# taz.de -- Schriftsteller Ani über bayerische Politik: „Ich hab fast Mitlei… | |
> Friedrich Ani hat Horst Seehofer in einem Gedicht als „Unchrist“ | |
> bezeichnet. Er weiß auch sonst gut, wo es gerade langgeht in Bayern. | |
Bild: Hat einen syrischen Vater und bayerischen Mutterwitz: Schriftsteller Frie… | |
taz am wochenende: Unter dem Titel „Ich glaube“ veröffentlichte die | |
Münchener AZ auf ihrer Titelseite Ihr Gedicht, in dem Sie Horst Seehofer | |
als „Unchrist“ bezeichnen und in dem es etwa heißt: „Ich glaube, dass ein | |
Mensch, der Ertrinkende als Touristen bezeichnet, seelisch begraben auf die | |
Welt gekommen sein muss“. Es gab [1][über 1.000 Leserbriefe] … | |
Friedrich Ani: Das habe ich als Polemik geschrieben und nicht geglaubt, | |
dass das überhaupt jemand gut finden würde. | |
Sehr viele Leute, darunter auch prominente Ex-Fußballer, haben sich bei | |
Ihnen bedankt – und Horst Seehofer hat sich sehr aufgeregt. | |
Es war halt so ein Wurf, den ein Schriftsteller mal machen kann. Als Bürger | |
mit demokratischer Verpflichtung. Das machen ja eh wenige, weil sich kaum | |
noch jemand traut. Aus Angst vor dem Shitstorm. | |
[2][Auf Facebook] haben Sie das Gedicht ohne die Zeile „Ich glaube, dass | |
Horst Seehofer dem Gedanken der Nächstenliebe so fern steht wie Beate | |
Zschäpe“ veröffentlicht. Warum? | |
Weil ich die falsch fand. | |
Den Vergleich mit einer Terroristin? | |
Ja. Stilistisch und inhaltlich. Das war eine Schraube, die da nicht | |
reingehörte. Es ging um Seehofer und mich und sonst um niemanden. Ich hatte | |
gehofft, die Redaktion nimmt den Satz selber raus. Hat sie dann aber nicht. | |
Ein paar Tage später haben Sie auf der Bühne der Münchener #ausgehetzt-Demo | |
gegen Horst Seehofer ein anderes Gedicht vorgelesen: „Denk ich an | |
Deutschland Tag um Tag, / fällt mir mein Vater ein, der Deutscher war, / | |
obwohl sein Land am Euphrat lag.“ War Ihnen das andere Gedicht unangenehm | |
geworden? | |
Nein. Aber diese kurze Polemik war mir zu wenig für den Anlass dieser Demo. | |
Ich war eingeladen worden, auf der Bühne zu sprechen, und dafür wollte ich | |
einen eigenen Text schreiben, der sich mit dem Thema Flüchtlinge und | |
Rassismus etc. beschäftigt. | |
Wächst Ihr Unbehagen, wenn Sie an Deutschland heute denken? | |
Ich verfalle nicht in Panik, aber das Unbehagen wächst. Es ist | |
beunruhigend, dass die AfD im Reichstag sitzt und dort ekelhafte Reden | |
schwingt, und es ist beunruhigend, zu sehen, dass die Bundesregierung und | |
die Kanzlerin zu schwach sind, [3][um den Rassismus und Neonazismus zu | |
benennen] und zu verscheuchen. Ich bin der Meinung, dass das nur von oben | |
passieren kann. Deutschland mit seinem wirtschaftlichen und politischen | |
Einfluss könnte allerdings viel mehr für eine stabile demokratische | |
Gesamtheit Europas tun. Aber das verschläft die Bundesregierung vollkommen. | |
Stattdessen erzählt der Innenminister derart gruselige Dinge, dass man | |
denkt: Kann der nicht einfach aufs Oktoberfest in die Geisterbahn gehen und | |
da die Leute erschrecken? | |
Die unlängst kursierende Forderung Kulturschaffender nach dem Rücktritt | |
Seehofers haben sie aber nicht unterschrieben. Warum nicht? | |
Ich finde es albern, meinen Namen auf einen Zettel zu setzen, wo | |
draufsteht: Seehofer geh nach Hause. Wen soll das interessieren? Das ist | |
was anderes, als sich in der Öffentlichkeit auf eine Bühne zu stellen und | |
was Eigenes zu machen, unter dem dann auch der eigene Name steht. | |
Sie sind in der oberbayerischen Gemeinde Kochel am See geboren, sind Sohn | |
eines Syrers und einer Schlesierin und leben seit 40 Jahren in München. | |
Warum nennen Ihre Freunde Sie Fritz? | |
Weil das die geläufige Abkürzung von Friedrich ist. | |
Nicht etwa, weil Sie zu preußisch wären für einen Bayern? | |
Tatsächlich bin ich nach meinem Großvater mütterlicherseits benannt, der | |
mit seiner Familie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus Schlesien nach | |
Bayern geflohen war. | |
Einer Ihrer berühmtesten Krimi-Kommissare trägt ebenfalls einen für Bayern | |
ungewöhnlichen Namen: Tabor Süden. Wie kamen Sie auf den? | |
Hab ich nie rausgefunden. Es war mein Künstlername zwischen meinem 15. und | |
16. Lebensjahr. | |
Was haben Sie damals geschrieben? | |
Seit ich 11 war, hab ich Kurzgeschichten und Stücke geschrieben. Aber nie | |
wurde was veröffentlicht. Meinen ersten Kriminalroman hab ich ja erst mit | |
37 geschrieben, „Killing Giesing“, 1996 war das, mit drei toten | |
CSU-Politikern. | |
Ihre Großeltern waren Kellner, Ihr Vater Arzt, Ihre Mutter Hausfrau, wie | |
haben Sie das Schreiben entdeckt? | |
Ein Auslöser war sicher mein Deutschlehrer, der mir in der sechsten Klasse | |
nicht geglaubt hat, dass ich den Aufsatz selber geschrieben habe. „Das gibt | |
Rache“, hab ich gedacht. Seitdem hab ich nicht mehr aufgehört zu schreiben. | |
Sie haben mittlerweile über fünfzig Romane, Gedichtbände, Bühnenstücke, | |
dazu Dutzende Drehbücher und Hörspiele geschrieben … | |
Es ist halt sehr viel passiert in den letzten zwanzig Jahren. Die zwanzig | |
Jahre davor hab ich fast nichts veröffentlicht. | |
Warum? | |
Weil niemand das haben wollte und ich es nicht hingekriegt habe. Die | |
Klaviatur, auf der ich meine Geschichten spielen kann, habe ich sehr spät | |
entdeckt. Ich hab vorher einfach nicht den Ton und das Koordinatensystem | |
gefunden für das, was ich erzählen wollte. Aber nicht, weil ich dachte, | |
Kriminalromane seien niedere Literatur oder ich bin was Besseres. Ich war | |
einfach zu blöd zu erkennen, was gut für mich ist. | |
Ihre Kommissare und Figuren sind eher stille Typen, die auf dutzend | |
verschiedene Arten Schweigen können. Sie mögen das Reden auch nicht so? | |
Nein. Ich hatte immer den Eindruck, dass ich mich erstens nicht richtig | |
ausdrücken kann, und zweitens, dass mir eh keiner zuhört. | |
Wieso das? | |
Na, weil es so war. Ich fühlte mich in allgemeine Gespräche der Eltern und | |
Erwachsenen nie einbezogen. Das Schreiben hab ich als Höhle entdeckt, in | |
der es mir relativ gut ging. Das Schreiben war mein panic room. | |
Eines Ihrer größten Themen sind Vermisste. Was fasziniert Sie daran? | |
Ich wollte immer verschwunden sein. Ich wollte nicht in den Bergen und im | |
Dorf sein. Ich wollte weg sein. Aber ich wollte nicht vermisst werden, | |
sondern die Erfahrung machen, wie es ist, ungekannt zu sein. So wie in den | |
Abenteuerbüchern, wo jemand auf einer Insel strandet oder sonst wo landet. | |
Zwei Ihrer Romane „M“ und „German Angst“ spielen im rechten Milieu | |
Münchens. Haben Sie dafür in der rechten Szene recherchiert? | |
Ja klar. Da muss man halt danach die Telefonnummer wechseln. | |
Wegen Drohungen? | |
Ja. | |
Sie haben auch den Fall Peggy in „Das unsichtbare Mädchen“ verarbeitet – | |
liegen Ihren Romanen immer echte Fälle zugrunde? | |
Ich denke, das ist bei allen Kriminalromanen der Fall. Es sind nicht immer | |
spektakuläre oder dramatische Kriminalfälle, aber Schicksale oder | |
Begebenheiten aus der Realität, die ich aufgreife. Zuerst aber geistern mir | |
die Figuren durch den Kopf, dann die Geschichte und dann erst das Thema. | |
Ihre Bücher spielen alle in Bayern. Sind Ihre Leser typische | |
Regio-Krimi-Leser? | |
Der klassische Krimi-Leser liest viel und schnell. Meine Sachen sind da | |
eher hürdenbesetzt. Das ist ein gewisses Problem, also auch von der | |
Vermarktung her. Aber auch in der Belletristik gibt es ja sehr verschiedene | |
Segmente. | |
Auf Ihren Covern steht Roman, nicht Krimi. Was ist der Unterschied? | |
Bei mir geht es immer mehr um die Konflikte der Figuren und weniger um mehr | |
oder weniger lustige Polizisten mit verschrobenen Ermittlungsmethoden. Das | |
interessiert mich nicht. Auch wenn ich mich in dem Milieu nach jahrelangen | |
Recherchen ziemlich gut auskenne. Aber ich habe kein Interesse an | |
Polizeibelobigungsromanen. Meine Polizei soll normal sein, auch zwielichtig | |
manchmal. | |
Sie haben mal gesagt, Ihr Detektiv, der schweigsame Tabor Süden, sei Ihnen | |
ähnlich. In Ihrem nun bei Suhrkamp erscheinenden Roman „Der Narr und die | |
Maschine“ scheint eher der vermisste Schriftsteller Cornelius Hallig Ihr | |
Alter Ego zu sein. | |
Nur, weil der Schriftsteller ist? | |
Er hat Krimis geschrieben, die verfilmt wurden, spricht nicht viel und | |
wohnt im Hotel, was Sie angeblich auch hin und wieder tun, wenn Sie | |
schreiben. | |
Stimmt schon. Das ist vielleicht mein bisher persönlichster Text und eine | |
Art Tiefenbohrung in mein Schreibzimmer. Aber nicht, weil es | |
autobiografisch wäre, sondern weil es um die Sicht auf einen Autor geht. | |
Cornelius Hallig ist aber nicht an mich, sondern an Cornell Woolrich | |
angelehnt, einem Kriminalautor aus dem frühen 20. Jahrhundert, den ich sehr | |
verehre und der 1968, also vor genau 50 Jahren starb. | |
Waren Sie in Bayern mal persönlich Rassismus ausgesetzt? | |
Nie. In Kochel am See war damals schon ein Goethe-Institut, in das viele | |
Afrikaner kamen, um Deutsch zu lernen. Natürlich bin ich später in meinem | |
Leben Leuten begegnet, die dummes Zeug erzählten. Aber ich bin nie | |
persönlich beleidigt worden. Kochel ist im Übrigen auch heute solidarisch | |
mit den Flüchtlingen. Das Arrogante kam eher von meiner Seite, weil ich | |
mich nicht zugehörig fühlte. Das hatte aber nichts mit Halb-Syrer und | |
Bayern zu tun, sondern mit meinem Blick aufs Leben. Ich bin nur einmal aus | |
dem Unterricht geschmissen worden: am Tag, als die Terroristen in Stammheim | |
tot aufgefunden wurden. Da bin ich aufgestanden und hab gesagt: | |
„Solidarität“ und „Mord“. | |
Wollten Sie Terrorist werden? | |
Nein. Ich hab dann den Kriegsdienst verweigert und in einem Heim für schwer | |
erziehbare Jungs gearbeitet. Das hat mich sehr geprägt. | |
Hatte es Ihr Vater schwerer? | |
Er hat nie über Rassismus gesprochen. Aber ich war derart sensibel, dass | |
mir aufgefallen wäre, wenn es so etwas gegeben hätte. Auch meine Mutter hat | |
nie so was erzählt. Mein Vater hatte seit den 70ern eine Landarztpraxis in | |
der Gegend. Die Einheimischen haben gespürt, dass der Typ was kann und vor | |
allem dass er keine Angst hat. Keine Angst zu haben vor dem Bayern und | |
seinem Schäferhund, das ist ganz wichtig in Bayern. | |
Und dass man Dialekt spricht? | |
Meine Eltern sprachen keinen Dialekt. Der Vater hat eh wenig gesprochen. | |
Bei mir hängt es immer davon ab, wie ich grade drauf bin. Das Münchnerisch | |
war mir aber immer näher. Das krachende Oberbayerisch, das ich als Kind | |
gesprochen habe, ist weg. Ich hatte eine Phase als Schulkind, wo ich nur | |
gradliniges Hochdeutsch sprach. Das war brutal wichtig für mich und so | |
schwer wie eine Fremdsprache lernen. Ich hatte einen Freund, der so | |
gesprochen hat, das fand ich toll: so zu sprechen, wie man liest. | |
Sie haben Drehbücher für den Tatort und andere Polizeiserien geschrieben, | |
Volker Schlöndorff und Dominik Graf haben Ihre Krimis verfilmt. Gucken Sie | |
Tatort? | |
In letzter Zeit weniger, weil die Filme mir manchmal zu leitartikelmäßig | |
sind und zu viele Themen verhandelt werden. Mich überfordern auch die | |
vielen verschiedenen Schauspieler und Tatort-Tatorte. | |
Ausgerechnet mit Szenen aus München beginnt seit 40 Jahren der deutsche | |
Sonntagfernsehabend – mit der Lindenstraße. | |
Das Bayerische hat einen Unterhaltungswert wie kaum eine andere Region | |
inklusive der Sprache, die natürlich Fernsehbayerisch ist. So viel | |
Kuhfladen kann man gar nicht werfen, so bescheuert sind die meisten dieser | |
bayerischen Polizei-Serien. Das Bayerische und das damit verbundene | |
Ausgestellte, Touristische gilt halt als exotisch: Dem Bayer geht es gut, | |
da hinten sind die Berge, die Sonne scheint. | |
Ein Mythos? | |
Bayern schaut immer gleich aus, egal, wie viele Weltkriege darüber | |
hinweggingen. Es ist nun mal eine von der Landschaft geprägte Gegend. Das | |
hat etwas Unerschütterliches und sieht immer gut aus, dieses hübsche, | |
weiß-blaue, gut ausgeleuchtete Bild vom Leben. | |
Bezeichnen Sie sich als Bayer? | |
Nein. Ich bin Münchner. Gäbe es einen Münchner Pass, hätte ich mich längst | |
darum beworben. Ich war schon als Kind eher Münchner, obwohl ich im Dorf | |
geboren und aufgewachsen bin. Die Art, wie man hier ist und wie man redet. | |
Das dörfliche Leben fand ich immer schrecklich. Ich mochte die Berge nie. | |
Ich hab nie so einen sinnlichen Zugang gefunden zu dem Leben dort. Ich bin | |
auch Ski gefahren, ich bin auch auf den Berg und in der Natur | |
umeinandergekraxelt. Straßenbahn, U-Bahn, Hochhaus. Das war für mich wie | |
eine Welt aus „Perry Rhodan“. Ich wollte eigentlich nirgends anders in | |
meinem Leben sein als in München. Tatsächlich bin ich auch nicht | |
weggekommen! Ich bin ein Mega-Münchner. | |
Also eher Moshammer als Messner? | |
Die taugen beide nicht, um mich zu beschreiben. Aber Messner auf gar keinen | |
Fall. Einer, der auf Berge steigt! | |
Sie leben aber ausgerechnet im idyllisch-dörflichen Stadtteil Giesing. | |
Das ist Zufall. Ich bin Ende der 80er aus Schwabing weg, weil es dort | |
bergab ging. Meine damalige Freundin wohnte in Giesing und jetzt lebe ich | |
da halt seit 30 Jahren. Ich würd aber jetzt gerne wieder zurück nach | |
Schwabing, in die Ecke mit den Studenten und Bars. | |
Warum sind Sie FC-Bayern-Fan? | |
Weil ich das seit meiner Kindheit bin. Das kann ich ja nicht ändern, nur | |
weil ich in Giesing lebe. Ich genieße als Roter Exil im blauen Giesing. | |
Gehen Sie trotzdem manchmal ins Stadion von 1860 München? | |
Natürlich nicht. | |
Auch nicht, um die Stimmung mal mitzubekommen? | |
Es ist ja sowieso immer ausverkauft, und die Stimmung hör ich von meiner | |
Wohnung aus. Superstimmung! | |
Trauern Sie dem alten München nach? | |
Große Städte neigen dazu, sich zu wandeln und ihre Gesichter zu liften. | |
München ist eine geliftete Stadt. Es gibt ein großes Wohnungs- und | |
Mietproblem. Aber Zuzug und Gentrifizierung haben auch einen positiven | |
Effekt: die Stadt bleibt jung und in Bewegung. | |
Und sieht mehr und mehr wie eine schöne Parkanlage oder eine hübsche | |
Ausstellung aus. | |
Die Stadt hat sehr normale, sehr ruppige, sehr raue und sehr graue Ecken. | |
Aber dieses Ausgestelltsein und Sichselberausstellen gibt es schon immer. | |
Das hat schon Helmut Dietl in „Kir Royal“ gezeigt. Jetzt ist grad Wiesn. | |
Da laufen alle in Lederhosen und Dirndl rum. Das ist eine einzige | |
Ausstellung. Und es herrschte in München auch schon immer eine große | |
Albernheit. Das ist eigentlich ganz charmant. Man kann das auch als | |
Schauspiel betrachten und sich Leute wie den Moshammer und andere angucken, | |
als sei man in einer Sonderausstellung über skurrile Zweibeiner. | |
Gehen Sie skurrile Zweibeiner auf der Wiesn gucken? | |
Nicht freiwillig. Nur, wenn mich jemand einlädt. Alkohol krieg ich ja eh | |
das ganze Jahr. | |
Gibt es einen Sehnsuchtsort? | |
Die Nordsee. Ich fahre ja zum Durchatmen und Schreiben jedes Jahr nach | |
Sylt. Und ich liebe die Friesen. | |
Als Gegenteil der Bayern? | |
Die Friesen sind still und reden nicht viel und haben eine schöne Sprache. | |
Und die bayerische Gegend interessiert Sie nicht? | |
Ich bin mit viel Gegend aufgewachsen und ich mag sie nicht. Mein Silo ist | |
voll. Was sehe ich denn da? Wiesen, Kühe, paar andere Häuser. Kenne ich | |
alles. | |
Das regt Sie eher auf, als dass es Sie beruhigt? | |
Nein. Es macht mich müde und ratlos. Über den Zustand der Aufregung bin ich | |
lange hinaus. | |
Die AfD könnte drittstärkste Partei in Bayern werden. | |
Das ist irre, ja. Den Bayern geht es doch gut. Das Kommen der Flüchtlinge | |
wurde reguliert. Alles gut. Aber die CSU hat völlig versagt. Die wäre dafür | |
zuständig gewesen, rechte Kräfte zu bündeln und zu normalisieren. | |
Stattdessen wurden Wörter wie „Asyltourismus“ erfunden, um die Leute vom | |
rechten Rand zurückzuholen. Das klappt aber nicht. Das klappt auch deswegen | |
nicht, weil Söder nicht überzeugend ist. | |
Was überzeugt an Söder nicht? | |
Alles. Er ist [4][komplett unglaubwürdig]. Schaut man auf den CSU-Plakaten | |
in sein Gesicht, weiß man sofort, dass er ein Schauspieler ist, dem man | |
nicht mal einen gebrauchten Škoda abkaufen würde. Söder hat nichts von | |
einem Landesvater, und das aber hat der bayerische Mensch halt gern. Und | |
dann hat er noch diesen verrückten Onkel in Berlin sitzen, der ihm den Rest | |
verhagelt. | |
Der Landesvater versucht gerade die Bundesregierung an die Wand zu fahren. | |
Ich hab fast Mitleid mit der CSU. Die haben völlig ihre Richtung verloren. | |
Die CSU verhält sich wie jemand, der auf dem Oktoberfest sieben Maß | |
getrunken hat und dann Autoscooter fährt. Ständig stößt er irgendwo an und | |
weiß nicht, warum. Die CSU heute: volltrunken im Autoscooter. Ist schon | |
hart. Das hat die Partei nicht verdient. | |
Warum? | |
Weil es eine demokratische Partei ist. Die muss man nicht mögen. Aber dass | |
das demokratische Prinzip, das immer hinter der CSU stand, jetzt so | |
ausfranst, ist bedenklich. | |
Wählen Sie CSU? | |
Naa. Niemals. Das macht man einfach nicht, wenn man Münchner ist. | |
Andererseits stell ich mich auch nicht hin und verdamme und verurteile die | |
CSU und wünsche ihnen die Niederlage. Aber die Partei deswegen gleich zu | |
wählen, das geht zu weit. | |
Spricht man in Münchner Kulturkreisen davon, strategisch gegen die AfD zu | |
wählen? | |
Das weiß ich nicht. Ich rede selten mit Leuten über Politik. Ich jedenfalls | |
wähle die Partei, die ich wählen will. Denn ich bin es, der sich im Spiegel | |
anschauen muss. | |
Gibt es eine politische Figur, die Ihnen Hoffnung macht? Robert Habeck zum | |
Beispiel scheint in Bayern gut anzukommen. | |
Der Oliver-Kahn-Lookalike? | |
Ja. | |
Ich sehe keine solche Figur. Aber mit einigem fröhlichen Optimismus | |
beobachte ich die Grünen als Option für die Zukunft. | |
Ihre Prognose für die Bayernwahl? | |
Es lässt sich in Bayern nichts prognostizieren. Der CSU-Wähler ist und war | |
immer unlenkbar. | |
Ein Schläfer-Wähler sozusagen. | |
Genau. High Noon in Bayern ist am Wahltag um 18 Uhr. Lustig wäre, wenn der | |
Söder mit den Grünen koalieren müsste. Dann verliert er automatisch sofort | |
den Großteil seiner Anhänger. Und der Onkel in Berlin lacht sich kaputt. | |
7 Oct 2018 | |
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[1] https://www.pressreader.com/germany/abendzeitung-m%C3%BCnchen/20180714/2821… | |
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[3] /Kommentar-Merkels-Worte-gegen-Nazis/!5226099 | |
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## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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