanken, dass er derart wichtige Debatten anfacht – Skandale hin oder
her.
13 Apr 2018
## LINKS
[1] https://www.worldpressphoto.org/
[2] https://www.theguardian.com/commentisfree/2017/feb/13/world-press-photo-yea…
## AUTOREN
Lea Wagner
## TAGS
Fotografie
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