| # taz.de -- Amtsübergabe in Bayern: So wahr ihm Gott helfe | |
| > Er ist dort, wo er schon so lange hinwollte: Nun wird Markus Söder | |
| > bayerischer Ministerpräsident. Viel Zeit zum Feiern bleibt ihm nicht. | |
| Bild: Dann mal prost: endlich Chef in Bayern | |
| MÜNCHEN taz | Er betet täglich, trägt stets ein Medaillon mit einem Kreuz | |
| bei sich, lässt sich die Losung des Tages auf sein Mobiltelefon schicken | |
| und hört beim Autofahren gern die Bibel als Hörbuch. Das ist der Mann, den | |
| sie am heutigen Freitag zum neuen Ministerpräsidenten Bayerns wählen: | |
| Markus Söder. Gegen Mittag wird er seinen Amtseid ablegen: „Ich schwöre | |
| Treue der Verfassung des Freistaates Bayern, Gehorsam den Gesetzen und | |
| gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten, so wahr mir Gott helfe.“ | |
| Größte Mühe hat sich der als Schlagdrauf bekannte Franke in den vergangenen | |
| Monaten gegeben, sein Image zu polieren: Christlich, diplomatisch, | |
| versöhnlich, menschlich – so gibt sich der neue Söder. Im Evangelischen | |
| Zentrum in Neumarkt hat er jüngst zum Thema „Mein Glaube und ich“ | |
| referiert, durch die Kinos zieht er derzeit mit einer Gesprächsreihe namens | |
| „Söder persönlich“. | |
| Dort kehrt er seine vermeintlich unbekannten oder unterschätzten Seiten | |
| heraus – den Hundefreund, den leidenschaftlichen Schwimmer, den Fan von | |
| Boris Becker und Lothar Matthäus sowie natürlich den lustigen Typen, der | |
| sich für ein ausgefallenes Faschingskostüm drei Stunden in die Maske setzt. | |
| Hauptsache: Mensch. | |
| Das Kalkül des künftigen Ministerpräsidenten liegt auf der Hand: Um bei der | |
| CSU nach oben zu kommen, mag es reichen, den harten Hund zu geben, aber um | |
| eine Volkspartei zum Wahlsieg zu führen, bedarf es eben mehr. Für | |
| Wahlergebnisse, wie sie die CSU gewohnt ist, braucht man auch Wähler, die | |
| man für gewöhnlich nicht im Bierdunst der Stammtische und Bierzelte findet. | |
| Und derzeit ist die Partei noch weit von diesem Ziel entfernt. Um die 40 | |
| Prozent würden die Umfrageinstitute ihr zugestehen, wenn aktuell gewählt | |
| würde. | |
| Bei aller scheinbaren Nähe zum Menschen Söder erfährt das Kinopublikum dann | |
| aber doch nicht allzu viel über den Privatmann Söder. Anders als Vorgänger | |
| Horst Seehofer, der zu früheren Berliner Zeiten die Tür zu seinem | |
| Privatleben einen Spalt zu weit öffnete, gibt sich Söder ziemlich bedeckt. | |
| Wenig spricht er über seine Frau, die Unternehmerstochter Karin | |
| Baumüller-Söder, noch weniger über die drei Kinder, die er mit ihr hat, | |
| gar nicht über die Tochter aus einer früheren Beziehung. Stattdessen | |
| altbekannte Anekdoten, wie jene über die erste Begegnung mit dem | |
| skeptischen Hund seines Schwiegervaters in spe, dessen Herz er dann aber | |
| doch eroberte. | |
| ## Der Jüngste und der Ungeduldigste | |
| Mit Söder zieht der bisher jüngste der CSU-Ministerpräsidenten in die | |
| Staatskanzlei ein. 51 ist er im Januar geworden, sein Ziehvater Edmund | |
| Stoiber war bei Amtsantritt immerhin schon 52. Doch Söder ist auch der | |
| ungeduldigste, und somit war es für ihn eine verdammt lange Zeit, die er | |
| bis zu diesem Tag warten musste. Zu lange galt er bereits als Thronfolger – | |
| wenn auch ohne den Segen des Throninhabers. Bei einer kabarettähnlichen | |
| Rede vor einem Jahr verglich er selbst sich schon mit Prinz Charles. | |
| Besonders laut wurde dann das Fußgescharre bei den Söderianern in den | |
| vergangenen Monaten, als Seehofer sich nach der verabredeten Machtübergabe | |
| nicht auf einen Rücktrittstermin festlegen wollte, es einmal sogar hieß, es | |
| könne auch April werden. Schließlich will man dem Neuen maximale | |
| Profilierungsmöglichkeit im Amt bieten, um dann mit dem entsprechenden | |
| Bonus in die Wahl zu gehen. | |
| Zuletzt war es jedoch Söder selbst, der seine Wahl noch einmal verschieben | |
| ließ – um zwei Tage. Denn eigentlich wäre schon am Mittwoch der | |
| naheliegende Termin gewesen: An diesem Tag wäre der Landtag planmäßig | |
| zusammengetreten, und laut Verfassung muss der neue Ministerpräsident in | |
| der ersten Sitzung nach dem Rücktritt des alten gewählt werden. | |
| Nur: Just an diesem Mittwoch wurde auch in Berlin die Regierungschefin | |
| gewählt und das neue Kabinett inklusive Seehofer vereidigt. Im Schatten der | |
| Bundespolitik wollte Söder aber keinesfalls sein neues Amt antreten. | |
| Deshalb beantragte die ihm treu ergebene CSU-Fraktion umgehend, die Sitzung | |
| am Mittwoch abzusagen, um stattdessen am heutigen Freitag eine | |
| Sondersitzung einzuberufen. | |
| ## Ein unschöner Einstand | |
| Bei der Opposition hat das ziemliche Verärgerung ausgelöst. „Was ist das | |
| für ein Theater, dass der noch nicht gewählte Ministerpräsident den | |
| Abgeordneten vorschreibt, wann sie ihn untertänigst zu wählen haben“, | |
| fragte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. | |
| Ein unschöner Einstand, der nicht recht zu dem neuen Bild des präsidialen | |
| Söders passen will. Größerer Ärger vonseiten der Opposition droht dem | |
| frisch gewählten Ministerpräsidenten jedoch in anderer Sache: In seltener | |
| Einmütigkeit riefen die drei Oppositionsfraktionen am Mittwoch zur | |
| gemeinsamen Pressekonferenz. Thema: „Transparenz über den Verkauf der GBW | |
| AG durch die BayernLB und den Verdacht der Geldwäsche im Umfeld der | |
| Verkäufer“. | |
| Die Sanierung der bayerischen Landesbank war eines von Söders Großprojekten | |
| in seiner Zeit als Finanzminister. Nach Vorgaben der EU musste sich die | |
| Bank 2013 von ihrer Tochter, dem Immobilienunternehmen GBW, trennen. | |
| Zuletzt hatten „Monitor“ und das Handelsblatt berichtet, bei dem Verkauf | |
| habe auch russisches Schwarzgeld eine Rolle gespielt. Für diesen Verdacht | |
| fanden sich zwar seither keine Anhaltspunkte, aus Sicht der Opposition gibt | |
| es dennoch Ungereimtheiten. | |
| Sie droht Söder nun mit einem Untersuchungsausschuss. Dabei geht es ihr | |
| weniger um mögliche Rechtsverstöße als vielmehr darum, die „fundamentale | |
| Kehrtwende“ Söders politisch aufzuarbeiten. Der hatte vor einigen Wochen | |
| angekündigt, als Ministerpräsident eine staatliche Wohnungsbaugesellschaft | |
| zu gründen. „Es wäre sinnvoll gewesen, vor fünf Jahren die GBW zum Nukleus | |
| einer solchen Gesellschaft zu machen“, so SPD-Fraktionschef Markus | |
| Rinderspacher. Dass es tatsächlich keine Möglichkeit gegeben habe, die | |
| Wohnungen auch mit dem Segen der EU in öffentlicher Hand zu behalten, nimmt | |
| er Söder nicht ab. | |
| ## Am Mittwoch werden die Minister vereidigt | |
| Auf eine direkte Konfrontation aber lässt sich Söder gar nicht erst ein. | |
| Bei einer eilends einberufenen Pressekonferenz muss sein Staatssekretär | |
| Albert Füracker die Vorwürfe kontern. Er selbst arbeitet indes an seiner | |
| Kabinettsliste. Am kommenden Mittwoch sollen die Minister vereidigt werden. | |
| Einige der Vorhaben, mit denen er die Wähler in den wenigen Monaten, die | |
| ihm vor der Wahl noch bleiben, überzeugen will, hat Söder derweil schon | |
| angekündigt: Neben dem staatlichen Wohnungsbau sind das die Einführung | |
| einer Eigenheimzulage und eines Baukindergelds, ein Landesamt für Pflege, | |
| die Digitalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs, die Förderung von | |
| Start-ups, aber auch die Forschung zum Artenschutz, die Verbannung von | |
| Glyphosat von bayerischen Feldern sowie neue Polizeistellen, eine eigene | |
| Grenzpolizei und ein Landesamt für Asyl und Abschiebung. | |
| Und dann will er noch die Amtszeit des Ministerpräsidenten auf zwei | |
| Wahlperioden beschränken. Ein bisschen was für jeden also, vor allem aber | |
| für den „kleinen Mann“, als dessen Anwalt sich Söder mittlerweile sieht. | |
| Projekte, die sich bei der Umsetzung als eher kompliziert erweisen dürften, | |
| wie die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, klammert Söder vorerst | |
| lieber aus. | |
| Die Strategie für den Wahlkampf ist klar: der AfD den Wind aus den Segeln | |
| nehmen und Freie Wähler und FDP möglichst überflüssig erscheinen lassen. | |
| Sprich: das bürgerliche Terrain zurückgewinnen. Allerdings vermeidet es der | |
| CSU-Spitzenkandidat, Zielmarken für den 14. Oktober vorzugeben. Natürlich | |
| würde die CSU gern ihre absolute Mehrheit verteidigen, doch aktuell ist sie | |
| davon noch zu weit weg. Horst Seehofer muss das nicht mehr kümmern. So | |
| erhöhte er auch schon mal dezent den Erwartungsdruck auf seinen Nachfolger: | |
| „Vielleicht gelingt uns auch etwas, was in den letzten fünf Monaten nicht | |
| so wahrscheinlich war“, orakelte er letztens scheinbar harmlos. Söder wird | |
| es ihm danken. | |
| 16 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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