# taz.de -- ARD-Zweiteiler „Gladbeck“: Reales Gangsterdrama | |
> Mit „Gladbeck“ inszeniert die ARD das Versagen von Polizei und Medien bei | |
> der traumatischen Geiselnahme vor dreißig Jahren. | |
Bild: Auch Marion Löblich (Marie Rosa Tietjen) wird Teil der Bande | |
Auf der Straße vor der Bank steht ein RTL-Reporter und redet gleichzeitig | |
in Telefon und Mikrofon: „Hier ist Hans Meiser, Deutsches Fernsehen, guten | |
Tag. Kann ich bitte einen der Geiselgangster sprechen?“ | |
Am Morgen dieses 18. August 1988 hat sich aus einem gescheiterten Überfall | |
auf die Filiale der Deutschen Bank im nordrhein-westfälischen Gladbeck eine | |
Geiselnahme entwickelt, die in den folgenden 54 Stunden die gesamte | |
Bundesrepublik in Atem halten und nach ihrem blutigen Ausgang zum | |
kollektiven Trauma werden wird. | |
Die beiden [1][vorbestraften Täter Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowsk]i | |
lassen von Anfang an keinen Zweifel daran, dass die Situation jederzeit | |
eskalieren kann, und führen den überforderten Polizeiapparat genauso vor | |
wie die adrenalintrunkenen Medienvertreter, die jegliche Distanz verlieren, | |
die Arbeit der Einsatzkommandos behindern und ihre Berichterstattung in | |
zynischster und den Opfern gegenüber entwürdigender Weise weiterverfolgen. | |
Der 15-jährige Emanuele De Giorgi und die 18-jährige Silke Bischoff, | |
Insassen eines Bremer Linienbusses, den die Täter zufällig in ihre Gewalt | |
bringen, sterben letztendlich durch ihre Kugeln. | |
Der zweiteilige Fernsehfilm, den Produzentin Regina Ziegler in | |
Zusammenarbeit mit der ARD realisieren hat lassen, zeichnet die Ereignisse | |
dieser drei, tief ins mediale Gedächtnis der Nation eingebrannten Tage zwar | |
mit dokumentarischer Akribie nach, jedoch schafft die Inszenierung von | |
Regisseur Kilian Riedhof nach dem Drehbuch von Holger Karsten Schmidt | |
etwas, das keine der zahlreichen Dokumentationen zum Tathergang in dieser | |
Intensität erreichen kann. Riedhofs „Gladbeck“ ist von der ersten Minute an | |
ein nervenaufreibender Thriller, der die physische Erfahrbarkeit der | |
Ausnahmesituation rekonstruiert und auf diese Weise die Reaktionen und | |
(Fehl-)Entscheidungen der Beteiligten nachvollziehbar macht. | |
## Kein Film über die Täter | |
Tatsächlich ist die körperlich geradezu erdrückende Präsenz der beiden | |
Geiselnehmer auch für die Zuschauer schwer erträglich, selbst wenn die | |
Darsteller Sascha Alexander Gersak (Rösner) und Alexander Scheer (Degowski) | |
nicht im Bild sind. Man habe sich „in die Angsträume hineinbegeben“ wollen, | |
erklären die Macher bei der Pressevorführung in Berlin. | |
Trotzdem ist [2][„Gladbeck“ erfreulicherweise kein Film über die Täter] | |
geworden. Neben den hilf- und glücklos agierenden Beamten, wie dem | |
verantwortlichen Einsatzleiter in Recklinghausen (Ulrich Noethen) oder dem | |
Leiter der Kripo Bremen (Martin Wuttke), und dem unrühmlichen Auftreten der | |
Pressevertreter, wird die Situation der Geiseln und ihrer Angehörigen nie | |
aus den Augen verloren. | |
Während der erste Teil das Versagen der Polizei in den Mittelpunkt stellt, | |
legt der zweite den Fokus auf die Rolle der Medien. Auch hier bemüht sich | |
„Gladbeck“ um Ausgewogenheit, stellt nicht nur Boulevardmedien und das | |
Privatfernsehen an den Pranger, sondern reflektiert ebenfalls das nicht | |
weniger fragwürdige Auftreten der „Tagesschau“. | |
Die thematisch gesetzten Schwerpunkte der beiden 90-minütigen Filme sind | |
nachvollziehbar, weisen aber jedoch auch auf eine inhärente Schwäche des | |
Formats hin. Denn selbst wenn sich „Gladbeck“ sichtlich Mühe gibt, die | |
unterschiedlichen Perspektiven auf den Tathergang durchgängig zu | |
dokumentieren, wirken beispielsweise die biografischen Einschübe von De | |
Giorgi und Bischoff im ersten Teil bemüht und stark verkürzt. Auch der | |
Antrieb der Reporter und Journalisten wird im engen Zeitkorsett nicht | |
weiter beleuchtet, was die Medienkritik letztendlich etwas oberflächlich | |
wirken lässt. | |
Vielleicht wäre eine zeitgemäße Umsetzung in längerer serieller Form die | |
adäquatere gewesen, um eine solche Geschichte in ihren unterschiedlichen | |
Facetten erzählen und reflektieren zu können. Die ARD rundet die zweitägige | |
„Eventprogrammierung“ stattdessen klassisch mit einem ergänzenden | |
Dokumentarfilm ab, der es dankenswerterweise schafft, einige dieser | |
ausgemachten Leerstellen zu schließen. | |
7 Mar 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jens Mayer | |
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