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# taz.de -- Kritisches Geschichtsbewusstsein: Die Straßen der NS-Ärzte
> In der Gegend um die Asklepios-Klinik in Langenhorn sind noch zahlreiche
> Straßen nach NS-Medizinern benannt. Ein Verein will aktuell drei
> umbenennen lassen.
Bild: Kritiklos: Einweihung der Heynemannstraße in Langenhorn 1960
HAMBURG taz | Es geht um den Oehleckerring, die Heynemannstraße und die
Theodor-Fahr-Straße, alle tragen die Namen von Ärzten, die sich im
Nationalsozialismus an menschenverachtenden Praktiken beteiligt haben oder
von ihnen profitierten. Die Straßen sind Teil einer ganzen Reihe von Wegen
im Umfeld der Asklepios Klinik Nord, die Namen von NS-belasteten Medizinern
tragen. Umbenannt ist erst ein Teil von ihnen.
Die erste Umbenennung erfolgte 1996, erzählt René Senenko vom Verein
Willi-Bredel-Gesellschaft. Die Geschichtswerkstatt will zur Entwicklung
eines kritischen Geschichtsbewusstseins beitragen. Damals sei auch
vereinbart worden, die Namen 13 weiterer Straßen zu prüfen. Doch passiert
sei nicht überall etwas. Zuletzt wurden 2016 in dem Quartier die Namen
zweier Straßen geändert.
Die Geschichtswerkstatt hatte im Dezember die jüngsten Umbenennungspläne
bei der Bezirksversamlung angeregt. „Das Problem ist das gleiche: Die
Nazivergangenheit von Medizinern“, sagt Senenko. Es gehe bei den drei
Ärzten nicht um „Bagatellen“ wie die Mitgliedschaft in der NSDAP, sondern
um Verstöße gegen die medizinische Ethik in „verbrecherischem Maß“.
Franz Oehlecker war zwischen 1914 und 1946 Chefarzt der Chirurgie am
Allgemeinen Krankenhaus in Barmbek und gehörte wie der Gynäkologe Theodor
Heynemann zu jenen Hamburger Ärzten, die Zwangssterilisationen durchführen
durften. Beide seien für Hunderte, möglicherweise Tausende Eingriffe
verantwortlich, sagt Carmen Wilckens, stellvertretende Fraktionsvorsitzende
der Grünen in der Bezirksversammlung Nord. Sie beruft sich auf Daten der
Landeszentrale für politische Bildung, die derzeit wegen einer
Überarbeitung jedoch nicht online verfügbar seien.
„Zwangssterilisationen sind Verstümmelungen, die Frauen haben ihr ganzes
Leben daran gelitten“, sagt sie. Zumindest Oehllecker ist außerdem für die
Sterilisation von hunderten Männern verantwortlich. Gleichzeitig gilt er
als Pionier der Bluttransfusion, die Ehrenmedaille der Deutschen
Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie trägt bis heute
seinen Namen.
## Fast 10.000 Frauen zwangssterilisiert
Gynäkologe Heynemann beschwerte sich im Spätsommer 1936, dass die Zahl der
Zuweisungen von Frauen zur Zwangssterilisation gesunken seien. In der Folge
wurden wieder mehr Frauen zu ihm geschickt. Insgesamt wurden in Hamburg
fast 10.000 Frauen zwangssterilisiert.
Der Pathologe Theodor Fahr habe sich zwar nicht im selben Maße schuldig
gemacht, wie Oehllecker und Heynemann, sagt Wilckens. Als Chefpathologe am
Eppendorfer Klinikum habe er aber an den Leichen ermordeter Häftlinge aus
Konzentrationslagern geforscht und gelehrt – und gemeinsam mit Kollegen
selbst Nachschub gefordert und bekommen.
## Selbstmord nach Kriegsende
Während des Krieges stand er in Diensten der Wehrmacht und „forschte“ unter
anderem an Kriegsgefangenen. Seine Tätigkeit sei „höchst moralisch
verwerflich“ gewesen, konstatiert Wilckens. Kurz nach Kriegsende beging
Fahr Selbstmord.
In der Bezirksversammlung hat die Linke gemeinsam mit FDP und Piraten einen
Antrag zur Umbenennung der Straßen gestellt. Er soll in der kommenden Woche
im Regionalausschuss beraten werden, bevor er erneut in der
Bezirksversammlung diskutiert wird. Die soll am Ende einen Antrag an die
Kulturbehörde des Senats fassen, die Straßen umzubenennen. Senenko ist
zuversichtlich, dass das klappt: „Alle wissen seit 20 Jahren, dass es da
Bedarf gibt.“ Allerdings sei die gleichzeitige Umbenennung von drei Straßen
durchaus ein großes Vorhaben: „Ein interfraktioneller Antrag wäre die
optimale Lösung.“
24 Jan 2018
## AUTOREN
Hannes Stepputat
## TAGS
Straßenname
NS-Gedenken
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Kolonialgeschichte
Kolonialverbrechen
Kolonialgeschichte
Frauen
Martin Luther
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