| # taz.de -- Brasilianischer Roman: Temporäre autonome Zone | |
| > In dem Roman „So enden wir“ porträtiert der brasilianische Autor Daniel | |
| > Galera seine Generation der ehemaligen digitalen Avantgarde. | |
| Bild: Gewerkschaftlich organisierter Streik, 2013 in Brasilien. Und dann wird A… | |
| Es stinkt nach Müll und Exkrementen in den Straßen von Porto Alegre, die | |
| Hitze brennt und die Busfahrer streiken. Dort zu Besuch in ihrer alten | |
| Heimatstadt, wird Aurora per Twitter-Nachricht von der Ermordung Andrei | |
| Dukelsky´s überrascht. Ende der neunziger Jahre hatten sie gemeinsam als | |
| Studenten „Orangotango“, eines der ersten Online-Fanzines in Brasilien | |
| herausgegeben und sich danach aus den Augen verloren. | |
| Auf der Beerdigung des „Duke“, dem charismatischen Kopf der ehemaligen | |
| Gruppe und später gefeierten Literaten, treffen nun die alten Weggefährten | |
| Aurora, Antero und Emiliano nach über zehn Jahren wieder aufeinander. Aus | |
| den wechselnden Perspektiven dieser drei Protagonisten entsteht in „So | |
| enden wir“ das subtile Portrait einer Generation, der sich auch der 1979 in | |
| Sao Paulo geborene Schriftsteller Daniel Galera zugehörig fühlt. | |
| In seinem Roman waren die ehemaligen Freunde Ende der 1990er Jahre Teil | |
| einer subkulturellen Avantgarde, die mit digitaler Kommunikation und | |
| virtueller Öffentlichkeit zu experimentieren begonnen hatte – begeistert | |
| von Hakim Bey´s anarchistischer Idee „temporärer autonomer Zonen“. Längst | |
| sind Internet und technologischer Fortschritt Alltag geworden, die | |
| Lebensverhältnisse aber bleiben für viele, auch aus der brasilianischen | |
| Mittelschicht prekär. | |
| ## Intimität vor allem als Cybersex | |
| Als Biologin erforscht Aurora inzwischen an der Universität von Sao Paulo | |
| den Biorythmus des Zuckerrohrs. Beruflich erschöpfen sie die unbeweglichen | |
| Strukturen und Machtkämpfe des wissenschaftlichen Betriebs. Privat erlebt | |
| sie Intimität vor allem als Cybersex auf Amateurlivestreamwebsites wie | |
| „Chaturbate“. | |
| Währenddessen Antero, der großsprecherische Nachfahre finnischer | |
| Einwanderer die frühen Erfahrungen mit ersten viralen Posts längst ins | |
| Standardrepertoire seiner erfolgreichen Werbeagentur übernommen hat. So | |
| empfindet er die wütenden Straßenproteste gegen die Erhöhung der | |
| Busfahrpreise, in die auch er sich 2013 zufällig stürzt, vor allem als | |
| gelungene Simulation für die sozialen Netzwerke. | |
| Emiliano, der damals mit Anfang zwanzig seine erste homosexuelle Erfahrung | |
| in einer einmaligen intimen Begegnung mit Andrei Dukelsky machte, wird nun | |
| als Freelance-Journalist von einem Verlag mit der Biografie über den | |
| rätselhaften Schriftsteller und die seltsamen Umstände seines Ablebens | |
| beauftragt. | |
| In „So enden wir“ entwirft Galera ein kontrastreiches, widersprüchliches | |
| Szenario von menschlicher Erfahrungen und Empfindungen vor dem | |
| brasilianischen Hintergrund wirtschaftlicher Krisen, spürbarem Klimawandel | |
| und politischer Instabilität. Über unterschiedliche Erinnerungen nähern | |
| sich Aurora, Antero und Emiliano der euphorisch erlebten, für sie prägenden | |
| Vergangenheit an. Ernüchtert aber deutlich erkennen sie darin sich selbst. | |
| 18 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva-Christina Meier | |
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