Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Buddhistische Pagode in Lichtenberg: Beten für eine Perspektive
> Eine buddhistische Pagode soll umziehen, weil sie nicht in einem
> Gewerbegebiet stehen darf. Dabei könnte der Bezirk wohl eine Ausnahme
> machen.
Bild: Das Gebetshaus der Buddhisten in Hohenschönhausen
Berlin taz | Ende Mai könnte der Gong in der vietnamesisch-buddhistischen
Pho-Da-Gemeinde in Hohenschönhausen das letzte Mal läuten. Grund ist nicht
das Ruhen großer religiöser Veranstaltungen wegen Corona, sondern ein
Konflikt mit dem Lichtenberger Bauamt. Dessen Duldung der Pagode endet Ende
Mai. Das schmucklose Gotteshaus war 2006 in die Pförtnerloge des
Pacific-Centers eingezogen – das ist ein Asiamarkt, der dem
Dong-Xuan-Center ähnelt.
Der Konflikt schwelt seit 2019. Damals entdeckte das Bauamt einen
zweieinhalb Jahre zuvor geschaffenen, etwa 30 Quadratmeter großen Anbau an
der Pförtnerloge, für den nie eine Baugenehmigung erteilt wurde. Ein
Schwarzbau also. Das Bauamt verhängte jedoch kein Bußgeld, das die
buddhistische Gemeinde akzeptiert hätte, sondern untersagte den Betrieb der
Pagode gänzlich. Begründung war nicht der Schwarzbau, sondern: Eine Pagode
habe in einem Gewerbegebiet nichts zu suchen.
Würde es sich um eine christliche Kirche oder eine andere Körperschaft des
öffentlichen Rechts handeln, gäbe es das Problem nicht. Diese genießen im
Baurecht ein Religionsprivileg und dürfen sich fast überall ansiedeln. Doch
die buddhistische Gemeinde gilt laut Baurecht nicht als Religionsort,
sondern als „Anlage für kulturelle Zwecke“.
Das hat mit der Realität der Pagode allerdings nichts zu tun, denn hier
wird vor allem gebetet, hier werden Gottesdienste und Taufen gefeiert,
Religionsunterricht wird durchgeführt und Totenkult zelebriert. Das
Baurecht benachteiligt damit die Religionsausübung von Zugewanderten
gegenüber hier seit Langem ansässigen religiösen Gruppen.
## Bezirk verlangt Umzug
Die sofortige Aufgabe des Gotteshauses, wie es der Bezirk 2019 forderte,
konnte verhindert werden, auch weil die [1][taz damals Öffentlichkeit
schuf]. Der Bezirk duldete die Nutzung, forderte aber, die Gemeinde solle
sich neue Räume suchen. Die Duldung endet Ende Mai.
Doch ein Umzug ist gar nicht so einfach. Zum einen könnte sich die rund 500
Mitglieder zählende Gemeinde andere Räume gar nicht leisten. Im Asiamarkt
zahlt sie nur Betriebskosten, keine Miete. Die Marktbetreiberin, selbst
Buddhistin, mag da nicht ganz uneigennützig handeln, denn sie will die
Betenden als Kunden in ihrem Markt haben. Und als Mieter: Denn wer in einer
Arbeitspause bei Buddha für das Gelingen seiner Geschäfte beten kann, der
fühlt sich in seinem Arbeitsumfeld wohler.
Auch für Mönch Le Minh Loc, der 2010 mit einer offiziellen Erlaubnis des
Auswärtigen Amtes nach Deutschland kam, um genau an diesem Ort als Mönch zu
wirken, ist die Nähe zum Markt von Vorteil: „Wenn Menschen auf den Markt
gehen, um Waren zu kaufen, besuchen sie anschließend die Pagode, um
Weihrauch zu verbrennen und Buddha anzubeten“, sagt er. Und wenn es beim
Schlagen des Gongs oder beim gemeinschaftlichen Beten einmal laut werde,
störe das an diesem Ort niemanden.
Des Weiteren ist es so, dass in der Pagode die Gemeindemitglieder den
Totenkult für ihre verstorbenen Angehörigen praktizieren, der in der
vietnamesischen Kultur eine zentrale Rolle spielt. Am Altar hängen die
Fotos der toten Ahnen der Gemeindemitglieder, davor kann man
Räucherstäbchen anzünden. Nach der in Vietnam verbreiteten Spielart des
Buddhismus wohnen die Seelen der toten Ahnen am Ort des Totengebets.
Müssten Pagode und Altar umziehen, dann würden die Seelen im Jenseits
umherirren. Das möchte niemand seinen verstorbenen Verwandten antun. Der
Ort des Ahnenkults ist für viele Vietnamesen Heimat.
Gemeindemitglied Van Phuc Nguyen sagt der taz, er und seine in Deutschland
geborenen Kinder betrachteten die Pagode als ein Stück Heimat, als „einen
Ort der mentalen Entwicklung und Kultivierung unseres Glaubens“, ohne den
die Familie leiden würde.
## Kultursenator als Fürsprecher
Unterstützung erfährt die Gemeinde vom auch für Religionen zuständigen
Kultursenator Klaus Lederer (Linke). „Unsere Senatsverwaltung würde einen
Verbleib am jetzigen Standort begrüßen. Im Kontext der freien
Religionsausübung ist ein Verbleib der Pagode aufgrund der Totenverehrung
an den Ahnenaltären besonders bedeutsam“, sagt Sprecherin Anja Scholtyssek.
Die Symbiose der Gemeinde mit dem angesiedelten Gewerbe nehme ihre
Senatsverwaltung positiv wahr. „Die Entscheidung obliegt aber dem Bezirk
Lichtenberg.“
Dessen Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) sagt: „Die Pagode hat eine
Perspektive, sie muss nur perspektivisch einen neuen Standort finden.“ Bei
der Suche bietet er Hilfe an. Nach Baurecht sei die Pagode in einem
Gewerbegebiet nicht zulässig.
Maximilian Müller, der an der Freien Universität das religiöse Leben der
Vietnamesen in Berlin erforscht und die Pagode berät, widerspricht. Das
Baurecht ließe Ausnahmen zu. „Im Endeffekt liegt es damit im Ermessen des
zuständigen Bauamtes.“ Es gäbe beispielsweise in Hamburg eine buddhistische
Gemeinde, die ebenfalls in einem Gewerbegebiet stünde, sagt Müller.
Auch in Spandau ist das übrigens so. Der dortige Baustadtrat Frank Bewig
(CDU) sagt: „In einem Gewerbegebiet sind Anlagen für kulturelle Zwecke,
unter die eine buddhistische Pagode planungsrechtlich nach gefestigter
Rechtsprechung fällt, ausnahmsweise zulässig.“ Das hänge aber vom Charakter
des Gewerbegebietes ab und könne in Lichtenberg durchaus anders sein.
3 May 2021
## LINKS
[1] /Pagode-in-Lichtenberg-soll-weg/!5646224
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Buddhisten
Klaus Lederer
Dong-Xuan-Center
Lichtenberg
Vietnamesen in Berlin
Berlin-Lichtenberg
Vietnamesen in Berlin
Schwerpunkt Coronavirus
Lichtenberg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Generationswechsel im Dong-Xuan-Center: Nachfolger schlägt neue Töne an
Vor 20 Jahren öffnete Deutschlands größter Asiamarkt in Lichtenberg. Eine
Nachfolge steht an. Versprochen wird ein Ende der Geheimniskrämerei.
Debatte um Gotteshaus in Berlin: Stadtrat will Pagode dulden
Im Streit um den Standort eines buddhistischen Bauwerks in Lichtenbergs
zeichnet sich eine – unkonventionelle – Lösung ab.
Vietnamesen in Berlin: Es muss weiß Gott kein Buddha sein
Lichtenberg plant für vietnamesischstämmige Berliner*innen ein
buddhistisches Gräberfeld. Allerdings sind viele gar keine Buddhisten.
Freie Schulen in Lichtenberg: Kitakinder mit Anschluss
Ab August bekommt Hohenschönhausen die erste freie Grundschule. Das
pädagogische Konzept ist ein besonderes und setzt auf Mitbestimmung der
Kinder.
Vietnamesische Community in Corona-Krise: Sie helfen sich selbst
Die Corona-Pandemie brockte der vietnamesischen Community in Berlin
Probleme wie allen anderen Bevölkerungsschichten ein – und ganz
spezifische.
Vietnamesische Community in Berlin: Solidarisch an der Nähmaschine
Die Erwerbsgrundlage vieler Vietnamesen ist mit Corona zusammengebrochen.
Während die einen Masken nähen, wollen andere zurück nach Vietnam.
Pagode in Lichtenberg soll weg: Auf Buddha gebaut
Seit 2006 existiert eine buddhistische Pagode auf dem Gelände eines
Asiamarkts. Für VietnamesInnen ist sie heilig, für den Bezirk
Zweckentfremdung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.