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# taz.de -- Justiz in China: Anwälte schlagen Alarm
> Verhaftungswellen, Arbeitsverbote: Die Situation von Menschenrechtlern
> und Juristen wird dramatischer. Anwälte appellieren an die Regierung.
Bild: Der Aktivist Edward Leung wird nach seiner Verurteilung in einem Polizeia…
Peking taz | Chinas Anwälte wollen sich nicht einschüchtern lassen. Trotz
drohender Verhaftung haben jetzt 58 Anwältinnen und Anwälte in einer
[1][gemeinsamen Erklärung] die Regierung aufgefordert, zu ihrem Wort zu
stehen und den Aufbau einer unabhängigen und modernen Justiz zu fördern.
„Anwälte sind ein wichtiger Bestandteil von Rechtsstaatlichkeit in China“,
heißt es in der Erklärung. Der Aufbau eines modernen Staates erfordere
deren aktive Beteiligung an der Rechtsfindung. Eine Gesellschaft, die
Anwälte als ihren Feind betrachte, werde unweigerlich Chaos und soziale
Unruhen hervorrufen.
Anlass für den Appell sind die verschärften Bedingungen, unter denen
Juristen derzeit arbeiten müssen: So haben die chinesischen Behörden in den
vergangenen Wochen gleich mehreren prominenten Menschenrechtsanwälten die
Lizenzen entzogen.
Den Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng nahm die Polizei am 15. Januar zudem
fest, als er seinen Sohn zur Schule bringen wollte. Er wird der „Anstiftung
zur Untergrabung der Staatsgewalt“ beschuldigt. Yu und die anderen
betroffenen Anwälte hatten eine Reform der Verfassung sowie freie Wahlen
gefordert. Mit diesem Vorwurf droht dem 50-Jährigen eine mehrjährige
Haftstrafe.
## Zweijährige Verfolgungswelle
„Wir denken, es ist das verfassungsmäßige Recht eines Anwalts und Bürgers,
die Freiheit der Meinungsäußerung auszuüben, angemessene Vorschläge zu
machen und die Staatsorgane zu beaufsichtigen, was kein Verbrechen ist“,
sagte Yus Anwalt Huang Hanzhong. Selbst Staats- und Parteichef Xi Jinping
habe gesagt, die Partei müsse scharfe Kritik tolerieren können, so Huang.
Solche Bemerkungen – und das Einstehen für seinen Kollegen – können ihn n…
selbst in Gefahr bringen.
Sein Mandant Yu ist dabei nur das jüngste Opfer einer seit mehr als zwei
Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Hunderte von Anwälten,
Mitarbeitern von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitgliedern.
Einige von ihnen sind bis heute nicht frei. Dabei waren die Hoffnungen
vieler Anwälte groß, als Xi Jinping 2012 Parteichef und 2013
Staatspräsident wurde und sich für eine Stärkung der Rechtsstaatlichkeit
aussprach. China müsse sich von dem überkommenen Konzept lösen, dass
einzelne Personen das Sagen haben, hatte er damals explizit gefordert.
Die Verhaftungen der kritischen Anwälte jedoch zeigen, dass diese
Forderungen bloß Lippenbekenntnisse waren. Schlimmer noch: Die Repression
nimmt an Schärfe weiter zu. Kurz nach seiner Amtsübernahme hatte Xi eine
Anti-Korruptions-Kampagne ins Leben gerufen, die sich ausdrücklich gegen
Führungskader und deren Beziehungs- und Korruptionsnetze richtet.
Zehntausende Parteisekretäre wurden nicht nur ihrer Ämter enthoben, sondern
zum Teil unter äußerst fragwürdigen Bedingungen in Haft gesteckt. Es
handelt sich um die umfassendste Säuberungswelle der KP der vergangenen 35
Jahre.
Besonders gefürchtet: Die als „Shuanggui“ bezeichnete Ermittlungsmethode,
mit dem die Disziplinkommission der KP, eine Art parteiinterne Polizei,
Geständnisse von Korruptionsverdächtigen erzwingt. Diese haben keinen
Zugang zu Anwälten.
Menschenrechtler kritisieren dieses System seit Jahren scharf. Nach Angaben
von Human Rights Watch würden Inhaftierte schwer geschlagen und auf
vielfältige Weise gequält. Den Betroffenen werde Wasser und Nahrung
vorenthalten. Ihre Angehörigen erführen nicht, wohin sie verschwunden
seien. Der offiziellen Lesart zufolge werden diese Shuanggui-Methoden nur
zur Korruptionsbekämpfung oder bei politischem Fehlverhalten von
Mitgliedern der Kommunistischen Partei angewandt. Die KP zählt heute fast
90 Millionen Mitglieder. Tatsächlich aber sind Chinas Behörden schon lange
gegen politisch Unliebsame mit ähnlichen Methoden vorgegangen.
Was bislang inoffiziell geschah, soll nun, wie die Financial Times
berichtet, unter einer geplanten Neuregelung ganz legal für alle
Staatsbediensteten gelten, ob sie in der KP sind oder nicht. „Präsident Xi
Jinping hat seine Anti-Korruptions-Kampagne auf ein misshandelndes und
illegales Inhaftierungssystem aufgebaut“, bemerkt Sophie Richardson von der
Organisation Human Rights Watch. Ein solches Vorgehen werde die Korruption
jedoch nicht beenden, sondern auch das letzte Vertrauen in Chinas
Justizsystem beseitigen.
21 Feb 2018
## LINKS
[1] https://chinachange.org/2018/02/19/safeguarding-the-right-to-practice-a-sta…
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
Menschenrechte
Rechtsstaatlichkeit
Justiz
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