Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neues Album von Franz Ferdinand: Höhenflüge mit Gitarrenbegleitung
> Neues von der vorerst letzten Institution des Indie-Rock: Die schottische
> Band Franz Ferdinand versucht es noch mal mit dem Album „Always
> Ascending“
Bild: Sind endlich wieder da: Die Welt hat lange auf eine Rückkehr von Franz F…
Auf das neue Album der schottischen Band Franz Ferdinand hat die Welt lange
warten müssen. Nun aber! Das Quartett präsentiert „Always Ascending“, und
die titelgebende Single gibt sofort einen Ausblick auf den eingeschlagenen
Weg, wenn die ersten Pianoschläge hämmern und die entstandene Irritation
von Alex Kapranos gewaltiger Stimme aufgelöst wird. Der Song ist ein
Höhenflug, ein High, der Reue zumindest lyrisch nur am Rande formuliert.
Mit Höhenflügen kennt die Band sich aus, aber inzwischen auch mit den Mühen
der Ebene. Gleich mit ihrem Debütalbum schafften es Franz Ferdinand, sich
nicht nur in Europa, sondern auch in den USA zu etablieren, für Briten
äußerst selten! Das war 2004. Das Album gab die Initialzündung für eine
ganze Indierockband-Class of 05, benannt nach dem Jahr der größten
Sternstunden und den meist stümperhaften Bands. Unter ihnen waren die
dünnen, langen Musiker von Franz Ferdinand schon damals die
musikalisch-moralische Instanz.
Alle Bandmitglieder hatten schon während des Durchbruchs mindestens an der
dreißig gekratzt, und alle schlechten und postpubertären Angewohnheiten
hatten sie längst abgelegt, abgesehen von schottischem Raufboldtum. Aber
das war natürlich nicht der einzige Grund für ihre Vorbildrolle. Sicher war
die auch ihren speedigen Songs geschuldet. Wie es immer so schön heißt: Die
gingen ab.
Ein nicht minder erfolgreiches zweites Album folgte im Herbst 2005. Vier
Jahre später war die Situation dann aber schon eine ganz andere:
Elektronische Musik hatte Indierock als ruling sound abgelöst, nicht nur in
Berlin, auch in Glasgow, dem Geburtsort von Franz Ferdinand.
Die Band hielt am bewährten Konzept fest, traf damit zwar den Geschmack der
eingefleischten Fans, nicht aber den Zeitgeist. Und leider stellte der
gewählte Mittelweg niemanden zufrieden. Anhänger der ersten Stunde wandten
sich enttäuscht ab ob der hier und da neuen Sounds. Neutöner wiederum
wurden mit halbherzigem Songwriting und lahmen Klangexperimenten vergrault.
Wiederum vier Jahre später, 2013, gab es einen letzten Versuch, mit dem
altbewährten Rezept erfolgreich zu sein.
## Spagat zwischen Rebellionsgestus und klarer Linie
In den meisten Fällen impliziert Indie-Musik gemeinsames Erwachsenwerden
von Band und HörerInnen. Franz Ferdinand hatten ihrer Fanbase gegenüber
aber einen nicht zu unterschätzenden altersmäßigen Vorsprung. Nicht nur
deshalb wurde es zwischendurch deutlich ruhiger. Es folgte 2015 die von
langer Hand geplante und „FFS“ genannte Kooperation mit den US-Glamrockern
von den Sparks. Das geneigte Publikum nahm diese Kollaboration eher
verärgert auf, das Erwachsenwerden verlief eben nicht parallel.
Nun, fünf Jahre nach dem letzten echten Album, veröffentlichen die Schotten
also „Always Ascending“. Für die zehn Tracks engagierten sie den
französischen House-Produzenten Philippe Zdar als Pferdeflüsterer. Auch
innerhalb der Band gab es Umbesetzungen. Mitgründer Nick McCarthy, der mehr
Zeit für Familie wollte, verließ die Band, für ihn übernahm Julian Corrie
Gitarre und Keyboard.
Wenn man den Drummer Paul Thomson nach Referenzen für das neue Material
fragt, klingt das erst mal nicht nach der so dringend gebrauchten
Band-Renaissance: „Mir fällt eigentlich nur Tarka Daal, McEwans
Export-Bier und Kokain ein … vielleicht sollten wir lieber nicht davon
sprechen“, sagt er. Also alles wie immer? Nein, sie wollten neu und sie
kreierten neu. Der Spagat zwischen Rebellionsgestus und klarer Linie,
zwischen Rock und radiotauglich, mit dem sich Indie-Bands derzeit so
schwertun, gelingt den Schotten besonders gut mit „Feel The Love Go“, einer
wahren Dance-Hymne. Würden viele Clubs dieser Richtung nicht gerade ihre
Türen schließen, dies wäre Stoff für lange Nächte. „Paper Cages“ hinge…
könnte das Schmankerl für eingefleischte Fans sein. Jeder Takt erinnert an
frühe Werke, ohne je abgestanden zu wirken.
Die schnellen Rhythmuswechsel in „Glimpse of Love“ vereinen
Postpunk-Elemente mit experimentellen Effekten, hinzu kommt ein eingängiger
Refrain. Der Song kaschiert aber an mancher Stelle auch die melodischen
Qualitäten der Band. „Lazy Boy“ hingegen weckt Erinnerungen an alte Tage,
funkbetonte Akkordfolgen, eingängige Riffs in der Bridge und ein catchy
Refrain sollen zum Mitsingen einladen.
Der heimliche Superstar des Albums ist aber „The Academy Award“. Der
teilweise akustisch eingespielte Song mag den Blutdruck vorübergehend
senken, der Puls bleibt ob der Stimme und der mit- bis zerreißenden Melodie
aber immer auf Schlagzahl. Dieser fünfte Song von „Always Ascending“ kann
auf Textebene als Kritik an der zunehmenden technikinduzierten Verrohung
der Gesellschaft und gleichzeitig als verzweifelte Ode an die Menschheit
verstanden werden: „Through liquid crystal we look at the world“ – wir
betrachten die Welt durch ein LCD-Display. Sänger Alex Kapranos trägt sie
mit größter Elastizität im Bariton vor. Was bleibt von diesem lang
ersehnten Album, ist eine emotionale Gratwanderung zwischen einst und
jetzt. Öffnet man sich den neuen Tönen, hört man ein wirklich gelungenes,
facettenreiches Indierock-Album, das jedes Mal noch ein kleines bisschen
besser klingt.
10 Feb 2018
## AUTOREN
Jann-Luca Zinser
## TAGS
Indierock
Franz Ferdinand
Indie
Glamrock
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neues Album von Chris Cacavas: US-Indierock aus Langensteinbach
Wie es den Wüstensohn Chris Cacavas in die süddeutsche Provinz verschlug
und warum er dort gelegentlich Waschmaschinen installiert.
Album und Konzert der Sparks: Lob der Missionarsstellung
Nun erscheint mit „Hippopotamus“ ein neues Album der Sparks. Ron und
Russell Mael reklamieren wieder ihre Ausnahmeposition als Pop-Exzentriker.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.