# taz.de -- Korruption bei Flüchtlingshilfe: Uganda ist jetzt nicht mehr Vorbi… | |
> Uganda galt als Musterbeispiel bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Doch | |
> Hilfsgelder kamen wiederholt nicht an. Die Korruption hat System. | |
Bild: Südsudanesische Flüchtlinge in Bidi-Bidi spielen Fußball | |
Kampala taz | Wenn UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi nach Uganda | |
kommt, herrscht normalerweise gute Stimmung. Uganda gilt als Musterpartner. | |
Doch als der UNHCR-Chef am Dienstag in Ugandas Hauptstadt Kampala eintraf, | |
hing der Haussegen schief. Nach einem kurzen Abstecher mit dem Hubschrauber | |
in die Flüchtlingslager im Norden traf er sich mit Premierminister Ruhakana | |
Rugunda. Als die Journalisten mit zwei Stunden Verspätung in den | |
Konferenzsaal gebeten wurden, herrschte dicke Luft. | |
In knappen Worten lobte Grandi: „Uganda ist ein Musterland in Sachen | |
Flüchtlingspolitik.“ Er rief zu Frieden in den Herkunftsländern Südsudan | |
und Kongo auf. Dann ließ er Fragen zu. Auf die Frage der taz, welche | |
Konsequenzen drohten, wenn sich herausstelle, dass Ugandas Regierung die | |
knappen Hilfsgelder für die Flüchtlinge veruntreue, wurde der UNHCR-Chef | |
bitterernst: „Wir haben eine Null-Toleranzpolitik gegenüber Korruption.“ | |
Wenn die Anschuldigungen wahr seien, „müssen wir Sanktionen einleiten“. | |
Jeder verschwundene Cent müsse zurückbezahlt werden. | |
Das saß. Kaum war die Pressekonferenz vorbei, stürmte Ugandas Premier mit | |
seiner Delegation aus dem Raum. Grandi stand allein auf dem Flur. | |
## Uganda galt als Vorbild | |
Es mehren sich die Indizien, dass Hilfsgelder für Flüchtlinge in Uganda | |
veruntreut werden. Das ist ein Problem nicht nur für Uganda, sondern für | |
die internationale Flüchtlingspolitik. Uganda gilt als Vorbild. Es | |
beherbergt mehr Flüchtlinge als jedes andere Land Afrikas, es hat eine der | |
liberalsten Flüchtlingspolitiken weltweit: Jeder bekommt eine | |
Arbeitserlaubnis sowie ein Stück Land. | |
Dafür ist Ugandas Regierung auf Hilfe angewiesen. Im Juni 2017 lud sie zum | |
Solidaritätsgipfel. UN-Generalsekretär Antonio Guterres kam aus New York | |
nach Kampala, Die Regierung präsentierte ihre Willkommenskultur und | |
appellierte: Bis zu zwei Milliarden Dollar würden pro Jahr benötigt. Die | |
Deutschen sind besonders spendabel. Im August kam Außenminister Sigmar | |
Gabriel, Berlin machte für Uganda 55 Millionen Dollar locker und weitere 16 | |
Millionen Euro für das UNHCR in Uganda. Deutschland ist nun der größte | |
einzelne Geldgeber. | |
## „Re-Hope“ | |
Um Uganda zu unterstützen, hat der UNHCR ein neues Hilfsmodell entwickelt: | |
„Re-Hope“. Mindestens 30 Prozent der Hilfsgelder fließen in lokale | |
Infrastruktur. Denn Ugandas Grenzregionen zu Südsudan, vor allem westlich | |
des Nils, sind bitterarm. Es gibt kaum Straßen, nur wenige Brunnen, keinen | |
Strom, geschweige denn Krankenhäuser oder Schulen – aber vielerorts mehr | |
Flüchtlinge als Einheimische. | |
Ismail Ogama ist Parlamentsabgeordneter für den Wahlkreis Lower Madi im | |
Bezirk Arua, jenseits des Nils. Dort leben 85.000 Flüchtlinge in drei | |
gewaltigen Lagern, darunter das „Rhino-Camp“, eines der ältesten in Uganda. | |
Die Zahl der ugandischen Einwohner: nur 28.000. Aber ihren Gemeinden gehört | |
das Land, wo die Lager stehen. „Die lokale Bevölkerung hat keinen Zugang zu | |
den Krankenhäusern und Schulen im Lager“, kritisiert Ogama. | |
„Re-Hope“ soll das ändern. Eine Million Dollar Hilfsgelder fließen seit | |
Juni 2017 jedes halbe Jahr in den Aufbau von Schulen und Kliniken für | |
Ugander und Flüchtlinge gleichermaßen. Das Geld, vom UNHCR kanalisiert, | |
landet im Büro des Premierministers, dessen Flüchtlingskommission zuständig | |
ist, und von dort aus in den Bezirken. „Doch der Bezirksvorsteher hat das | |
Geld vor allem in seiner Heimatregion investiert, wo es gar keine | |
Flüchtlinge gibt“, klagt Abgeordneter Ogama. | |
Ogama zeigt Dokumente: 180 Millionen Schilling, umgerechnet rund 170.000 | |
Euro, seien für Fahrzeuge ausgegeben worden. „Wir haben diese Autos aber | |
nie gesehen“, so Ogama. Er legt Abrechnungen aus der Bezirksverwaltung von | |
Arua vor: Straßen, die weit weg von den Lagern liegen; Schulen, die das | |
UNHCR gebaut hat und die die Bezirksverwaltung mutmaßlich ein zweites Mal | |
abgerechnet hat. „Da wird Misswirtschaft betrieben“, ist sich Ogama sicher. | |
Auch Ugandas Innenminister Obiga Kania hat seinen Wahlbezirk in Arua. Er | |
bestätigt: „Der ganze Prozess ist nicht transparent.“ Vor zwei Wochen legte | |
der Generalinspektor der ugandischen Regierung, eine Art | |
Rechnungsprüfstelle, einen Untersuchungsbericht vor. Darin findet sich eine | |
Rangliste der ugandischen Bezirke nach Korruption. An zweiter Stelle, nach | |
der Hauptstadt Kampala: Arua. | |
## Problem unsichtbare Korruption | |
Das Problem ist alt. Der taz liegen Anklagen gegen vier für Arua zuständige | |
Angestellte der Flüchtlingskommission wegen Veruntreuung vor. Die Beweise | |
stammen aus dem Jahr 2014. Lokale Journalisten in Arua berichten, dass | |
bereits 2008 Geld aus dem Flüchtlingsbudget verschwunden sei. „Nur die | |
Spitze des Eisbergs“, heißt es. | |
Sichtbare Korruption auf Bezirksebene sei eine Sache, sagt Vincent | |
Katungye, Chef der lokalen NGO CEGED. Die andere sei die unsichtbare | |
Korruption. Ein Hilfswerk erhalte den Zuschlag für ein Projekt unter der | |
Vorgabe, einen Teil seiner Gelder lokal zu investieren. Aber, so Katungye: | |
„Die Bevölkerung erfährt das nicht. Sie kann so gar nicht prüfen, ob ihr | |
Krankenhaus wirklich gebaut wurde.“ Die Politiker könnten die für lokale | |
Vorhaben reservierten Gelder einfach verschwinden lassen. Ogama und Kania | |
bestätigen: Sie haben als Abgeordnete nie Zahlen und Projektpläne für ihre | |
Wahlkreise gesehen. | |
Das Dilemma ist strukturell. Hilfswerke müssen sich bei Ugandas Regierung | |
„bewerben“, um den Zuschlag für ein Hilfsprojekt zu erhalten, auch wenn die | |
Gelder aus dem Ausland kommen. Je mehr eine NGO jenseits der | |
Flüchtlingslager investiert, desto eher bekommt sie das Projekt – und umso | |
mehr Geld kann auf Bezirksebene verschwinden. | |
## UNHCR will aufklären | |
Ugandas Flüchtlingskommission, so betätigen internationale Helfer der taz, | |
hat ihre lokalen „Lieblings-NGOs“, die Politikern und ihren Familien | |
nahestehen. Ende 2017 veröffentlichte das UNHCR die Liste der lokalen | |
Partner, die Ugandas Regierung für 2018 ausgesucht hat. Darauf stehen vor | |
allem kirchliche Gruppen. | |
Ein Leiter einer ugandischen NGO berichtet der taz: „Die Regierung hat mir | |
4,5 Millionen Dollar für die Umsetzung eines Projekts angeboten, für das | |
wir uns gar nicht beworben haben.“ Drei Millionen davon hätten aber an eine | |
andere NGO vergeben werden müssen, die gewissen Leuten in der Politik | |
nahestehe. „Das Geschäft mit den Flüchtlingen ist sehr korrupt“, klagt der | |
NGO-Chef. | |
Das UNHCR sagt, es sei dabei, die Anschuldigungen aufzuklären. Man habe | |
schon einiges gefunden: Aus einem 4-Millionen-Dollar Projekt in Arua seien | |
rund 200.000 Dollar nicht in der Buchhaltung aufgetaucht. Ein | |
UNHCR-Vertreter versichert: „Sobald wir alle Beweise zusammen haben, werden | |
wir unseren Geldgebern berichten.“ | |
1 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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