| # taz.de -- DNA-Spuren an Tatorten: Mit Haut, Herkunft und Haar | |
| > Im Bund soll die erweiterte DNA-Analyse eingeführt werden. Doch die | |
| > Hinweise auf Haar- und Hautfarbe des Täters sind nicht ganz präzise. | |
| Bild: Die DNA-Analyse liefert nicht wenige Daten. Gesichtert sind sie nicht wir… | |
| Wird Polizeiarbeit künftig so aussehen? An einer vergewaltigten und | |
| ermordeten Frau werden Spermaspuren des mutmaßlichen Täters gefunden. Eine | |
| DNA-Analyse der Spur ergibt: Der Täter war etwa 45 Jahre alt, hat | |
| wahrscheinlich braune Augen, dunkles Haar und helle Hautfarbe. Wenn der | |
| Tatort in einer Großstadt war, könnte die Polizei mit der Analyse zwar | |
| wenig anfangen, denn es gäbe Tausende Männer mit diesen Merkmalen. Anders | |
| sähe es aber aus, wenn die Spur wahrscheinlich von einem etwa 60-Jährigen | |
| mit dunkler Hautfarbe stammt. Das wäre ein echter Ermittlungsansatz. | |
| Doch noch sind solche erweiterten DNA-Analysen verboten. Tatort-DNA darf | |
| nur jenseits der Erbanlagen im „nicht-codierenden“ Bereich untersucht | |
| werden. Das so gewonnene unverwechselbare DNA-Profil wird dann mit der DNA | |
| von Verdächtigen und der DNA-Datei des Bundeskriminalamts abgeglichen. Wenn | |
| dies keinen Treffer ergibt, dann ist die DNA-Ermittlung bislang zu Ende. | |
| Die Große Koalition will dies nun ändern. Im Koalitionsvertrag heißt es: | |
| „Die DNA-Analyse wird im Strafverfahren auf äußerliche Merkmale (Haar, | |
| Augen, Hautfarbe) sowie Alter ausgeweitet.“ Im Bereich der inneren | |
| Sicherheit ist das wohl das spektakulärste Vorhaben für die neue | |
| Wahlperiode. Parallel dazu will Bayern die erweiterte DNA-Analyse auch in | |
| seinem Polizeigesetz verankern. | |
| Ausgelöst wurde die Debatte durch den baden-württembergischen | |
| Justizminister Guido Wolf (CDU). Nach dem [1][Mord an der Studentin Maria | |
| L. in Freiburg] brachte er im Februar 2017 einen Gesetzentwurf in den | |
| Bundesrat ein, der die erweiterte DNA-Analyse erlauben sollte. Dabei war | |
| der Mord nach dem Fund eines auffällig gefärbten Haars mithilfe von | |
| Videoaufnahmen in der Straßenbahn längst aufgeklärt. Der damalige | |
| Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) reagierte damals eher zurückhaltend. | |
| Seine Nachfolgerin Katarina Barley (SPD) hat sich zu dem Vorhaben noch | |
| nicht geäußert. | |
| ## Günstig für die Landtagswahl | |
| Bayern ist schon weiter. Ende Januar legte Innenminister Joachim Herrmann | |
| (CSU) einen Entwurf für die Änderung des bayerischen Polizeigesetzes vor. | |
| Mit dabei die Zulassung der erweiterten DNA-Analyse. Am kommenden Mittwoch | |
| wird das Vorhaben im Münchener Innenausschuss beraten, Mitte Mai wird es | |
| wohl im Plenum beschlossen. Bayern vorn – so gefällt es der CSU. | |
| Doch was soll die erweiterte DNA-Analyse in einem Polizeigesetz, wenn es um | |
| die Abwehr künftiger Gefahren geht? Bisher war die neue Technik immer zur | |
| Aufklärung von Straftaten diskutiert worden. Die Spur am Tatort gibt es | |
| eben erst nach der Tat und nicht schon vorher. Innenminister Herrmann | |
| verwies dagegen auf die Möglichkeit, dass die Polizei auf die | |
| Bombenwerkstatt eines „unbekannten potenziellen Bombenbauers“ stößt und m… | |
| den dort gefunden Spuren den Mann suchen und Anschläge verhindern kann. | |
| Praktisch relevant ist das wohl eher nicht. | |
| Aber in Bayern sind am 14. Oktober Landtagswahlen, und im Vorfeld will die | |
| CSU der Polizei jede irgendwie in Betracht kommende Befugnis einräumen. | |
| Schon im Vorjahr wurden die elektronische Fußfessel und unbefristete | |
| Vorsorgehaft für Gefährder eingeführt. Im aktuellen Polizeigesetzespaket | |
| kommen zum Beispiel der Zugriff auf Clouddaten und der Einsatz von Drohnen | |
| hinzu. Die Stärkung der Polizei bei der Gefahrenabwehr ist für die CSU vor | |
| allem deshalb interessant, weil hierfür ein Landesgesetz genügt. Die | |
| Strafprozessordnung, die die Ermittlungen nach einer Straftat regelt, ist | |
| dagegen ein Bundesgesetz. | |
| Und natürlich interessiert sich die CSU auch für Bundespolitik. Schließlich | |
| ist CSU-Chef Horst Seehofer jetzt Bundesinnenminister. Und es wird wohl | |
| nicht lange dauern, bis er seine Kabinettskollegin Katarina Barley fragt, | |
| wann sie endlich dem bayerischen Vorbild folgt. Es muss nur ein | |
| aufwühlender Mord passieren … | |
| ## Analyse überschätzt | |
| Die CSU wäre aber nicht die CSU, wenn sie nur einen Vorschlag aus | |
| Baden-Württemberg aufgreifen würde. Sie schlägt natürlich auch eine | |
| Verschärfung vor. Nach ihrer Vorstellung sollten DNA-Spuren auch auf die | |
| „biogeografische Herkunft“ untersucht werden können. Einen entsprechenden | |
| Änderungsantrag brachte Bayern schon 2017 im Bundesrat ein. Der | |
| Gesetzentwurf zum heimischen Polizeigesetz erlaubt die Herkunftsanalyse | |
| ebenfalls. Die CSU verweist darauf, dass die Prognose der Herkunft | |
| besonders zuverlässig sei. Mit 99,9-prozentiger Genauigkeit könne eine | |
| Aussage über den Kontinent gemacht werden, von dem der Spurenverursacher | |
| stammt. | |
| Andere Methoden sind weniger präzise: Die Augenfarben Blau oder Braun | |
| können mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 bis 95 Prozent prognostiziert | |
| werden, so eine Aufstellung des Bundeskriminalamts. Bei Mischfarben | |
| (inklusive Grau und Grün) ist die Wahrscheinlichkeit deutlich niedriger. | |
| Die Haarfarbe kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent (Blond) bis | |
| 87 Prozent (Schwarz) festgestellt werden. Allerdings bezieht sich der Test | |
| auf die Haarfarbe im Jugendalter, durch Krankheiten und Alterung kann sich | |
| die Haarfarbe auch verändern. Auch auf die Hautpigmentierung kann | |
| geschlossen werden, mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent für weiße | |
| Hautfarbe, 95 Prozent für schwarze Hautfarbe und 84 Prozent für | |
| „Mischformen“. | |
| Die Wissenschaftlerinitiative STS@Freiburg warnt, dass die | |
| Leistungsfähigkeit der erweiterten DNA-Analyse überschätzt werde. Selbst | |
| wenn die Analyse mit einer Genauigkeit von 98 Prozent darauf hindeute, | |
| dass der Täter zu einer kleinen Minderheit gehört, können 2 Prozent der | |
| Mehrheit doch eine größere Gruppe sein. Es bestehe die Gefahr, dass sich | |
| die Polizei bei entsprechenden Ergebnissen vorschnell auf die Fahndung nach | |
| Minderheitsangehörigen beschränkt. Die Wortwahl der Befürworter zeigt, dass | |
| diese Gefahr durchaus besteht. So will Minister Herrmann mit der | |
| erweiterten DNA-Analyse den möglichen Täterkreis „eingrenzen“ und | |
| Unverdächtige „ausscheiden“. Dabei geht es doch nur um mehr oder weniger | |
| präzise Prognosen, die der Polizei allenfalls eine Priorisierung ihrer | |
| Ermittlungsansätze erlauben. | |
| Kritisiert wird auch, dass die erweiterte DNA-Analyse zur Stigmatisierung | |
| von Minderheiten führen könne. In der Praxis werde sie vor allem bei | |
| ungewöhnlichen Merkmalen wie dunkler Hautfarbe oder Herkunft von einem | |
| anderen Kontinent eine Rolle spielen. Das könne zu einem Generalverdacht | |
| gegen Minderheiten führen, kritisiert etwa das Gen-ethische Netzwerk. Mit | |
| solchen Argumenten wird man die Zulassung der Technik aber wohl kaum | |
| verhindern. Schließlich wird von der Polizei ja auch der Zeuge angehört, | |
| der einen dunkelhäutigen Täter gesehen hat. Und es wird auch die | |
| Videoaufnahme angesehen, die einen dunkelhäutigen Täter zeigt. Man kann der | |
| Polizei kaum verbieten, ungewöhnliche körperliche Merkmale für | |
| Ermittlungszwecke zu nutzen. | |
| ## Populisten wittern Morgenluft | |
| Der Verzicht auf die erweiterte DNA-Analyse würde Spannungen vermutlich | |
| auch nicht vermeiden. Denn dann käme von Populisten schnell der Vorwurf, | |
| dass hier kriminaltechnische Möglichkeiten nicht genutzt werden, um | |
| ausländische Täter zu schützen. So begann auch im Freiburger Fall von Maria | |
| L. die Diskussion über die erweiterte DNA-Analyse. | |
| Umgekehrt kann die Auswertung von DNA-Spuren auf äußerliche Merkmale hin | |
| auch zur Beruhigung populistischer Stimmungen führen. So war in einem Fall | |
| aus Holland ein Mädchen in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft getötet | |
| worden. Die damals erstmals angewandte erweiterte DNA-Analyse deutete | |
| jedoch darauf hin, dass der Täter ein Westeuropäer war. Die Unruhen in der | |
| Gegend flauten daraufhin ab. Jahre später konnte tatsächlich ein Bauer aus | |
| der Nachbarschaft der Tat überführt werden. | |
| Die in Baden-Württemberg mitregierenden Grünen hatten einst durchgesetzt, | |
| dass im Gesetzentwurf von Guido Wolf die Herkunftsanalyse nicht enthalten | |
| ist. Solange aber Auswertungen mit Blick auf die Hautfarbe möglich sind, | |
| macht das wohl keinen großen Unterschied. | |
| Wichtiger ist es, sicherzustellen, dass die Polizei mit dem Instrument und | |
| den Ergebnissen sensibel umgeht. In den Niederlanden, die hier führend | |
| sind, wird die erweiterte DNA-Analyse fast nur für interne Zwecke der | |
| Polizei benutzt, also gerade nicht zur öffentlichen Fahndung. | |
| 7 Apr 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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