| # taz.de -- Pagode in Lichtenberg soll weg: Auf Buddha gebaut | |
| > Seit 2006 existiert eine buddhistische Pagode auf dem Gelände eines | |
| > Asiamarkts. Für VietnamesInnen ist sie heilig, für den Bezirk | |
| > Zweckentfremdung. | |
| Bild: In Lichtenberg stellt sich die Gretchenfrage: buddhistischer Tempel im Or… | |
| Berlin taz | Erstmals seit 1987 will eine Berliner Behörde ein Gotteshaus | |
| schließen, weil das ihrer Meinung nach am angestammten Platz stört. Der | |
| buddhistischen Pagodengemeinde Pho Da im Lichtenberger Ortsteil | |
| Hohenschönhausen flatterte vergangene Woche ein entsprechendes Schreiben | |
| des Lichtenberger Bauamts ins Haus. | |
| Die Pagode wird nur noch bis Ende Juni 2020 geduldet, danach soll sie sich | |
| neue Räume suchen. Von einer noch im Mai angedrohten sofortigen | |
| Nutzungsuntersagung und Beseitigungsanordnung des buddhistischen | |
| Gotteshauses will das Bauamt absehen, wenn die Pagode kurzfristig einen | |
| Feuerlöscher anschafft und Fluchtwege kennzeichnet. Das von außen | |
| schmucklose Gebäude für rund 200 gläubige VietnamesInnen liegt in einem | |
| Gewerbegebiet. Dort fügt sich die Pagode „nach der Nutzungsart nicht in die | |
| nähere Umgebung ein“, sagt Baustadträtin Birgit Monteiro (SPD) der taz. | |
| Dem behördlichen Schreiben ging eine jahrelanges gegenseitiger | |
| Nicht-Verstehen-Wollen zwischen Bezirk und Gemeinde voraus. 2006 war die | |
| Pagode in das Pförtnerhäuschen eines Asiamarktes in Hohenschönhausen | |
| gezogen. Seitdem werden in dem kleinen Gebäude Gottesdienste, Geburten und | |
| Totenrituale für BuddhistInnen gefeiert. | |
| Der Asiamarkt stellt die Räume mietfrei zur Verfügung – nicht ganz | |
| uneigennützig, denn er will die Pagodenbesucher*innen auch in die | |
| Markthalle locken und seine Gewerbemieter beten in der Pagode für | |
| erfolgreiche Geschäfte. Zudem hat die Betreiberin des Asiamarktes, Trinh | |
| Thi Mui, die Erfahrung gemacht, dass die Nähe zu einem Gotteshaus ihrem | |
| Markt kriminelle Besucher vom Hals hält. Ihr Markt hat nicht annähernd im | |
| gleichen Maße mit derartigen Problemen zu kämpfen wie das [1][weit größere | |
| Dong-Xuan-Center] in Lichtenberg. | |
| Einen Bauantrag stellte die Pagode 2006 nicht. Schließlich nahm sie an dem | |
| Pförtnerhäuschen keine Umbauten vor. Dass sie eine planungsrechtliche | |
| Umwidmung hätte beantragen müssen, wusste die Gemeinde, die sich auch als | |
| Verein konstituiert hat, nicht. Die hätte sie 2006, als es in | |
| Hohenschönhausen viel Leerstand gab, problemlos bekommen. Der Bezirk wusste | |
| aber von der Pagodeneröffnung. Medien wie auch die taz hatten berichtet. | |
| Seit 2010 arbeitet dort mit Erlaubnis des Auswärtigen Amtes ein aus Vietnam | |
| entsandter Mönch. | |
| Dem Bauamt ist die Pagode nach eigenen Angaben dennoch erst seit 2016 | |
| bekannt. Damals stellte die Gemeinde einen Bauantrag auf Erweiterung der | |
| nicht einmal 100 Quadratmeter großen Räume um etwa 30 Quadratmeter. Das Amt | |
| lehnte den allerdings ab. Begründung: Als nicht-gewerbliche Einrichtung | |
| habe eine Pagode nichts in einem Gewerbegebiet zu suchen. | |
| Da die buddhistische Gemeinde weder Kirche noch eine Körperschaft des | |
| öffentlichen Rechts ist, seien ihre Erfordernisse für Gottesdienst und | |
| Seelsorge im Baurecht auch nicht planungsrechtlich besonders zu | |
| berücksichtigen. Stattdessen fürchtet das Bauamt, dass die Existenz der | |
| damals bereits zehn Jahre alten Pagode „bodenrechtlich beachtliche | |
| Spannungen“ für andere Bauvorhaben haben könne. | |
| ## Gemeinde baute trotzdem | |
| Die Gemeinde legte gegen diesen Bescheid, der sie gegenüber religiösen | |
| Einrichtung von Nicht-Migranten diskriminierte, keinen Widerspruch ein, | |
| sondern löste das Problem auf andere Weise: Sie baute ohne Baugenehmigung. | |
| So sagt es die Gemeinde. Das Bezirksamt sagt: Sie hat vorher schon gebaut. | |
| Tatsächlich dauerte es zweieinhalb Jahre, bis das Bauamt den Schwarzbau | |
| bemerkte. Es kündigte im Frühjahr 2019 die Nutzungsuntersagung der gesamten | |
| Pagode an. Jetzt begann die Gemeinde, sich zu wehren. Ein nicht | |
| existenzbedrohendes Bußgeld wegen des Schwarzbaus würde sie akzeptieren, | |
| eine Schließung nicht. | |
| „Eine Pagode ist ein buddhistisches Gotteshaus“, schrieb sie dem Bauamt. | |
| „Dieses auf behördliche Anordnung zu schließen, käme einer Entweihung einer | |
| christlichen Kirche oder einer jüdischen Synagoge gleich und ist mit dem | |
| grundgesetzlichen Recht auf Religionsfreiheit nicht zu vereinbaren.“ | |
| ## In Berlin hat zuletzt die SED ein Gotteshaus geschlossen | |
| In Deutschland werden Gotteshäuser meist nur dann auf behördliche Anordnung | |
| geschlossen, wenn sie Tagebauen im Weg stehen, wie derzeit im Hambacher | |
| Forst. Sucht man Beispiele aus Berlin, muss man weit in die Geschichte | |
| zurückgehen. Nach dem Mauerbau 1961 schlossen DDR-Behörden die evangelische | |
| Versöhnungskirche in der Bernauer Straße und die katholische Kapelle | |
| Staaken, weil sie zu dicht an der Mauer standen. 1985 bzw. 1987 wurden | |
| beide Gotteshäuser abgerissen. | |
| Ho Bich Thoa, eine Frau um die 50, ist Gemeindemitglied in | |
| Hohenschönhausen. Jeden Sonntag kommt sie zum Gottesdienst. Danach essen | |
| die Besucher gemeinsam, bevor Zeit ist für Religionsunterricht oder | |
| individuelle Gebete. Thoa betet am Altar vor dem Foto ihrer in diesem Jahr | |
| verstorbenen Mutter. „Hier und nicht auf dem Friedhof ist der Ort, wo ich | |
| meiner Mutter nahe sein kann“, sagt sie der taz. | |
| Im Buddhismus verlässt der Geist nach dem Tod den Körper, auf dem Altar | |
| dieser Pagode kann sie am besten mit dem Geist ihrer Mutter ins Gespräch | |
| kommen. „Meine Mutter hat in der Pagode ehrenamtlich gearbeitet, ihr Geist | |
| wohnt hier“, sagt sie der taz. Sie möchte nicht, dass der Geist ihrer | |
| Mutter umziehen muss. | |
| Baustadträtin Monteiro sagt der taz, sie will die Pagode in Lichtenberg | |
| halten, aber an einem anderen Standort. Bei der Suche bietet sie Hilfe an. | |
| Gemeindesprecherin Thoa wendet ein, dass sich die Pagode ausschließlich aus | |
| Spenden finanziert und den jetzigen Standort mietfrei nutzt. Sie zahle | |
| lediglich Betriebskosten. Räume, die sie sich leisten kann, fände sie nur | |
| außerhalb Berlins. Thoa sagt: „Viele Gemeindemitglieder haben kein Auto, um | |
| rauszukommen. Sie arbeiten sechs Tage pro Woche und brauchen an ihrem | |
| freien Sonntag einen kurzen Weg zum Gottesdienst.“ Die Anmietung und | |
| Nutzung von Wohnraum für den Gottesdienst sei zudem nach dem | |
| Zweckentfremdungsverbot nicht zulässig. Die Nachbarschaft zu einem | |
| Gewerbegebiet ist aus Sicht der Pagode hingegen sogar gut: Hier störe es | |
| niemanden, wenn der Gong am Sonntag etwas lauter schlage. | |
| Der grüne Bauexperte Andreas Otto appelliert an den Bezirk Lichtenberg, | |
| sich mit der buddhistischen Gemeinde an einen Tisch zu setzen, um eine | |
| gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Lichtenbergs | |
| SPD-Fraktionschef Kevin Hönicke will dabei helfen. „Religiöse Belange | |
| sollen wir als Bezirk ernst nehmen.“ Daniel Bartsch, Sprecher von | |
| Religionssenator Klaus Lederer (Linke), sagt der taz, der Senat arbeite an | |
| einem lang angelegten Prozess, nichttraditionellen Religionsgemeinschaften | |
| die Raumsuche zu erleichtern. | |
| 16 Dec 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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