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# taz.de -- Mietenbewegung in Berlin: Selbstbewusst auf der Suche
> Überall in der Stadt organisieren sich Menschen gegen hohe Mieten. Doch
> das letzte große, gemeinsame Projekt der Bewegung ist eine Weile her –
> das soll sich ändern.
Bild: 85 Prozent wohnen in Berlin zur Miete, in den Innenstadtbezirken sind es …
Der Name mag zunächst irritieren: „Rotes Berlin: Strategien für eine
sozialistische Stadt“ heißt die Broschüre, die die außerparlamentarische
Gruppe Interventionistische Linke (IL) am Mittwochabend auf der
Abschlussdiskussion ihrer gleichnamigen Veranstaltungsreihe veröffentlicht
hat. Es geht darin aber nicht um rückwärtsgewandte Stadtplanungsentwürfe
für die Liebhaber von Großwohnanlagen und Plattenbaumeeren. Sondern um die
große, drängende Frage in dieser Stadt, in der 85 Prozent der Einwohner zur
Miete leben: Wie müsste eine Stadtpolitik aussehen, die nicht für
Investoren, sondern für Menschen gemacht ist?
Auf 45 Seiten dekliniert die Broschüre durch, was Bestandteile einer
solchen Stadtpolitik sein könnten, in denen Wohnraum keine Ware, sondern
ein soziales Recht wäre (siehe Kasten). Die IL will damit zu einer Debatte
beitragen, die sie vermisst: „Anders als viele Mieterinitiativen, die aus
unmittelbarer Betroffenheit heraus kämpfen, haben wir das Privileg, den
Blick auf das landespolitische Ganze lenken zu können“, erklärt die
Vertreterin Susanna Raab am Mittwoch auf dem Podium im Aquarium am
Kottbusser Tor.
Die Situation dafür ist günstig: Der Mietenvolksentscheid 2015 hat der
stadtpolitischen Szene einerseits einen gewaltigen Schub gegeben,
andererseits viele Fragen offengelassen, die Erwartungen an eine nächste
landesweite Kampagne schüren. Gleichzeitig kann sich der rot-rot-grüne
Senat vor außerparlamentarischen Forderungen nicht mehr so verschließen,
wie es die Vorgängerregierung noch praktizierte. Die VertreterInnen der IL,
von Kotti&Co und der Initiative Bizim Kiez sowie die Linken-Abgeordnete
Katalin Gennburg finden am Mittwochabend auf dem Podium sehr wohl lobende
Worte füreinander – auch wenn das Verhältnis nicht spannungsfrei ist.
Gennburg, deren Partei in Stadtentwicklungsfragen in dieser Woche scharf
von der SPD attackiert wurde, hält sich mit Kritik an den eigenen
Koalitionspartnern zurück. Sie erwähnt zwar den „ordentlichen
Nackenschlag“, den die SPD der Linken verpasst habe, stärker aber betont
sie zwei andere Faktoren, die den Handlungsspielraum progressiver
Stadtpolitik begrenzen würden. Zum einen verweist sie immer wieder darauf,
wie wenig auf landes- und wie viel auf bundespolitischer Ebene zu ändern
sei.
Zum anderen beschwört sie die Bedrohung, die die Opposition von FDP bis AfD
für linke Stadtpolitik ausmache. „Die Debatte driftet in der Stadt sehr
weit auseinander“, sagt sie und erzählt kurz auch davon, wie kürzlich auf
einer Veranstaltung des Airbnb-Homesharing-Clubs wütende Gäste gefordert
hätten, der Senat solle nicht Ferienwohnungen, sondern den Zuzug von
Flüchtlingen verbieten, um das Wohnungsproblem zu lösen. 500 Meter
Luftlinie von der heutigen Veranstaltung entfernt.
Gerade wegen dieser Angriffe, halten die anderen PodiumsteilnehmerInnen
entgegen, müsse linke Stadtpolitik umso mehr in die Offensive gehen. Das
Selbstbewusstsein dafür ist da. Die zahlreichen neuen und alten
stadtpolitischen Initiativen in Berlin sind gut vernetzt, sie haben sich
fachliches Know-how erarbeitet und helfen sich gegenseitig.
Modernisierungsumlage, Grunderwerbsteuer, Share Deals und Vorkaufsrecht –
die Fachbegriffe fliegen nur so durch den bis zum Bersten gefüllten Raum,
und trotzdem scheinen die meiste Zeit alle zu wissen, worüber gerade
gesprochen wird.
Dass die Vernetzung im Kiez, die hier mal Basisarbeit, mal Community
Building genannt wird, wesentliche Grundlage der eigenen Stärke ist,
bestreitet dabei niemand. Bleibt die Frage nach dem nächsten übergreifenden
Projekt, mit dem die Bewegung ihre Ziele vorantreiben will. Wenn
Volksentscheide ein probates Mittel und Steuerfragen ein wichtiges
landespolitisches Instrument sind, wie wäre es dann mit einem
steuerrechtlichen Volksentscheid, auch wenn das alles andere als sexy
klingt?
Oder müssen die privaten Immobilienriesen unter Druck gesetzt werden, mit
einer „Deutsche Wohnen enteignen“-Kampagne etwa, auch wenn man dabei gegen
einen übermächtigen Gegner ins Feld zöge? Das wird in diesen Wochen
debattiert – 2018 dürfte ein spannendes Jahr werden für Berliner
Stadtpolitik.
25 Jan 2018
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Stadtentwicklung
Mietenprotest
Recht auf Stadt
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Lichtenberg
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Mietenprotest
Kotti und Co
Berliner Bezirke
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