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# taz.de -- Kampf um die Konzertbühnen: Der Trend geht zum Club
> Konzertveranstalter suchen vermehrt festen Zugriff auf Konzertbühnen:
> Konkurrenz und Konzentrierung im Berliner Livegeschäft.
Bild: Die Musiker im Licht, die Konzertveranstalter und deren Strategien sieht …
Das Quasimodo ist ein altehrwürdiger Club in Charlottenburg, bekannt für
gepflegten Jazz und Popmusik der eher nicht so wilden Sorte. Das wird sich
langsam ändern, denn im März dieses Jahres begann die „exklusive
Booking-Kooperation“, die das Quasimodo mit Trinity Music vereinbart hat,
einem Konzertveranstalter, der sich in Berlin vor allem einen Namen im
Segment Indierock gemacht hat. „Wir haben den Laden renoviert und neu
gestylt“, erklärt Thomas Spindler, Inhaber von Trinity Music, die in
Zukunft für einen großen Teil des Programms im Quasimodo verantwortlich
sein wird.
Typisches Quasimodo-Programm wird es also in Zukunft in dem Club genauso
geben wie den Rock von Trinity. Profitieren sollen von der neuen
Partnerschaft, so Spindler, beide Seiten. Das Quasimodo bekommt sein etwas
angestaubtes Image aufgefrischt und Trinity einen Ort, den der
Konzertveranstalter einfach kalkulierbar in die eigene Planung einbeziehen
kann.
Eigentlich wollte Spindler auch den insolvent gegangenen Treptower Club
White Trash übernehmen. Gemeinsam mit dem Radiosender Flux FM und dem
White-Trash-Betreiber Walter Potts bemühte man sich um den Ort, der dann
jedoch im Insolvenzverfahren an die Macher des Festsaals Kreuzberg ging,
der nun seit Januar in Treptow beheimatet ist. „Es geht darum, sich
unabhängig zu machen“, erklärt Spindler und spricht von einem „Kampf um d…
Räume“ im boomenden Konzertgeschäft in Berlin.
## Live groß im Geschäft
Circa eine Milliarde Euro erwirtschaftet die gesamte Berliner
Musikindustrie inzwischen jährlich, so Lutz Leichsenring, Sprecher der
Berliner Clubcommission. Aktuelle Zahlen, wie viel davon genau auf den
Livesektor entfällt, gebe es nicht. Aber Fakt ist, dass in keinem Sektor
der deutschen Musikwirtschaft insgesamt mehr umgesetzt wird als im Konzert-
und Clubgeschäft.
Der bundesweit größte Konzertmarkt ist klar Berlin mit seinen geschätzt 400
Veranstaltungsorten. Allein Trinity mit seinen etwa 50 Mitarbeitern
veranstaltet im Jahr um die 600 Konzerte in Berlin, ungefähr zwei Drittel
davon, so Martin Rabitz von Trinity, seien „Clubkonzerte in der
Größenordnung 350 bis 1.500 Besucher“, ein Drittel seien noch größere
Liveevents. Dazu kommen viele größere und kleinere Veranstalter, die
andauernd auf der Suche nach passenden Orten für die Auftritte ihrer
Musiker sind. Da liegt die Strategie nah, sich als Konzertveranstalter an
Clubs zu beteiligen.
Auch in Huxley’s Neuer Welt und im Columbia Theater steckt Spindler von
Trinity bereits mit drin. Den einen Laden betreibt er, im anderen fungiert
er als Gesellschafter, und er sagt, er sei gerade an „zwei bis drei
weiteren Läden in Berlin“ dran für weitere Beteiligungen seiner Agentur.
Nach der Wiedervereinigung gab es in Berlin diesen „Kampf um die Räume“,
von dem Spindler spricht, noch nicht. Kleine Konzertveranstalter wie Ran
Huber fanden vor allem im Ostteil der Stadt immer wieder neue Orte, an
denen sie ihre Bands auftreten lassen konnten. Das war in dieser Nische
mehr von Leidenschaft denn von Geschäftssinn getragen.
Diese Zeiten sind vorbei, glaubt Sebastian Hoffmann, der als Teil des
Fourtrack-on-Stage-Kollektivs hauptsächlich kleine Indiefolkkonzerte im
Schokoladen in Mitte organisiert. „Die Konzertlandschaft in Berlin hat sich
im Vergleich zu damals schon kommerzialisiert“, sagt er.
Man kann auch sagen: professionalisiert. Läden, in denen beispielsweise
kein Vorverkauf für Konzerttickets stattfinde, wie das im Schokoladen oder
im West Germany immer noch der Fall ist, gebe es kaum noch in Berlin, so
Hoffmann.
## Indiespirit in der Stadt
Noch scheint das Miteinander von Clubs und Konzertveranstaltern gut zu
funktionieren in Berlin. Norbert Jackschenties, der Betreiber des
Privatclubs im Kreuzberg, meint: „Ich habe zwar nur einen kleinen Club, es
läuft aber trotzdem ganz gut.“ Genauere Umsatzzahlen möchte er freilich
nicht nennen.
Sein Erfolgskonzept klingt simpel: „Wichtig ist, dass man es gut macht. Und
mit Liebe.“ Dann würden die Berliner Bookingagenturen immer wieder auf
einen zurückkommen. Außerdem profitiere jemand wie er davon, dass es im
Livegeschäft in der Größenordnung, in der er sich bewegt, immer noch so
etwas wie einen Indiespirit gebe in der Stadt.
Manche Bands könnten bereits in größeren Hallen auftreten, würden jedoch
immer noch dem Privatclub die Treue halten. „Nicht nur die Veranstalter
entscheiden, wo ihre Musiker auftreten, sondern auch die Musiker selbst“,
sagt Jackschenties.
Auch Andreas Oberschelp von der kleinen Kreuzberger Konzertagentur Puschen
sagt, er merke von einer zunehmenden Konkurrenz und gleichzeitiger
Konzentrierung im Berliner Livegeschäft noch wenig. Meint aber auch: „Ich
habe schon das Gefühl, dass ich den Druck, der im Berliner Livegeschäft
durchaus zunimmt, bald spüren werde.“ Anfang der nuller Jahre hat
Oberschelp damit begonnen, unbekannte Kleinstbands für Auftritte in Berlin
zu buchen. Die Gagen waren gering, das Risiko damit auch. So mancher
Musiker pennte zur Kostenersparnis auf seiner privaten Couch, so
Oberschelp. Damit kam er einigermaßen über die Runden. Inzwischen läuft
sein Business richtig gut, es habe sich, so drückt er das aus,
„konsolidiert“.
Bei neuen, coolen Bands, meistens aus den USA, greift Oberschelp schon zu,
noch bevor größere Agenturen von diesen überhaupt gehört haben. Das
Publikum in Berlin scheint jedoch offen genug, Konzerte junger Hipsterbands
zu besuchen, auch wenn deren Namen noch nicht in der Spex aufgetaucht sind.
Immerhin besteht Puschen inzwischen schon aus einem dreiköpfigen Team.
Bleibt die Frage, wann der Druck auf die Kleinen im Berliner
Konzertgeschäft kommt, von dem Andreas Oberschelp spricht, wenn die
Größeren im Business weiter den Berliner Konzertmarkt nach ihren Interessen
umgestalten.
Dass inzwischen mit härteren Bandagen gekämpft wird im Livegeschäft, das
hat nicht zuletzt das öffentlich ausgetragene Gezerre um das White Trash
gezeigt. Auch das Astra in Friedrichshain, das Bi Nuu und das Lido in
Kreuzberg werden zudem seit einiger Zeit von einer eigenen, zu den drei
Clubs gehörenden Agentur, von Direct Booking, betreut. Und das Musik &
Frieden im ehemaligen Magnet in Kreuzberg ist der Hausclub der noch relativ
jungen, aber schon ziemlich großen Agentur Landstreicher.
All diese Läden haben immer noch Kapazitäten für externe Bookingagenturen,
aber das Bestreben, sich möglichst unabhängig zu machen, von dem auch
Thomas Spindler von Trinity Music spricht, ist doch erkennbar. Unabhängige
Clubbetreiber könnten das genauso zu spüren bekommen wie die kleinen
Bookingagenturen.
## Spielwiesen für Nachwuchs
Auch scheint bei diesen Versuchen, das Livegeschäft immer stärker zu
optimieren, niemand so recht an den Nachwuchs zu denken. Läden wie das
nicht mehr existierende Antje Øklesund in Friedrichshain, das freie
Spielwiese war auch für unbekannte Berliner Bands, sind inzwischen
Mangelware.
„An nichtkommerziellen Konzerträumen für 100 bis 200 Besucher, in denen
Bands auch laut sein und mit Schlagzeuger spielen dürfen – da gibt es neben
dem Schokoladen, dem Acud und dem Ausland kaum noch etwas in Berlin –,
besteht dringend Bedarf“, sagt Sebastian Hoffmann. Dabei muss ja jede Band
mal irgendwo vor kleinem Publikum beginnen, die später mal eine große
Nummer im Livegeschäft werden soll.
9 Apr 2017
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Musikgeschäft Berlin
Clubs
Indie
Konzert
Festsaal Kreuzberg
Club
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