# taz.de -- Plattenladen aus Schanze weggentrifiziert: Die Brutalen und die Ewi… | |
> Nachdem der Mietvertrag des Plattenladens Zardoz am Schulterblatt nicht | |
> verlängert wurde, wird an seiner Stelle wohl ein Konzern kommen, der | |
> längst da ist. | |
Bild: „Schanze nicht in die Tonne treten“: Plattenhändler Sorgenfrei | |
Hamburg taz | Die G20-Krawalle hatte Zardoz noch unversehrt überstanden. Es | |
gab keine Plünderungen, die Fensterscheiben trugen nicht mal Kratzer davon. | |
Doch nun muss der Plattenladen im Schanzenviertel zu Ende Juli schließen. | |
Der Mietvertrag am Schulterblatt wurde dem Fachgeschäft nicht verlängert, | |
wie Mitinhaber André Sorgenfrei bestätigt. Im Sommer muss Zardoz daher nach | |
gut 15 Jahren aus den Erdgeschossräumen des Kontorhauses Montblanc raus. | |
Laut Sorgenfrei hatte der Eigentümer der Immobilie kein Interesse, das | |
Mietverhältnis fortzuführen: „Wir haben uns bemüht, zumindest irgendwie ins | |
Gespräch zu kommen. Aber die haben von vornherein abgeblockt.“ | |
„Die“, das ist die niederländische Firma D&R Investments B.V., in | |
Deutschland vertreten durch die Hannoversche Anwaltskanzlei Bethge & | |
Partner. D&R Investments hat sich auf die Vermietung von Ladenflächen für | |
große Einzelhandelsketten wie Deichmann, H&M und Zara spezialisiert und | |
besitzt zahlreiche Grundstücke in ganz Deutschland. Neben dem Kontorhaus | |
gehören dem Investor weitere Flächen auf dem Schulterblatt, in denen im | |
Frühling die Dessouswarenhäuser Hunkemöller und Love Stories eröffnen | |
werden. | |
Der Einzug immer neuer Filialisten rund um das Schulterblatt ist im Viertel | |
und darüber hinaus schon lange Thema. Laut dem Linken-Abgeordneten Norbert | |
Hackbusch betrifft die gegenwärtige Neuvermietung nicht nur Vinyl-Freunde: | |
„Es ist ein Drama für den Stadtteil. Wir erwarten den nächsten abgeleckten | |
Klamottenladen“, sagte Hackbusch der taz. | |
Plattenhändler André Sorgenfrei sieht das Ganze weniger dramatisch: „Mich | |
persönlich trifft das natürlich, es ist scheiße und ich würde hier gerne | |
noch länger bleiben“, sagt der gebürtige Hamburger. „Aber es ist ein Lade… | |
der Vertrag ist ausgelaufen und wir haben ihn nicht verlängert bekommen.“ | |
Trotzdem würde Sorgenfrei „das Schulterblatt jetzt nicht per se in die | |
Tonne treten“. Schließlich gebe es nach wie vor von Inhabern geführte | |
Geschäfte, die zudem auch Hauseigentümer seien. | |
## Miete rauf, Laden weg | |
Sorgenfrei hatte 1987 seine Lehre bei Zardoz begonnen und ist dort | |
geblieben. Seit einigen Jahren ist er Gesellschafter. Der Laden heißt nach | |
einen Sci-Fi-Film mit Sean Connery, in dem die Brutalen gegen die Ewigen | |
kämpfen. Die „Zardoz Vertriebsgesellschaft für Bild- und Tonträger“ | |
eröffnete den ersten Laden 1982 in der Osterstraße, weiter ging es in die | |
Lange Reihe, an den Altonaer Bahnhof und in die Ottenser Hauptstraße. Meist | |
wurde mit der Zeit die Miete zu hoch und Sorgenfrei musste mit seinen | |
Platten umziehen. „Wir waren schon immer so ein bisschen vom Pech | |
verfolgt“, sagt er. | |
Zu dem Pech gehört, dass Läden wie Zardoz die Viertel für Investoren | |
attraktiver machen und anschließend oft einer zahlungskräftigeren Klientel | |
weichen müssen. Das ist die sprichwörtliche Gentrifizierung „in a | |
nutshell“. | |
Dabei läuft das Geschäft mit dem alten Tonträgerformat derzeit gut. Der | |
Bundesverband der Musikindustrie hat für 2016 gegenüber dem Vorjahr ein | |
Plus von 46 Prozent im Verkauf von Schallplatten bilanziert. Auch der | |
Anteil am Gesamtmarkt wächst. Seit dem Vinyl-Boom der vergangenen Jahre ist | |
die Schallplatte auch als Lifestyle-Produkt wieder gefragt. | |
Sorgenfrei kennt den Trend aus dem Alltag. Er weiß, dass für limitierte und | |
aufwendig gestaltete Produkte viel Geld ausgeben wird. Dennoch: „Diesen | |
Trend zur Fetischisierung, zu teuren Box-Sets, hier noch einmal in Gelb mit | |
roten Sprengseln – geil finde ich das nicht.“ | |
Seit April ist die H&M-Tochter Weekday Nachbar von Zardoz. Weekday bietet | |
laut seiner Webseite für ein „dynamisches Shopping-Erlebnis“ auch | |
DJ-Kabinen an. D&R Investments preist das „trendy Hamburg Schanzenviertel“, | |
in dem der Rubel rollt. Auf dem Schulterblatt heißt es hinter vorgehaltener | |
Hand, dass die Zardoz-Fläche mit der von Weekday für den Einzug des | |
Mutterschiffs H&M zusammengelegt werden könnte. | |
## Hätte, hätte, Modekette | |
Dass eine weitere Kette in die frei werdenden Räume geht, steht wohl außer | |
Frage. Wer genau dort einziehen wird und ob die Entmietung im Kontorhaus | |
Montblanc noch andere Parteien betrifft, wollten aber weder D&R noch Bethge | |
& Partner beantworten. Auch H&M mochte sich dazu nicht äußern. | |
Für André Sorgenfrei geht es unabhängig davon weiter: Zardoz wird die | |
Plattenladendichte im Karoviertel weiter erhöhen, in der Marktstraße am | |
Ölmühlenplatz. Die neuen Nachbarn werden Wohnungsmieter sein, daher müsse | |
er in Zukunft auf die kleinen Freiheiten verzichten. Ob es etwa weiterhin | |
Ladenkonzerte geben werde, sei nicht absehbar. Und: „Hier am Schulterblatt | |
reiße ich manchmal nach Feierabend die Anlage richtig auf. Das schockt | |
schon.“ | |
17 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Leif Gütschow | |
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