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# taz.de -- Interview: Vietnamesen in Berlin: „Ziel ist der Sprung in die Mit…
> Es nervt Khuê Phạm, ständig gefragt zu werden, wo sie herkomme. Das
> passiere aber immer seltener, sagt die Journalistin: Berlin werde in
> seinem Selbstverständnis multikultureller
Bild: Blütenzweige für das Tet-Fest an diesem Wochenende im Dong-Xuan-Center
taz: Frau Pham, nervt Sie als Deutschvietnamesin die deutsche
Mehrheitsgesellschaft manchmal?
Khuê Pham: Manchmal nervt es mich, wenn Leute wiederholt fragen, woher ich
komme. Mich stört die Frage an sich nicht, aber es gibt Menschen, die drei
Mal nachhaken und dann fragen, wo meine Wurzeln liegen. Das finde ich nicht
rassistisch, aber ein bisschen unhöflich.
Was antworten Sie dann?
Dass meine Eltern aus Vietnam kommen, ich aber hier geboren bin. Die Frage
zielt ja auf meine Haut- und Haarfarbe ab. Früher hatte ich das Gefühl,
vielen war nicht klar, dass es Leute gibt, die nicht weiß, aber in
Deutschland geboren sind – dass es mehr gibt als nur die Kategorie
Ausländer oder Deutsche. Aber mir ist aufgefallen, dass es früher mehr
nervige Situationen gegeben hat als jetzt.
Kommt das, weil sich die Gesellschaft verändert hat, oder weil Sie eine
erfolgreiche Journalistin sind?
Ich glaube zum einen, dass sich die Gesellschaft und Berlin sehr stark
weiter entwickelt haben. Berlin ist viel internationaler geworden und in
seinem Selbstverständnis multikultureller. Zum anderen glaube ich aber
auch, dass ich durch meine Arbeit in einer anderen Position bin. Das führt
dazu, dass die Leute vielleicht anders auf mich zugehen.
Was ist vietnamesisch an Ihnen als in Berlin geborenes Kind vietnamesischer
Eltern?
Das lässt sich schwer sagen. Natürlich kommen meine Eltern aus Vietnam, ich
bin auch strenger erzogen worden als meine Schulfreunde. Aber jede
berufstätige Mutter kennt den Rollenwechsel, wenn sie das Büro betritt,
nach Hause kommt oder zum Kindergarten geht. So ist es auch mit kulturellen
Eigenschaften: Unter Vietnamesen legt man andere Verhaltensweisen stärker
an den Tag als unter Deutschen. Mit meinem Freund gehe ich auch mal ins
Dong Xuan Center, aber das ist kein großer Teil meines Alltags. Und wenn
ich meine Eltern treffe, spreche ich mit ihnen Deutsch.
Obwohl die Deutschvietnamesen eine „visible minority“ – also als Minderhe…
sichtbar, erkennbar – sind, scheinen sie in der öffentlichen Wahrnehmung
„invisible“. Es existieren kaum negative Stereotype wie über andere
Einwanderergruppen.
Es gibt Stereotype wie „sind fleißig, gut in der Schule, arbeiten hart für
geringen Lohn“. Das sind positive Klischees, aber dennoch Klischees. Sie
sind aber erst in den letzten zehn Jahren aufgekommen. Davor lautete das
Klischee eher: „Vietnamesen sind die, die illegal Zigaretten verkaufen.“
Das wandelt sich. Und natürlich sind Vietnamesen nicht weiß, man erkennt
sie.
Was hat es denn mit dem Klischee vom „fleißigen Vietnamesen“ auf sich?
Die meisten Vietnamesen, gerade die jüngeren, sprechen super Deutsch und
sind Studien zufolge überdurchschnittlich gut in der Schule.
Woran liegt das?
Das hängt damit zusammen, dass in vielen Familien Bildung das allerhöchste
Gut ist. Die Familienbiografien zielen darauf, dass der Sprung in die
Mittelschicht geschafft wird. Und die Eltern identifizieren sich mit den
Leistungen ihrer Kinder, sie reden darüber: „Mein Kind hat das Abitur mit
1,5 gemacht, meins mit 1,2.“ Das schützt vor negativen Vorurteilen, denn in
Deutschland wird vor allem über die Gruppen geredet, die „Probleme machen“.
Früher waren es die Polen, die angeblich Autos klauten, jetzt sind es vor
allem Muslime, die angeblich Frauen schlecht behandeln. Bei den Vietnamesen
gibt es keinen Diskurs über Kriminalität.
Auch bei muslimischen Einwanderern gibt es Erfolgsgeschichten, die von der
Mehrheitsgesellschaft aber nicht so bewertet werden.
Ich denke, das hat mit dem 11. September begonnen. Meine deutschtürkische
Kollegin Özlem Topçu hat gesagt, dass sie danach auf einmal zur Muslima
gemacht wurde. Die Kriege im Nahen Osten, das Aufkommen des islamistischen
Terrorismus, die Terroranschläge – das prägt die Wahrnehmung vieler
Deutscher. Da vermischen sich Erfahrungen aus dem eigenen Leben mit Ängsten
oder Sorgen über die Welt allgemein. Über Vietnam dagegen gibt es aktuell
kein großes Narrativ.
Gibt es nicht?
Es gab den Vietnamkrieg, der im Bewusstsein der Deutschen relativ präsent
war. Aber sonst verfolgt kaum jemand, was dort passiert. Die Konflikte im
Südchinesischen Meer sind etwas für Experten. Die Leute hier machen eher
die Erfahrung, der Blumenhändler ist so nett, das vietnamesische Essen ist
so lecker.
Vietnamesische EinwanderInnen partizipieren auch wenig in der Gesellschaft,
anders als etwa türkische mit zahlreichen Organisationen.
Die türkische Gemeinde ist viel stärker politisiert, aktuell etwa durch die
Konflikte um Erdoğan. Sie haben das Gefühl, dass das viel näher dran ist an
ihnen. Und das ist ja tatsächlich so. Vietnam hingegen ist weit weg. Und es
scheint kein konkretes Anliegen zu geben, für das man auch in Deutschland
kämpfen könnte. Außerdem ist die Gruppe der Vietnamesen viel kleiner als
die der Türken.
Die Entführung des Ex-Politikers Trinh Xuân Than führt zu Konflikten
innerhalb der vietnamesischen Community Berlins. Führt sie auch zu einer
Neuorientierung der Deutsch-Vietnamesen gegenüber dem Land?
Ich weiß nicht, ob sich irgendjemand deswegen neu positioniert. Ich kann
mir aber vorstellen dass einige Vietnamesen, zum Beispiel politische
Dissidenten oder kritische Journalisten, die in den letzten Jahren
herkamen, selbst Erfahrungen von Unterdrückung oder Verfolgung in Vietnam
gemacht haben. Die Frage wäre eher: Gibt es jetzt irgendwelche prominenten
Exilvietnamesen, die Angst haben, dass der vietnamesische Geheimdienst
seine Finger bis nach Deutschland nach ihnen ausstreckt? Das kann natürlich
sein.
16 Feb 2018
## AUTOREN
Julia Boek
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Vietnam
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