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# taz.de -- Fußballfans am Pranger: Die Akte im Nirgendwo
> Die Dortmunder Staatsanwaltschaft lässt öffentlich nach neun Gladbacher
> Fans fahnden. Jetzt steht die Frage der Verhältnismäßigkeit im Raum.
Bild: Angespanntes Verhältnis: Behelmte PolizistInnen vor der Gladbacher Kurve
Berlin taz | Der Vorwurf der Gladbacher Fanhilfe wiegt schwer. Die
Rechtsberatungsorganisation beklagt den fahrlässigen Umgang der
juristischen Behörden mit dem sensiblen Instrument der
Öffentlichkeitsfahndung. Nach einem Überfall von Gladbacher Anhängern auf
einen Zug mit Dortmunder Fans im März 2016, bei dem unter Gewaltandrohung
und Gewaltanwendung Fanutensilien entwendet wurden, leitete die
Bundespolizei auf Beschluss des Dortmunder Amtsgerichts im März 2017 eine
Öffentlichkeitsfahndung ein. Die Zeitungen halfen bei der Tätersuche mit.
Die Fotos von neun Gladbacher Fans wurden etwa in der Bild-Zeitung, dem
Kölner Express und der Rheinischen Post abgedruckt.
Mittlerweile ist jedoch in vier Fällen mangels Beweisen das
Ermittlungsverfahren eingestellt worden. Die Gladbacher Fanhilfe beklagt
zum einen die offenbar juristisch nicht begründbare Bloßstellung von Fans,
die sich durch die Abbildung in den verbreiteten Medien und im Internet
Vorverurteilungen ausgesetzt sahen und sich um ihre Arbeitsplätze sorgten,
zum anderen greifen sie die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme an.
Mehrfach seien die vier Betroffenen von der Polizei bei
Identitätsfeststellungen erkennungsdienstlich erfasst worden. Man müsse
davon ausgehen, dass sie zudem in der Gewalttäter-Sport-Datei archiviert
seien. Ihre Identität hätte man leicht auf anderem Wege feststellen können.
Kurios ist, dass laut der Gladbacher Fanhilfe ein Anhänger, dessen
Verfahren nicht eingestellt wurde, zwei Monate vor der
Öffentlichkeitsfahndung einen Polizeischrieb in derselben Angelegenheit
erhielt. Seine Identität war also bereits bekannt.
Dabei sind die Hürden, die der Gesetzgeber für die Öffentlichkeitsfahndung
aufgebaut hat, hoch. Die Veröffentlichung von Abbildungen eines
Beschuldigten ist zulässig, wenn „die Feststellung der Identität eines
unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend
oder wesentlich erschwert wäre“, heißt es in Paragraf 131b der
Strafprozessordnung.
## Recherche im Dreieck
Die mit dem Fall betrauten juristischen Institutionen lassen die tazwie
beim Dreiecksspiel beim Fußballtraining routiniert ins Leere laufen. Im
einen Eck steht die Dortmunder Staatsanwaltschaft, die das Amtsgericht
Dortmund von der Notwendigkeit der Öffentlichkeitsfahndung überzeugte. Sie
könne Fragen zu der Unverhältnismäßigkeit nicht beantworten, weil die
Staatsanwaltschaft Mönchengladbach das Verfahren übernommen habe und dort
die Akte liege. Die dortige Staatsanwaltschaft erklärt, dass die Akte beim
Amtsgericht Mönchengladbach liege und man die in Dortmund gefällte
Entscheidung nicht kommentieren könne. Das Gladbacher Amtsgericht
argumentiert ähnlich und bittet, bei der Dortmunder Staatsanwaltschaft
nachzufragen.
Beim zweiten Abklappern der Dreiecksstationen zeigt die Gladbacher
Staatsanwaltschaft ein gewisses Einsehen. Lothar Gathen, Dezernent des
Verfahrens und stellvertretender Pressesprecher, versichert nach einem
Gespräch mit der Dortmunder Staatsanwaltschaft der taz: „Wir gehen davon
aus, dass die Entscheidung zur Öffentlichkeitsfahndung verhältnismäßig
gewesen ist.“ Die Gladbacher szenekundigen Beamten hätten sich die Fotos,
auf denen die angegriffenen Dortmunder Fans die Übeltäter erkannt hatten,
zuvor genau angeschaut. Zudem habe man auch einen Zugang zur
Gewalttäter-Datei-Sport gehabt. Die Frage, ob die betroffenen Gladbacher
Fans dort geführt werden, könnte in dem konkreten Fall nur die Dortmunder
Staatsanwaltschaft beantworten.
Deren Pressesprecher Henner Kruse verweist aber bekanntlich auf die
fehlende Akte. Zwar könnte er, wie Lothar Gathen einräumt, diese in
Gladbach beantragen, zumal eine Zweitakte angelegt wurde. Aber Gathen lässt
ausrichten, die Dortmunder Staatsanwaltschaft sehe dazu derzeit keinen
Anlass. Die mangelnde Aufklärungsbereitschaft stärkt nicht gerade das
Vertrauen darauf, dass in diesem Fall sorgfältig auf Recht und Gesetz
geachtet wurde. Gathen ist zwar fest davon überzeugt, aber dass die
Dortmunder einen Staatsanwalt mit dem Fall betraut habe, der ansonsten
nichts mit dem Fußball zu tun hat und dem die Insiderkenntnisse fehlen,
das, sagt er, verwundere ihn ein wenig.
Jannik Sorgatz, Sportredakteur von der Rheinischen Post, erklärt, man habe
ein gewisses Grundvertrauen gehabt, dass Öffentlichkeitsfahndungen nur nach
gewissenhafter Prüfung erfolgen. Deshalb habe man die Fotos der Gesuchten
abgebildet. Nach der Einstellung der vier Verfahren sei er aber
misstrauischer geworden. Er sagt: „Das habe ich so noch nicht erlebt.“
7 Feb 2018
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Fußballfans
Polizei
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FC St. Pauli
Bundesverfassungsgericht
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