# taz.de -- EU-Sanktionen gegen Internetfirmen: Letzte Warnung an Facebook & Co | |
> Lücken beim Datenschutz, zu wenig Einsatz gegen Hasskommentare: | |
> EU-Kommissarin Věra Jourová geht gegen große Online-Plattformen vor. | |
Bild: EU-Justizkommissarin Věra Jourová droht mit einer gesetzlichen Regelung | |
BRÜSSEL taz | Es sind mächtige Gegner, denen Věra Jourová sich | |
entgegenstellt. Facebook, Twitter, Google, Microsoft oder Instagram zählen | |
dazu. Regelmäßig pilgern die Bosse der IT-Riesen zu ihr nach Brüssel in die | |
EU-Kommission. Sie wollen die Kommissarin für Justiz, Verbraucher und | |
Gleichstellung (wie so oft bei EU-Kommissions-Mitgliedern, fehlt die | |
Parteizugehörigkeit; [1][der Säzzer]) davon überzeugen, dass sie sich um | |
den Schutz der Daten der EU-Bürger kümmern, die Rechte der Verbraucher | |
wahren – und fragwürdige Inhalte nicht ungefiltert auf ihren Plattformen | |
veröffentlichen. Selbstverpflichtungen statt Gesetze, Zugeständnisse bei | |
den Geschäftsbedingungen statt strengere Regularien – darauf setzen die | |
Internetfirmen. | |
Doch Jourová reicht dies nicht aus. Gegen Hasskommentare, gegen | |
Verleumdungen, gegen strafbare Inhalte tun die Online-Plattformen aus ihrer | |
Sicht viel zu wenig. Zwar hätten die Konzerne sich freiwillig verpflichtet, | |
doch nur rund 70 Prozent solcher Veröffentlichungen würden gelöscht, sagt | |
sie. Auch die Meldeverfahren stellen Jourová nicht zufrieden. Bei Facebook | |
und Twitter gibt es zwar eine E-Mail-Adresse, über die illegale Inhalte | |
gemeldet werden können. Eine Verpflichtung darüber, wann diese Mails | |
bearbeitet sein müssen, fehlt hingegen. | |
„Ich bin darüber nicht glücklich“, sagt die EU-Kommissarin. Deshalb will | |
sie noch in dieser Woche Social-Media-Anbieter zu härteren Maßnahmen | |
verpflichten. So sollen die Meldeverfahren verbessert und verdächtige | |
Inhalte binnen einer Stunde gelöscht werden müssen. Diese „Empfehlungen“, | |
wie sie im EU-Sprech heißen, sind eine Art letzte Warnung, bevor Brüssel | |
gesetzliche Vorgaben in die Wege leitet – inklusive Sanktionen. Bis Mai | |
haben die Unternehmen Zeit, die Regeln umzusetzen. Wenn nichts passiert, | |
droht Jourová mit einer gesetzlichen Regelung. Vorbild könnte das deutsche | |
Netzwerkdurchsetzungsgesetz sein, laut dem Plattformbetreiber seit Januar | |
für die Inhalte verantwortlich sind, die sie verbreiten. | |
Nicht nur beim Umgang mit illegalen Inhalten, auch beim Verbraucherschutz | |
droht den IT-Konzernen eine härtere Gangart,. Für Jourová sind Facebook, | |
Twitter oder Google+ Werbe- und Verkaufsplattformen. Also müssen sie auch | |
die Verbraucherschutzregeln einhalten, findet Jourová. Und fordert | |
eigentlich Selbstverständliches: „Wir wollen klarstellen, dass die | |
Geschäftsbedingungen der Internetfirmen dem EU-Recht unterliegen.“ Dem ist | |
derzeit nicht so: Immer wieder müssen Kommission oder nationale Behörden | |
die meist aus den USA stammenden Firmen auffordern, | |
EU-Verbraucherschutzregeln einzuhalten. | |
Dabei geht es vor allem um das Recht, Beschwerden an die Anbieter in Europa | |
einzureichen – und nicht nur in Übersee. Wollen Nutzer von einem Kauf in | |
Internet zurücktreten, ist dies laut EU-Gesetzen kein Problem, wohl aber | |
bei einigen der US-Netzwerke. Weiteres Problem: Kommerzielle Angebote und | |
gesponserte Inhalte müssten vielfach klarer gekennzeichnet werden. Noch bis | |
Ende März haben die Unternehmen nun Zeit, ihre Geschäftsbedingungen den | |
EU-Vorgaben anzupassen – in allen Sprachfassungen. | |
## Komplizierter Datenschutz in der EU | |
Auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar will die | |
Plattformen stärker in die Verantwortung nehmen. Die Vergangenheit zeige, | |
dass die freiwilligen Bemühungen nicht ausreichten, um strafbare Inhalte | |
wie Hate-Speech oder Fake News in den Griff zu bekommen, sagt Caspar. Er | |
hofft nun, dass die EU eine Regelung findet, die alle Interessen | |
einschließt. Das wird nicht einfach. Hassrede habe keinen Platz auf | |
Facebook, sagt eine Facebook-Sprecherin zur taz. Erst 2017 habe man | |
Prozesse und Richtlinien hierzu weiter verbessert. Der Konzern meint also, | |
bereits genug getan zu haben. | |
Über allem schwebt ohnehin die EU-Datenschutzgrundverordnung, die im Mai | |
europaweit in Kraft tritt. „Der Schutz der Privatsphäre ist ein | |
Grundrecht“, sagt Kommissarin Jourová. „Auch wenn Daten die EU verlassen, | |
gelten die EU-Rechte nach wie vor.“ Doch ist die Verordnung wirklich eine | |
scharfe Waffe gegen Facebook, Twitter & Co.? „Leicht wird es nicht“, sagt | |
Věra Jourová. Das hat auch mit unterschiedlichen Vorstellungen von | |
Datenschutz in der EU zu tun. Für Tschechien etwa, das Land, aus dem | |
Jourová kommt, hat das Thema keine hohe Priorität. | |
27 Feb 2018 | |
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[1] http://blogs.taz.de/hausblog/2018/02/12/danke-ja-der-saezzer/ | |
## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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