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# taz.de -- Vorwürfe gegen Gefängnis-Bedienstete: Schläge, Beleidigungen, Du…
> Zehn Abschiebehäftlinge warfen den Beamten einer JVA in Hannover Anfang
> März Körperverletzung vor. Die Staatsanwaltschaft reagiert erst jetzt.
Bild: Die JVA Langenhagen ist ein Abschiebegefängnis
BREMEN taz | Abschiebehäftlinge in der JVA Hannover-Langenhagen erheben
schwere Vorwürfe gegen die Gefängnis-Bediensteten: Die sollen die
Inhaftierten geschlagen und beleidigt haben, Besuchsrechte, Freigang und
sogar Toilettenbesuche und Duschgänge verwehrt und ihnen keine private
Kleidung erlaubt haben.
Das geht aus einem Brief hervor, den zehn Gefangene Anfang März an den
Flüchtlingsrat Niedersachsen geschrieben hatten. Der wiederum leitete das
Schreiben an die Justizvollzugsanstalt und das Justizministerium weiter.
Und obwohl die Staatsanwaltschaft spätestens seit dem 7. März in den Fall
involviert ist, hat sie bis heute keinen der Insassen dazu befragt.
„Aus diesem Grunde haben insgesamt drei meiner Mandanten, die
Mitunterzeichner waren, nun Anzeige erstattet“, sagt dazu ihr Anwalt.
Notwendig sei das eigentlich nicht gewesen, da es sich bei den Vorwürfen um
Offizialdelikte handele, also um Straftaten, die die Staatsanwaltschaft von
Amts wegen verfolgen muss, „aber leider ist da ja nichts passiert“. Dabei
müssten die Ermittlungen dringend aufgenommen werden, weil hier ein
„Beweismittelverlust“ drohe. Das habe er der Staatsanwaltschaft auch
deutlich mitgeteilt.
Konkret bedeutet das: Bald ist von den Unterzeichnern schlicht niemand mehr
da, der aussagen könnte. Zwei der drei Anzeigensteller sollen nächste Woche
abgeschoben werden, so ihr Anwalt, der dritte befinde sich bereits wieder
in seinem Heimatland Marokko.
Auch die JVA hat bereits am 6. März Anzeige erstattet, gegen sich selbst:
„Von Amts wegen mussten wir das nach Bekanntwerden der Vorwürfe tun“, sagt
JVA-Leiter Matthias Bormann. Spätestens seit dem 7. März liege die Anzeige
bei der Staatsanwaltschaft Hannover.
Bormann weist nahezu sämtliche Vorwürfe zurück. Die Zeiten, in denen die
Gefangenen Freigang im JVA-Hof hätten, könnten künftig eventuell
ausgeweitet werden und die Sache mit der Privatkleidung müsse man auch mal
angehen: „Manche Häftlinge haben nichts außer ihrer Leibwäsche bei sich –
die bekommen dann in der Tat JVA-Kleidung. Da müssen wir vielleicht auch
mal schauen, ob wir das nicht ändern können.“
Aber: „Bei uns wird niemand geschlagen und beleidigt“, so Bormann. Viele
Bedienstete arbeiteten bereits seit über 15 Jahren mit Abschiebehäftlingen
und seien sehr erfahren im Umgang mit ihnen. „Und wir alle haben gelernt,
zu deeskalieren“, sagt Bormann. Wenn es aber Situationen gebe, die von
Seiten der Gefangenen eskalierten, dürften die Bediensteten eingreifen:
„Sie dürfen unmittelbaren Zwang anwenden – aber selbstverständlich nur,
wenn es einen triftigen Grund dafür gibt.“ So etwas komme in Einzelfällen
auch vor, „aber alles andere ist schlicht unwahr“.
Die Vorwürfe gegen die JVA sind nicht neu, das bestätigt sowohl der Anwalt
als auch Muzaffer Öztürkyilmaz vom Flüchtlingsrat Niedersachsen, der in
Langenhagen eine kostenlose Beratung für Abschiebehäftlinge anbietet: „Seit
August 2017 ist die Zahl der Beschwerden spürbar angestiegen“, sagt er.
Seit Februar seien überdies die Besuchszeiten eingeschränkt worden und
immer wieder komme es dazu, dass den Gefangenen der Empfang von Besuch
teilweise tage- oder auch wochenlang verwehrt werde.
## Fehlende Rechtsgrundlage
Das Problem, sagt der Anwalt der drei Anzeigensteller, sei die fehlende
Rechtsgrundlage in Niedersachsen: „Anders als in anderen Bundesländern gibt
es hier kein Gesetz, das den Vollzug der Abschiebehäftlinge regelt.“ Dinge
wie Änderungen des Besuchsrechts oder des Hofgangs kann die JVA also selbst
regeln. „Da wird dann auch mal Besuch abgelehnt mit dem Argument, man habe
gerade zu wenig Personal dafür“, sagt er.
Dass Bormann die Anschuldigungen gegen seine Bediensteten von sich weist,
sei aufgrund seiner Position erwartbar gewesen, sagt der Anwalt, „aber bei
der Staatsanwaltschaft müssen doch sofort alle Alarmglocken klingeln, wenn
der Vorwurf der Körperverletzung im Raum steht – da muss schnell gehandelt
und vernünftig ermittelt werden“.
Staatsanwältin Kathrin Söfker sagt, dies geschehe „jetzt“ auch: „Wir we…
diejenigen vernehmen, die die Anzeigen erstattet haben – aber die sind ja
erst am vergangenen Freitag bei uns eingegangen.“ Davon, dass der Fall aber
bereits seit Anfang März der Staatsanwaltschaft vorliegt, wisse sie nichts,
und der zuständige Kollege sei jetzt im Osterurlaub: „Aber ob da jetzt ein
paar Tage vorher noch was hereingekommen ist oder nicht, ist für uns
relativ wenig relevant, denn wir gehen der Sache ja jetzt nach.“
## Einige Unterzeichner bereits ausgeflogen
Unklar bleibt indes, ob das vor oder nach dem 26. und 27. März geschieht,
wenn wieder ein paar der mutmaßlich Geschädigten abgeschoben werden. Einige
der Unterzeichner wurden bereits ausgeflogen.
Für Bormann sind die Vorwürfe ohnehin nichts weiter als ein Versuch von
Gefangenen, ihre Abschiebung zu verhindern: „Die Masse der Maghreb-Länder,
die bei uns sind, die wollen nicht abgeschoben werden“, sagt er. „Die haben
bereits alles versucht, um das zu verhindern und hoffen jetzt auf die
Presse und die Öffentlichkeit.“
Fraglich ist, ob sich das niedersächsische Justizministerium mit solcherlei
Mutmaßungen zufrieden gibt. Das Ministerium, so ein Sprecher, habe die JVA
um einen gesonderten Bericht zu den erhobenen Vorwürfen gebeten. „Dieser
liegt seit heute vor und wird aktuell ausgewertet.“
23 Mar 2018
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Staatsanwaltschaft Hannover
Abschiebung
Schwerpunkt Flucht
Migration
Hungerstreik
Asylrecht
Abschiebehaft
Abschiebe-Gefängnis
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