# taz.de -- Haus der Statistik: Die Zukunft hat begonnen | |
> Nach langem Ringen haben Senat, Bezirk und die Initiative eine | |
> Kooperation vereinbart. Nun geht es darum, wer die begehrten Plätze | |
> bekommt. | |
Bild: Senat, Bezirk, WBM, BIM, alles sind dabei | |
Gerade eben hat Ephraim Gothe, Baustadtrat von Mitte, davon gesprochen, wie | |
wichtig der Umgang miteinander sei. „Ohne Vertrauen“, sagte der | |
SPD-Politiker, „kriegt man ein solches Projekt nicht bewegt.“ Als er von | |
der Bühne steigt, tippt ihn Florian Schmidt auf die Schulter, eine | |
freundschaftliche Geste, die heißen soll: Nicht vergessen zu | |
unterschreiben. Gothe lächelt. Natürlich unterschreibt er. Dazu ist er an | |
diesem Montag schließlich ins Zentrum für Kunst und Urbanistik in Moabit | |
gekommen. | |
Zu ihrem fünften Vernetzungsworkshop hatte die Initiative Haus der | |
Statistik geladen, aber eigentlich war es eine Art Betriebsfeier. Ins raue | |
Ambiente der Moabiter Fabrikhalle waren nicht nur 150 Aktivisten und | |
Ateliersuchende gekommen, sondern auch der Finanzsenator, die Bausenatorin, | |
der Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Mitte sowie der Chef der | |
landeseigenen Berliner Immobiliengesellschaft BIM. Feierlaune stand dem | |
einen oder der anderen im Gesicht geschrieben. Bausenatorin Katrin | |
Lompscher (Linke): „Wir freuen uns auf das, was kommt.“ Dann unterschrieb | |
auch sie. | |
Es ist eine Kooperationsvereinbarung, unter der neben Gothe und Lompscher | |
auch WBM-Chef Jan-Robert Kowalewski, BIM-Chef Sven Lemiss und Christian | |
Schöningh von der Genossenschaft Zusammenkunft ihre Unterschrift setzen. | |
Nun ist geregelt, wie viel der 65.000 Quadratmeter Fläche im Haus der | |
Statistik an Behörden, Wohnungen und an die Kultur gehen sollen. In den | |
Bestandsgebäuden werden 80 Prozent für Verwaltung und 20 Prozent für die | |
Initiative zur Verfügung stehen. Im Neubau bekommt die Initiative 40 | |
Prozent, 60 Prozent sind für Behörden vorgesehen. Den Wohnungsbau teilen | |
sich die WBM mit 80 Prozent und die Genossenschaft mit 20 Prozent. Wie die | |
Flächen der Initiative, immerhin 15.000 Quadratmeter, verteilt werden, soll | |
nun bis August entschieden werden. | |
Als die Initiative vor zweieinhalb Jahren ihre Pläne für ein „Zentrum für | |
Geflüchtete, Soziales, Kunst und Kreative“ vorgestellt hatte, war an eine | |
solch erfolgreiche Entwicklung nicht zu denken. Das seit 2008 leerstehende | |
Statistik-Haus der DDR gehörte dem Bund, und dessen Bundesanstalt für | |
Immobilienangelegenheiten (Bima) dachte gar nicht daran, den Gebäudekomplex | |
an der Otto-Braun-Straße an das Land Berlin zu verkaufen. Vielmehr | |
verfolgte der Bund das Ziel, das Gebäude möglichst teuer zu verkaufen. Ein | |
neuer Eigentümer hätte es abreißen und das Areal neu bebauen können. So sah | |
es auch der bis heute gültige Bebauungsplan vor. | |
Doch inzwischen hat sich viel verändert. Das Rathaus Mitte an der | |
Karl-Marx-Allee hat gerade wieder für viel Geld seinen Besitzer gewechselt. | |
Spätestens bis 2018 muss das Bezirksamt eine neue Bleibe gefunden haben, | |
dann läuft der Mietvertrag aus. Berlins Finanzsenator Matthias | |
Kollatz-Ahnen (SPD) hat sich deshalb früh darauf festgelegt, dass ins Haus | |
der Statistik vorrangig Behörden ziehen sollen. Darüber hinaus hatte seine | |
Verwaltung dem Plan, im Gebäuderiegel an der Otto-Braun-Straße | |
Flüchtlingswohnungen zu bauen, eine Absage erteilt. Zu laut, fand | |
Finanzstaatssekretärin Margaretha Sudhof. | |
Dass es darüber nicht zum Streit mit der Initiative kam, hatte zwei Gründe. | |
Zum einen hatte Kollatz-Ahnen immer ein offenes Ohr für die Aktivisten des | |
Hauses der Statistik gehabt. Zum anderen hatte der Bund Entgegenkommen | |
signalisiert. Allerdings würde man das Haus der Statistik nur verkaufen, | |
wenn es als Verwaltungsstandort genutzt werden könne. Inzwischen ist der | |
Verkauf vollzogen. Im Juli war das Gebäude im Rahmen des | |
Hauptstadtfinanzierungsvertrags an Berlin überschrieben worden. Der | |
Kaufpreis soll 50 Millionen betragen haben. | |
Beim Vernetzungsratschlag am Montag bekräftigt Finanzsenator Kollatz-Ahnen | |
noch einmal, dass er dem Bund gegenüber eine sogenannte | |
Zweckbindungserklärung für die Nutzung als Behördenstandort abgegeben habe. | |
„Sonst hätten wir es nicht bekommen“, so Kollatz-Ahnen. Diese Erklärung s… | |
auch der Grund, dass die Initiative im Bestand nur 20 Prozent der Fläche | |
bespielen könne. Dies wird sich auf das Haus A konzentrieren, den markanten | |
Kopfbau des Ensembles an der Karl-Marx-Allee. „Im Neubau wird die | |
Initiative dann mehr Fläche haben“, so der Finanzsenator, der als Einziger | |
die Kooperationsvereinbarung nicht unterzeichnet. Zur Begründung sagt er, | |
seine Verwaltung sei bereits durch die BIM vertreten. „Aber wir bekennen | |
uns zu dem Prozess, der nun begonnen hat.“ | |
## Das Interesse ist riesig | |
Nach der Unterzeichnung teilen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des | |
Treffens in verschiedene Workshops auf. Dabei wird deutlich, dass das | |
Interesse an Räumen im Haus der Statistik riesig ist. Nicht nur Künstler, | |
die ihre Miete in Ateliers nicht mehr zahlen können, sind interessiert. | |
Auch das Pariser „Institute du monde arabe“ habe bereits Interesse | |
angemeldet, eine Filiale in Berlin zu gründen, sagt Andrea Hofmann von der | |
Genossenschaft Zusammenkunft, die das Vergabeverfahren nun koordinieren | |
soll. „Die große Kunst dabei wird es sein, den Vergabeprozess transparent | |
zu gestalten“, betont sie. | |
Ein erster sichtbarer Schritt in der nächsten Zeit wird die Eröffnung des | |
Pavillons sein, in dem vor einiger Zeit noch ein Fahrradladen untergebracht | |
war. Hier soll eine Art Schaufenster für die Aktivitäten von Initiative und | |
Genossenschaft entstehen. | |
Am Ende weist Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe noch mal auf den | |
ambitionierten Zeitplan hin. Denn die nun erzielte Einigung erfordert auch | |
die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans. „Wir wissen nicht, was die | |
nächsten Wahlen 2021 bringen“, sagt er. „Aber was wir bis dahin eintüten, | |
hält.“ Um die Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte zu | |
überzeugen, solle man bei der Planung auch eng mit dem | |
Stadtentwicklungsausschuss des Bezirksparlaments zusammenarbeiten. | |
Gleichzeitig spricht sich Gothe für einen „qualitätsvollen Städtebau“ au… | |
der auch die Freiflächen miteinbezieht. Angedacht ist etwa der Abriss der | |
Verbindungsbauten zwischen den Bestandsgebäuden, um eine bessere | |
Durchwegung zu erreichen. In den Erdgeschossen soll sich zudem die ganze | |
Vielfalt der Nutzer im künftigen Haus der Statistik widerspiegeln. | |
Wenn alles klappt, wird bis 2023 am Alex ein neuer, aufregender Ort | |
entstanden sein. Eine „gentrifizierungsfeste Insel“, wie es Mittes | |
ehemaliger Bürgermeister Christian Hanke einmal genannt hat. Etwas kleinere | |
Worte hat Bausenatorin Katrin Lompscher gefunden. „Das ist ein besonderes | |
Haus an einem besonderen Ort.“ | |
30 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
## TAGS | |
Katrin Lompscher | |
Matthias Kollatz-Ahnen | |
Berlin Alexanderplatz | |
Haus der Statistik | |
zeitgenössische Kunst | |
Katrin Lompscher | |
Haus der Statistik | |
Berliner Bezirke | |
Mietenpolitik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zwischennutzung an der Karl-Marx-Allee: Berlin Allesandersplatz | |
2015 wurde das Haus der Statistik von Künstlern erobert, inzwischen steht | |
fest, dass sie es mitnutzen werden. Bespielen werden sie es jetzt schonmal. | |
10. Berlin Biennale – die Spielorte: Die Kunst ist der Vermittler | |
Ateliers für Künstler und Fußballübertragungen zur WM: Das Zentrum für | |
Kunst und Urbanistik spielt eine zentrale Rolle bei der diesjährigen | |
Biennale. | |
Neubau in Berlin ankurbeln: Mehr Geld für Baugrundstücke | |
Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) fordert mehr Engagement im | |
Wohnungsbau – und lobt die von seiner Partei attackierte linke Bausenatorin | |
Katrin Lompscher. | |
Das Haus der Statistik: Ein Labor am Alexanderplatz | |
Seit Freitag gehört das Haus der Statistik dem Land Berlin. Es soll in | |
Kooperation mit Initiativen zu einem Behörden- und Kulturstandort umgebaut | |
werden. | |
Diskussion über Wohnen in Berlin: „Das ist die neue große soziale Frage“ | |
Ephraim Gothe (SPD) und Florian Schmidt (Grüne), Baustadträte in Mitte und | |
Kreuzberg, über Mieten- und Baupolitik in einer sich rasant verändernden | |
Stadt. | |
Runder Tisch Stadt- und Mieteninis Berlin: „Der Koalitionsvertrag reicht nich… | |
Rot-Rot-Grün will eine Wende in der Wohnungspolitik. Die Initiativen wollen | |
mitentscheiden. Ein Gespräch über eine Neuerzählung der Stadt. |