# taz.de -- ZDF-Film „Ein namensloser Tag“: Ein Krimi ohne Spannung | |
> Volker Schlöndorff verfilmt einen Krimi von Bestsellerautor Friedrich | |
> Ani. Der erste Versuch als Kriminalfilmer gelingt ihm nur mäßig. | |
Bild: Jakob Franck (Thomas Thieme) verhört die Schwester (Ursina Lardi) der To… | |
Beim ZDF freuen sie sich natürlich wie Bolle: [1][„Volker Schlöndorff ist | |
bekannt für seine Literaturverfilmungen]. Man denke nur an ‚Die | |
Blechtrommel‘ nach Günter Grass oder ‚Homo Faber‘ nach Max Frisch. Wenn | |
solch ein Regisseur und Drehbuchautor sich eines preisgekrönten Krimis von | |
Bestsellerautor Friedrich Ani annimmt, dann verspricht das Qualität und | |
Unterhaltung at its best! ‚Der namenlose Tag‘ ist ein Coup …“ | |
Tatsächlich kommt Krimiautor Friedrich Ani auch bei Literaturkritikern | |
regelmäßig gut weg. Seine Nähe zum Fernsehen belegen bald ähnlich viele | |
Drehbücher wie Romane, etwa für mehrere München-„Tatorte“. Er hätte sich | |
selbst adaptieren können, aber Volker Schlöndorff ist eben ein | |
Autorenfilmer. Und das heißt, dass er seine Drehbücher selbst schreibt. | |
Selbst wenn es nur ein Krimi ist. | |
Aber was heißt hier „nur“? Hans-Christian Schmids gerade zweifach mit dem | |
[2][Deutschen Fernsehpreis gewürdigte Krimi-Miniserie „Das Verschwinden“] | |
war mit das Beste, was es 2017 bei den Öffentlich-Rechtlichen zu sehen gab. | |
Und selbst Christian Petzold, Klassensprecher der „Berliner Schule“, hat | |
bereits seinen dritten „Polizeiruf“ mit Matthias Brandt abgedreht. Er hat | |
die TV-Krimi-Konventionen dabei auf die Probe gestellt, das Genre aber | |
nicht verraten. Zu Petzolds lässig-distanziertem Spiel mit dem Genre gehört | |
beispielsweise, sein Personal über die Kriminalromane eines Garry Disher | |
oder die Kriminalfilme eines Jean-Pierre Melville reflektieren zu lassen, | |
beide hochverehrt. Und apropos Melville: Bei Melville hat einst Volker | |
Schlöndorff seine Filmkarriere als Regieassistent begonnen. Er hatte den | |
denkbar besten Lehrer. Wie also schlägt sich Volker Schlöndorff als | |
(Autoren-)Kriminalfilmer? | |
## Mit viel Moral | |
Gewohnt brummbärig-bräsig, diesmal jedoch in sich ruhend, stoisch statt | |
cholerisch, spielt der „Mann aus der Pfalz“ Thomas Thieme den Pensionär | |
Jakob Franck, früher bei der Polizei der „Todesbote“, dafür zuständig, | |
Angehörigen die Nachricht vom Tod eines ihrer Lieben zu überbringen. Das | |
ist ein sehr sensibles Unterfangen, man darf nicht „zu plumper Nüchternheit | |
oder zu falscher Anteilnahme“ neigen. Auf seiner hoch entwickelten | |
Empathiefähigkeit beruht auch die spezielle Ermittlungsmethode des | |
Kommissars a. D. – die „Gedankenfühligkeit“: „Um die Wahrheit zu erken… | |
durfte ich nicht mehr Kriminalist sein. Ich musste versuchen, mein | |
erlerntes Wissen zu vergessen. Meinen Sinnen zu vertrauen.“ | |
Dieser supersensible Franck wird also von einem Mann (Devid Striesow als | |
akkurat gescheitelter Kleinbürger) behelligt, dessen Frau er vor zwei | |
Jahren (im Buch sind es 20) die Nachricht vom Tod der 17-jährigen Tochter | |
überbracht hat: Suizid durch Erhängen. Oder doch Mord? Nachdem der | |
Kleinbürger nun auch noch seine Frau am Baum vor dem Haus baumelnd | |
vorgefunden hat, beschuldigt er Franck – bekniet ihn, den Tod der Tochter | |
noch einmal aufzurollen. Der brummt erst mal, Krimi-Standardsatz: „Die | |
Toten soll man ruhen lassen.“ Hielte er sich daran, wäre der Film hier | |
schon vorbei. | |
Vorsichtig formuliert: Spannung steht bei diesem Whodunit nicht hoch im | |
Kurs. Eher scheint es Ani/Schlöndorff um Psychologie und um das zu gehen, | |
was man gesellschaftliche Abgründe nennt. Und so scheint zumindest | |
Schlöndorff ständig Gefahr zu laufen, dass die biedermännische | |
Belanglosigkeit der vorgeführten Lebensläufe auf seinen Film überspringt. | |
Noch mal vorsichtig formuliert: Ein Petzold-Krimi kommt inspirierter daher. | |
Und weniger moralisierend. | |
Ein interessanter Nebenaspekt: Im November erst sah sich Schlöndorff | |
veranlasst, den [3][Schauspieler Dustin Hoffman gegen | |
„#MeToo“-Anschuldigungen in Schutz zu nehmen]. Die fraglichen Ereignisse | |
sollen sich einst bei den Dreharbeiten zu „Tod eines Handlungsreisenden“ | |
(1985) zugetragen haben. In seinem neuesten Werk nun lässt er die | |
Hauptfigur selbst übergriffig werden in einer Kneipensituation. Später | |
wähnt sich eine junge Frau durch Francks Frage an sie gleich als „Schlampe“ | |
diffamiert und knallt ihm an den Kopf: „Mehr Respekt, Herr Kommissar! Sonst | |
lesen Sie morgen etwas über sich in der Zeitung – und es wird Ihnen keine | |
Freude bereiten.“ Schlöndorff hat das im vergangenen Frühjahr so gedreht – | |
vor Weinstein und Hoffman und Wedel. | |
5 Feb 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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