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# taz.de -- Die Wahrheit: Theaterschlaf
> Tagebuch einer Berlinalista: Im Gegensatz zum Tumult auf Theaterbühnen
> lädt das sanfte Flackern des Kinos zum Einnicken ein.
Am Ende einer zehntägigen Berlinale mäandern Klamottenhaufen durch die
Wohnung, wissenschaftliche Forschungsprojekte schimmeln im Kühlschrank vor
sich hin und ich sehne mich nach 24 Stunden Schlaf, um das wüste Werk aus
dreißig einander überlagernden Festivalfilmen, das in einer Endlosschleife
durch meinen Kopf wabert, zu stoppen.
Seit meiner frühen Sozialisierung in Filmemacherkooperativen und
sogenannten Experimentalfilmerkreisen bin ich eigentlich bestens für jede
filmische Ausdauerübung gestählt. Ich habe eine Schwäche für schräges und
zeitintensives Zeug, glücklicherweise aber auch beizeiten herausgefunden,
dass man Ermattung nachgeben und getrost ein Filmdrittel verpennen darf,
erfahrungsgemäß das mittlere, man will ja wenigstens wissen, wie’s am Ende
ausgeht.
Damit liege ich auf einer Linie mit dem wunderbaren und viel zu früh
verstorbenen Filmjournalisten Michael Althen, der sich in einem Interview
zu einem Zitat des Regisseurs Rudolf Thome bekannte: „In einem Film
schlafen heißt, dass man ihm vertraut.“
Leider lässt sich das nicht vom Kino ins Theater übertragen, wo ich nach
spätestens zwei Stunden von Harndrang und Hass auf Zwangshuster heimgesucht
werde. Aufkommende „Sind wir bald da?“-Gefühle verwandeln sich im Kino ganz
von selbst in sanften, unschuldigen Schlummer; im Theater zu pennen,
während lebendige Menschen sich vor mir die Seele aus dem Leib gaukeln, ist
mir dann aber doch zu garstig.
Deshalb bin ich mit geradezu religiösem Eifer zu jeder knackig bemessenen
Pollesch-Inszenierung an der Berliner Volksbühne gepilgert, habe
siebenstündige Castorf-Inszenierungen aber in weiser Voraussicht vermieden.
Auf Filmfestivals finde ich zielsicher einen Saal für das erholsame
Nickerchen zwischendurch: Voraussetzung ist bequemes Sitzen, und es sollte
irgendeine Sonderreihe mit innovativen Filmen und sehr langen Einstellungen
laufen.
Bei Pollesch habe ich übrigens noch nie gepennt. Das fiel mir ein, während
ich die Berlinale-Vorführung von „Partisan“ über die Castorf-Zeit der
Volksbühne hell durchwachte. Wie herrlich brüllt, tobt und gurrt darin noch
einmal der „Haufen Schwerstgestörter“, wie der Schauspieler Alexander
Scheer seine Kollegen zärtlich nennt!
Gleich nach der Vorführung erreichte mich per E-Mail der Newsletter der
inzwischen von jenen Schwerstgestörten befreiten und durch neue
Kunst-Globalität glänzenden Volksbühne, in der „ein 17-tägiger Marathon d…
101 Stunden langen Films ,Three Little Pigs' mit Texten von Goethe, Hitler
und Fassbinder“ angekündigt wird. Endlich kann ich meine im Filmkino
erworbenen Power-Nap-Fähigkeiten auch im Theaterkino erproben! Und
vielleicht wird ja mein Vertrauen belohnt, und ich wache nach friedlichem
Dornröschenschlaf mitten in einer Pollesch-Inszenierung mit Sophie Rois
oder Fabian Hinrichs auf.
1 Mar 2018
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
Kino
Schlaf
Berlin
Telekom
Rentner
Orientierung
Walter Benjamin
Berlin
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