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# taz.de -- Deutsche Wirtschaft und Außenpolitik: Katzbuckeln vor Peking
> Im Namen der „Gefühle des Volkes“ beschneidet China zunehmend Freiheiten.
> Das geht, weil Unternehmen wie Mercedes-Benz sich unterwerfen.
Bild: So verhalten sich deutsche Wirtschaft und Politik gegenüber China
In einem der größten sozialen Netzwerke Chinas hat sich der deutsche
Autobauer Mercedes-Benz vor wenigen Tagen dafür [1][entschuldigt], „die
Gefühle des chinesischen Volkes“ verletzt zu haben. Der Fall hat einiges
Aufsehen erregt, ist aber nur der jüngste [2][in einer ganzen Reihe], in
denen sich internationale Konzerne dem Vorwurf ausgesetzt sahen, gegen
nationale Empfindungen in China verstoßen zu haben. Auslöser war jetzt eine
Werbebotschaft auf Instagram: Neben dem Foto einer Mercedes-Limousine war
da ein Sinnspruch des Dalai Lama zu lesen: „Betrachte eine Situation von
allen Seiten, und du wirst offener werden.“
Zwar ist der Zugang zu Instagram für Internetnutzer in der Volksrepublik
schon seit 2014 gesperrt, und [3][VPN-Tunnel – Software, mit denen man
Instagram-Seiten von China aus aufrufen könnte – werden ebenfalls
behindert]. Trotzdem ist es chinesischen Internetnutzern gelungen, eine
Welle der Empörung auszulösen. Diese Werbebotschaft, hieß es, legitimiere
den in China offiziell verachteten geistlichen Führer der Tibeter, der seit
1959 im Exil lebt.
Die chinesische Regierung bezeichnet den Dalai Lama regelmäßig als
[4][„Spalter“] und wirft ihm vor, er betreibe die Unabhängigkeit Tibets von
der Volksrepublik. Die Firma entschuldigte sich [5][am 6. Februar auf der
Mercedes-Benz-Seite des chinesichen Dienstes Weibo]: „Obwohl wir unser
Möglichstes getan haben, diese Information umgehend zu löschen, ist uns
zutiefst bewusst, dass dieser Vorfall die Gefühle des (chinesischen) Volkes
verletzt hat, einschließlich der Gefühle der Kollegen, die in unserer Firma
in China arbeiten, und dafür bitten wir aufrichtig um Entschuldigung.“
Am Tag darauf ließ das [6][chinesische Außenministerium] in herablassendem
Tonfall wissen, „Fehler einzusehen und zu korrigieren“ sei das
„fundamentale Prinzip anständigen Betragens“. In kaum verhüllter Drohung
erklärte der Sprecher, „in der neuen Ära“ werde China selbstsicherer sein…
und hoffe daher, dass ausländische Unternehmen sich dementsprechend
„anpassen“. Offenbar als Reaktion darauf übermittelte der Autokonzern
Daimler, Mutterfirma von Mercedes-Benz, am Mittwoch dann noch einen
[7][Entschuldigungsbrief] an den chinesischen Botschafter in Deutschland.
## Autoritäre Politik wendet sich verstärkt nach außen
Wenn wir dem Vorschlag des Dalai Lama aber folgen und diese Situation aus
allen Blickwinkeln betrachten – was sollen wir dann von dieser Welle
chinesischer Empörung über ein offenkundig harmloses Zitat halten? Erstens
zeigt sich, dass sich Chinas nach innen gerichtete autoritäre Politik
verstärkt auch nach außen wendet. Die chinesische Regierung pocht seit
einigen Jahren auf ihrer Vorstellung von „Cyber-Souveränität“.
Sie begründet dies damit, dass alle souveränen Nationen ein Recht hätten,
das Internet so zu kontrollieren, wie sie es für richtig halten. Aber Fälle
wie die jüngste Mercedes-Benz-Affaire – ausgelöst durch einen Post im
Internet, den chinesische Nutzer gar nicht sehen dürfen – sind Warnzeichen.
Sie weisen darauf hin, dass China es zunehmend schafft, Regierungen,
Unternehmen und Individuen einzuschüchtern. Damit schrumpft der Spielraum
für die Meinungsfreiheit auch global.
Zweitens steckt hinter den Worten, mit denen sich Mercedes-Benz
entschuldigt hat, mehr als nur das Eingeständnis, dass man kulturell
angeeckt sei. Indem sie die Formulierung „Gefühle des chinesischen Volkes
verletzt“ verwendet, akzeptiert die Firma vielmehr eine sehr konkrete
politische Agenda Pekings. Der Satz „die Gefühle des chinesischen Volkes
verletzt“ hat eine lange Geschichte innerhalb der Kommunistischen Partei
Chinas. Er erschien erstmals [8][1959] auf den Seiten des Parteiorgans
Volkszeitung. Damals ging es um einen Grenzkonflikt zwischen China und
Indien.
Seither dient er immer wieder dazu, den Unmut der Regierenden deutlich zu
machen. 1978 war es Albanien, das die „Gefühle des chinesischen Volkes“
durch seinen diplomatischen Bruch mit Peking verletzt hatte. Albanien,
vermerkte die Volkszeitung damals, habe brutal „Mao Zedong angegriffen, den
großen Führer des chinesischen Volkes und der KP Chinas“. In jüngerer Zeit,
etwa im Januar 2016, äußerte der schwedische Menschenrechtler Peter Dahlin
diesen Satz in einem [9][offensichtlich erzwungenen Geständnis], das im
chinesischen Staatsfernsehen ausgestrahlt wurde.
Der Satz „die Gefühle des chinesischen Volkes werden verletzt“ spiegelt
allerdings keineswegs einen echten, in der chinesischen Bevölkerung
verbreiteten Unmut wider. Im Jahr 2015, nachdem die Philippinen Chinas
Politiker verärgert hatten, beschrieb ein chinesischer Autor das Wesen
dieser „Gefühle“ so: „Die Gefühle des chinesischen Volkes sind die
merkwürdigsten Dinge auf der Welt. Wenn wir Chinesen wirklich erzürnt sind,
dann interessiert sich die Regierung nicht für unseren Kummer. Die Nerven,
die unsere Gefühle regieren, verlaufen zwar durch die Körper der Chinesen –
aber sie werden unter den Fingern derjenigen, die an der Macht sind,
zusammengequetscht.“
## Wie soll der Rest der Welt reagieren?
Schließlich bleibt noch die Schlüsselfrage: Wie sollten wir im Rest der
Welt auf die Politik der tausend Schnitte reagieren, mit denen die
chinesische Regierung auch unsere Freiheiten bedroht? Wir müssen uns darauf
besinnen, dass auch wir Bürger und Konsumenten sind – und bereit sein,
unsere Regierungen und Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen, wenn es
darum geht, unsere fundamentalen Werte zu schützen.
In dem Maße, wie die chinesische Regierung sich der Welt mit wachsender
„Selbstsicherheit“ zuwendet, muss sie anderen Meinungen jenen Respekt
zeigen, den sie außenpolitisch stets auch von anderen fordert. Und sie muss
weniger empfindlich auf unwichtige Dinge reagieren, wie es Sinnsprüche auf
Instagram sind. Wir hingegen sollten vielleicht viel empfindlicher darauf
reagieren, wenn die chinesische Regierung uns daran hindert, nach unseren
Ideen und Glaubenssätzen zu leben – und unser Recht beschneidet, sie zu
äußern.
Übersetzung: Jutta Lietsch
21 Feb 2018
## LINKS
[1] https://www.weibo.com/1666454854/G1RYhpR6y?from=page_1006061666454854_profi…
[2] https://qz.com/1200908/mercedes-benz-just-got-a-crash-course-in-chinas-basi…
[3] https://www.theguardian.com/world/2017/jul/11/china-moves-to-block-internet…
[4] http://www.chinadaily.com.cn/china/2008-04/01/content_6583380.htm
[5] https://www.weibo.com/1666454854/G1RYhpR6y?from=page_1006061666454854_profi…
[6] http://www.xinhuanet.com/world/2018-02/07/c_1122383567.htm
[7] https://www.hongkongfp.com/2018/02/08/mercedes-benz-owner-daimler-issues-se…
[8] http://chinamediaproject.org/2016/01/29/hurting-the-feelings-of-the-zhao-fa…
[9] https://www.theguardian.com/world/2017/jan/03/human-rights-activist-peter-d…
## AUTOREN
David Bandurski
## TAGS
China
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