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# taz.de -- Neues Album von Chris Cacavas: US-Indierock aus Langensteinbach
> Wie es den Wüstensohn Chris Cacavas in die süddeutsche Provinz verschlug
> und warum er dort gelegentlich Waschmaschinen installiert.
Bild: Im Juni wird Cacavas das Dream Syndicate wieder auf Tournee durch Italien…
Es gibt Menschen, die schon beim Betreten die Atmosphäre eines Raumes
verändern. Der US-Künstler Chris Cacavas gehört in diese Kategorie. Betritt
er eine Bühne, spüren die Anwesenden, dass es sich bei ihm um eine
Künstlerpersönlichkeit mit viel Charisma handelt. Seine Bühnenpräsenz ist
enorm, seine Herzlichkeit ansteckend und sein Witz charmant.
Ursprünglich kommt der 56-jährige Musiker aus Tucson, Arizona, aber seit
Längerem lebt er in Karlsbad-Langensteinbach – einem unscheinbaren Ort nahe
Karlsruhe. Was hat den Wüstenrocker in die süddeutsche Provinz verschlagen?
Die Liebe natürlich.
Zunächst wohnte Cacavas mit seiner Frau (die aus dem Schwarzwald kommt) in
Los Angeles, doch als der gemeinsame Sohn geboren wurde, zog die
Kleinfamilie vor knapp 20 Jahren nach Deutschland. „Ich hatte mir den Start
etwas leichter vorgestellt“, gesteht Cacavas. „Meine Hoffnung war, in
Deutschland von meiner Musik leben zu können. Das sieht in der Realität
leider ein bisschen anders aus.“
Indierock-Fans wissen, dass Chris Cacavas – sein Markenzeichen ist eine
bebende Hammond-Orgel – Gründungsmitglied der tollen Band Green On Red ist.
Dort war er mit seinem an Ray Manzarek erinnernden flirrenden Orgelsound ab
1980 neben Dan Stuart und (später) Chuck Prophet stilprägend für die ersten
GOR-Alben wie „Gravity Talks“, „Gas Food Lodging“ und „The Killer Ins…
Me“. Mit ihrer Musik – angesiedelt zwischen Punk und Psychedelic-Rock,
zwischen Country und den Doors – waren sie fester Bestandteil des
sogenannten Paisley Underground, einer Szene, der damals viele wegweisende
Bands in Los Angeles angehörten.
## Ihre Bekanntschaft stand zunächst auf wackligen Füßen
Auch die Kollegen der kalifornischen Band The Dream Syndicate und Howe Gelb
von Giant Sand engagieren ihn regelmäßig für Gastauftritte – ob im Studio
oder bei Tourneen. Zuletzt war Cacavas nicht unwesentlich an der Entstehung
des Dream-Syndicate-Comeback-Albums „How Did I Find Myself Here?“
beteiligt.
Green On Red, Dream Syndicate – das sind in der Tat klingende Namen, aber
Chris Cacavas lässt völlig egalitär seine musikalischen Talente nun auch
den Upstarts aus der Provinz zugute kommen. So entstand eine Freundschaft
mit der Karlsruher Band No Sugar, No Cream (NSNC) um Pete J. Funk und
Andreas „AJ“ Jüttner. Obgleich die Bekanntschaft zunächst etwas auf
wackligen Füßen stand: „Ich habe ein Konzert gegeben und danach sprach mich
ein junger Mann an.
Er war schüchtern, stellte sich als Fan von mir vor und fragte, ob ich sein
Album produzieren wolle. Als ich spontan zugesagt habe, wurde er kreideweiß
und rannte davon. Das war schon seltsam, aber sein Kumpel blieb stehen, und
so habe ich Funk und Co doch noch kennengelernt und spiele seither immer
gerne mit ihnen.“
Kürzlich veröffentlichte die Band ihr fabelhaftes Album „A Bigger Picture�…
Natürlich unter Mitwirkung von Chris Cacavas. Er beschreibt die Musik so:
„Grundsätzlich ist es US-inspirierter Rocksound, sogenannte Americana. Ihr
Stil ist von Künstlern wie Neil Young inspiriert. Aber bei NSNC kommt das
immer ganz anders raus. Ich wundere mich, weil Pete und die anderen
Bandmitglieder Musik nur als Hobby betreiben, aber NSNC können viel mehr.
## In Italien waren alle Konzerte ausverkauft
Pete komponiert großartige Melodien und schreibt tolle Songtexte, er singt
sie mit einer wunderbaren Stimme. Wie er von der Strophe in den Refrain
rüberkommt, begeistert mich stets: Wie hat er das nur gemacht? Zunächst
wirken die Songs ziemlich straight, aber in den Arrangements steckt
unendlich Raffinesse.“
Wenn Cacavas ins Schwärmen gerät, reißt er seine ZuhörerInnen mit, vor
allem wenn er von seiner großen Zeit Ende der Achtziger bis Mitte der
Neunziger erzählt: „Ich dachte, ich hätte alles erreicht, als ich mit Green
On Red und Dream Syndicate auf Tour quer um die Welt unterwegs war … da
fühlte ich mich wie ein Rockstar – das war verdammt schön. Dieses Feeling
stellte sich letztes Jahr wieder ein, als ich mit Dream Syndicate auf Tour
ging.“
In Italien waren alle Konzerte ausverkauft, in Mailand spielten Dream
Syndicate in einem riesigen Zelt. „Ich konnte es kaum glauben, aber da
waren alle diese Menschen und bejubelten uns.“ Im Juni wird Cacavas das
Dream Syndicate wieder auf Tournee durch Italien begleiten. „Da spielen wir
auf Festivals zusammen mit Patti Smith und Van Morrison. Ich bin inzwischen
so etwas wie der fünfte Beatle von Dream Syndicate“.
Als sein eigenes Idol nennt „der fünfte Beatle“ mit der aristokratischen
Erscheinung Mark Linkous von der US-Band Sparklehorse: „Ich bin ziemlich
stolz, dass ich auf einem Album von ihm mitwirken durfte. Ich glaube, es
gab zu jener Zeit eine Keyboard-Hotline, immer wenn jemand einen
Tastenspieler brauchte, riefen sie mich an.“ In der Tat war Cacavas Ende
der 80er bis Mitte der 90er einer der meistgebuchten Studiomusiker für
unzählige „Wüstenrock“-Sessions zwischen Tucson und Los Angeles. Und mit
wem würde er sonst mal gerne zusammenarbeiten? „Mit Brian Eno!“ Oder mit
einem seiner anderen Idole: Alice Cooper! Eine schöne Idee.
Leider hat es für Chris in Deutschland bisher nicht geklappt, sich allein
durch seine Musik über Wasser zu halten. Deshalb unterstützt er
gelegentlich seinen Schwager, der ein Elektrogeschäft führt. Sollte also
jemand aus Karlsruhe und Umgebung eine Waschmaschine kaufen, könnte es ihm
durchaus passieren, dass Chris Cacavas, der US-Rockstar, das gute Stück
persönlich vorbeibringt und installiert.
9 Apr 2018
## AUTOREN
Corinna Stegemann
## TAGS
Indie
Indierock
Band
Kalifornien
Rock'n'Roll
Soul
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Festival
Musikgeschäft Berlin
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