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# taz.de -- Bürgermeister-Nachfolge in Hamburg: Der große Stühle-Tausch
> Personal-Rochade nach Weggang von Olaf Scholz stürzt die Stadt in
> Verwirrung. Mit Peter Tschentscher wird Überraschungskandidat neuer
> Bürgermeister.
Bild: Das neue Team: Peter Tschentscher soll Bürgermeister Olaf Scholz folgen.…
Hamburg taz | Gereizte Kollegen, minimale Stehfläche auf Kamera-Kabeln, als
Klo nur die Unisextoilette im Keller. Über zwei Stunden mussten die
Hamburger Journalisten im zugigen Foyer der SPD-Zentrale warten, um die
Bestätigung für das Gerücht zu bekommen. Selbst alte Hasen lagen falsch
damit, dass der bisherige SPD-Fraktionschef Andreas Dressel Nachfolger von
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) wird. Es wird Finanzsenator [1][Peter]
Tschentscher, der Mann mit wenigen Vokalen im Namen.
Diese Entscheidung soll in der Nacht zuvor in einer dramatischen Sitzung im
Rathaus gefallen sein. Die Aussprache im SPD-Landesvorstand dauerte länger
als geplant. Erst kurz nach 20 Uhr liefen die Genossen die Wendeltreppe
runter, wie beim Catwalk an den Kameras vorbei, erst die weniger wichtigen,
ganz am Schluss Scholz mit Peter Tschentscher.
## Andere Ämter für Dressel und Leonhard
Der sieht sehr blass aus vor der roten SPD-Stellwand, fast möchte man ihn
am Arm drücken und sagen: wird schon. Nach ihm folgt Melanie Leonhard im
blauen Kleid und der alle um einen Kopf überragende Andreas Dressel. Den
beiden wurde das Amt angeboten, heißt es, beide wollten nicht wegen ihrer
kleinen Kinder, sagen sie.
Leonhard erinnert daran, dass sie ja 2015 schon die Sozialbehörde übernahm
und nun auch noch Scholz als neue Landes-Chefin beerbt. Und Fraktions-Chef
Dressel sagt, er habe das mit seiner Familie zu Hause entschieden und freue
sich jetzt anstelle von Tschentscher Finanzsenator zu werden. Dass er in
den Senat wechsele, sei schon länger mit Scholz abgesprochen.
## Linke tauft ihn Scholz-Zwilling
Dies alles sind Vorschläge, die Personal-Rochade muss am 24. März auf einem
Parteitag abgesegnet werden. Die Medien haben keine Porträts vorbereitet.
Kommentatoren sprechen von einer „Sturzgeburt“. Olaf Scholz dreht es um. Es
sei eine „bemerkenswerte Leadership-Leistung“, Entscheidungen erst dann zu
treffen, wenn sie anstehen.
Tschentscher, von der Linken schon eilig als „Zwilling von Scholz“ getauft,
tritt vor und beginnt seine Rede fast mit den gleichen Satzfragmenten wie
Scholz, spricht vom „guten Regieren seit 2011“. Bürgermeister zu werden sei
„eine große Ehre und eine wichtige Aufgabe, die ich sehr gerne annehme“.
Hamburg könne mit Zuversicht in die Zukunft blicken, so der Mediziner.
„Aber es gibt eben viel zu tun und wir sind im vollen Lauf.“ Das wichtigste
sozialpolitische Projekt sei der Wohnungsbau, aber auch gebührenfreie
Kitas, sanierte Schulen und Unis sowie funktionsfähige Bezirke, Polizei und
Feuerwehr. All dies benötige Wirtschaftsstärke, die sich in Hamburg seit
2011 verbessert habe. Er sehe die große Chance, Hamburg als starke
Metropole und „schönsten Stadt Deutschlands“ weiter zu entwickeln, in der
das Leben „für alle gut, bezahlbar und sicher ist“. Dann sagen Leonhard und
Dressel ihr Sprüchlein auf.
## Sorge um das A-Team
Auf den Einwurf eines Journalisten, „aber das sieht schon ein bisschen nach
zweite oder dritte Wahl aus“, geht nur Scholz mit einer Schlussbemerkung
ein: „Es ist immer richtig, den angesehensten Senator zum Bürgermeister zu
machen“.
Noch abends laufen im Netz die Drähte heiß, versuchen sich Kommentatoren in
Deutungen. Dressel bildete als Fraktionschef zuletzt gemeinsam mit
Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks das „A-Team“, quasi das offene Ohr zur
Stadt, das Volksinitiativen und anderen sozialen Gruppen zuhörte. Drum sind
nicht alle begeistert vom großen Stuhltausch, auch an der SPD-Basis nicht.
Tenor: Dass sie Dressel in den Senat setzen, verschlechtere die Lage für
bürgernahe Politik.
Wollte der 43-jährige Jurist wirklich nicht wegen seiner drei Kinder
Bürgermeister werden? Dazu gibt es verschiedene Lesarten, es herrscht
gewisse Ratlosigkeit. Die einen sagen, Dressel habe mit seinem Stil sowohl
Scholz als auch Leonhard nicht gepasst. Andere sagen, es sei wirklich wegen
der Kinder.
Auch Tschentscher, der Mann der Zahlen, wurde nach seiner Familie gefragt.
„Meine Frau“, sagt er, „ist es seit 20 Jahren gewohnt, dass ich nach Hause
komme und sage, es gibt eine neue Aufgabe für mich“. Der 52-Jährige ist
Vater eine fast erwachsenen Sohnes.
11 Mar 2018
## LINKS
[1] /Kommentar-Scholz-Nachfolger/!5487951
## AUTOREN
Kaija Kutter
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