Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verfassungsgericht zur Grundsteuer: Filetstückchen können teurer …
> Die Grundsteuer könnte in begehrten Lagen steigen, im ländlichen Raum
> sinken. Betroffen sind sowohl Hausbesitzer als auch Mieter.
Bild: Hier könnte die Grundsteuer kräftig steigen: Berlin-Mitte
Wer eine Immobilie an begehrten Orten mietet oder besitzt, muss in einigen
Jahren mit einer höheren Grundsteuer rechnen. Umgekehrt sinkt
möglicherweise die Belastung in weniger attraktiven und ländlichen
Gegenden. Das könnten die Folgen des Urteils sein, das die
Bundesverfassungsrichter*innen am Dienstag in Karlsruhe sprechen.
„Wir gehen davon aus, dass das bisherige Verfahren keinen Bestand haben
wird“, sagte Hans-Günter Henneke, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen
Landkreistages. Die Reform werde wohl dazu führen, dass die Grundsteuer für
Immobilien steigt, deren Wert in den vergangenen Jahrzehnten stark
kletterte. Das betrifft beispielsweise begehrte Lagen in den Innenstädten.
„Damit besteht das Risiko steigenden Kostendrucks an Orten, wo die Preise
ohnehin hoch sind“, so Henneke. „Die konkreten Auswirkungen werden davon
abhängen, wie vor allem die Kommunen die Bewertung beeinflussen können.“
Das oberste deutsche Gericht entscheidet über mehrere Klagen zur Berechnung
der Grundsteuer, die prinzipiell auf alle Grundstücke und Gebäude in
Deutschland erhoben wird. Dabei geht es vor allem um die veralteten
Einheitswerte, der Basis der Steuerberechnung für Wohngebäude. In
Ostdeutschland stammen diese aus dem Jahr 1935, im Westen von 1964. Diese
gelten auch heute noch für Immobilien, deren Werte sich während der
vergangenen Jahrzehnte unterschiedlich entwickelten. Das führt zu
Verzerrungen und Ungerechtigkeiten.
Viele Beobachter der Verhandlung des Verfassungsgerichts im vergangenen
Januar erwarten, dass die obersten Richter*innen den Bedenken des
Bundesfinanzhofs folgen und das gegenwärtige Verfahren für rechtswidrig
erklären. Sollte das so kommen, sagt es aber noch nichts Genaues darüber
aus, wie die Grundsteuer reformiert wird. Das Verfassungsgericht wird eine
Frist vorgeben. In dieser Zeit müssen Bundestag, Bundesrat und Regierung
dann ein neues Gesetz erarbeiten. Dafür gibt es verschiedene Modelle.
Die Mehrheit der Bundesländer einigte sich in der vergangenen
Legislaturperiode, dass in die Neuberechnung sowohl die Bodenrichtwerte als
auch die Baukosten für Gebäude einfließen sollen. Dafür hat Haus & Grund,
der Verband der Immobilienbesitzer, Modellrechnungen angestellt. Für
Mehrfamilienhäuser in Berlin-Mitte könnte die Grundsteuer demnach von jetzt
beispielsweise 3.000 auf 250.000 Euro pro Jahr steigen, für
Einfamilienhäuser in Berlin-Zehlendorf von 900 auf 8.000 Euro. Die
Belastung für Miethäuser in Dortmund wüchse beispielsweise von 100 auf auf
9.000 Euro, in Mannheim von 400 auf 6.000 Euro.
Die jeweiligen Bundesländer und Kommunen könnten derart drastische
Steigerungen allerdings durch regionale Berechnungsfaktoren dämpfen, die
ebenfalls im Modell enthalten sind. Grundsätzlich sind nicht nur die
Eigentümer betroffen, sondern auch die Mieter, denn die Grundsteuer darf
auf sie umgelegt werden. Wichtiger Nachteil des Bundesratmodells: Bis alle
Werte auf dem aktuellen Stand sind, könnten zehn Jahre vergehen. Mit einer
so langen Übergangsfrist ist das Verfassungsgericht vielleicht nicht
einverstanden.
Haus & Grund schlägt deshalb eine Variante vor, bei der nur die Flächen der
Grundstücke und Gebäude herangezogen würden. Die Berechnung ginge viel
schneller. Ein dritter Vorschlag kommt von dem Bündnis „Grundsteuer
zeitgemäß“. Den befürworten unter anderem der Naturschutzbund, der Deutsche
Mieterbund und das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. In diesem
Modell würde nur noch der Boden besteuert, nicht aber das Gebäude, das
darauf steht. Ein zentrales Argument dabei ist: Stiege die relative
Belastung für brachliegende Flächen, wirkte das als Anreiz, neue Wohnhäuser
zu errichten, die derzeit fehlen.
Unabhängig vom Modell wird es Gewinner und Verlierer geben. Auch wenn die
Landesregierungen und kommunalen Spitzenverbände überwiegend betonen, sie
wollten mit einer renovierten Grundsteuer nicht mehr als die bisherigen
etwa 13 Milliarden Euro jährlich hereinholen.
9 Apr 2018
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Grundsteuer
Bundesverfassungsgericht
Reform
Grundsteuer
Grundsteuer
Mieten
Grundsteuer
Steuer
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Urteil zur Grundsteuer: Nicht auf dem Rücken der Mieter
Die Neuberechnung der Grundsteuer könnte für viele Mieter hohe Kosten
verursachen. Die Bundesländer müssen sie regional differenzieren.
Gerichtsurteil zur Grundsteuer: Eine neue Berechnung ist notwendig
Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Berechnungsgrundlage der Steuer
für verfassungswidrig. Bis Ende 2019 muss die Regierung sie reformieren.
Höhere Mieten nach Grundsteuerreform: Die Angst vor dem Mietpreisturbo
Hamburgs Finanzsenator will die vom Bundesrat beschlossene
Grundsteuerreform nicht: Sie treibe Mieten in die Höhe und lasse sich vom
Land nicht ausgleichen.
Grundsteuer vorm BVerfG: Nicht mehr zeitgemäß
Die Grundstückswerte, die zur Orientierung für die Grundsteuer dienen, sind
alt. Dass das geändert werden muss, ist in Karlsruhe fast nicht die Frage.
Nabu-Experte über die Grundsteuer: „Spekulieren wird belohnt“
Die nächste Bundesregierung muss auch die Grundsteuer reformieren, fordern
Naturschützer und Mieterbund. Siedlungsentwickler Henry Wilke erklärt,
warum.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.