# taz.de -- Antisemitismus: Was passiert auf Bremens Schulhöfen? | |
> Der Antisemitismus auch an bremischen Schulen hat spürbar zugenommen. | |
> Genaue Zahlen werden allerdings bislang nicht erhoben. Das erschwert die | |
> Debatte. | |
Bild: Warnung vor Antisemitismus: Eine Israel-Fahne auf einem Gedenkstein in Be… | |
BREMEN taz | Als Mitte Dezember die CDU-Politikerin Elisabeth Motschmann | |
und Elvira Noa von der jüdischen Gemeinde darauf hinwiesen, „Jude“ sei auch | |
auf bremischen Schulhöfen wieder ein Schimpfwort, passierte – nichts. Keine | |
Debatte, keine Fragen. Und keine Antworten. Anfragen der taz nach validem | |
Zahlenmaterial, Basis jeglicher Diskussion, ergaben nichts. Jetzt hat der | |
Bundestag die Einsetzung eines Antisemitismusbeauftragten beschlossen, und | |
die Debatte nimmt – kurz vor dem Holocaustgedenktag am 27. Januar – wieder | |
Fahrt auf. | |
Während der Zentralrat der Juden die Entscheidung für einen | |
Antisemitismusbeauftragten begrüßte, ist Grigori Pantijelew von der | |
jüdischen Gemeinde in Bremen skeptisch: „Wir brauchen weniger einen | |
Beauftragten, der als Sündenbock zum Scheitern verurteilt ist.“ Viel mehr | |
würde es bringen, wenn Politik- und Meinungsmacher ein positives Vorbild | |
des Zusammenlebens geben und muslimische Verbände gemeinsam mit den | |
jüdischen in die Schulen gehen würden und „sich mit den Juden öffentlich | |
sehen lassen“. | |
Wie ausgeprägt der Antisemitismus in Bremen ist und ob er – nicht zuletzt | |
durch die verstärkte Zuwanderung aus muslimisch geprägten Staaten, wie es | |
vor allem die Äußerung von Elisabeth Motschmann nahelegte – zugenommen hat, | |
ist bisher kaum zu ermitteln. Regelmäßige Große Anfragen in der | |
Bürgerschaft von den Grünen und zuletzt den Linken ergeben meistens, in | |
Bremen sei es nicht schlimmer als anderswo. | |
Nachfragen beim Innenressort und bei der Bildungsbehörde verlaufen | |
ebenfalls einigermaßen ergebnislos: Das Innenressort zählt immerhin | |
Straftaten mit antisemitischem Hintergrund unter der Rubrik „Politisch | |
motivierte Kriminalität rechts.“ Dort ist trotz einiger Vorfälle die Zahl | |
dieser Straftaten rückläufig. | |
„Es gibt aber einen Graubereich von unterschwelligen, antisemitischen | |
Strömungen in Teilen unserer Gesellschaft, gegen die man mit Mitteln der | |
Polizei nicht ankommt,“ sagte dazu im vergangenen Jahr Innensenator Urlich | |
Mäurer (SPD). | |
## Schulhofbeleidigungen werden nicht erfasst | |
In genau diesen „Graubereich“ fallen offenbar antisemitische | |
Schulhofbeleidigungen: Dem Bildungsressort liegen nach Auskunft von | |
Sprecherin Annette Kemp keinerlei Informationen über antisemitische | |
Ausfälle auf Schulhöfen vor: „Die Daten werden nicht erfasst. Lehrer wenden | |
sich mit solchen Fragen an die Berater in den vier RebuZ. Eventuelle | |
Sanktionen liegen im Ermessen der Schulen vor Ort.“ | |
Von den vier Bremer RebuZ (Regionale Beratungs- und Unterstützungszentren) | |
antwortet auf Anfrage der taz lediglich eines: Wolfram Welp-Eggert ist | |
stellvertretender Leiter des RebuZ Bremen-Ost. Sein Befund ist alarmierend: | |
„Antisemitische Ressentiments sind so stark verbreitet, dass es gar nicht | |
mehr als Problem empfunden wird.“ Er sagt: Eine Äußerung müsse „schon | |
extrem judenfeindlich sein, damit es überhaupt auffällt“. | |
Informationen über solche Vorfälle erhält das RebuZ meistens, wenn sich ein | |
Lehrer an das Zentrum wendet, etwa weil ein Schüler zunehmendes Interesse | |
am Salafismus zeigt. Im Kontext religiös-ethnischer Konflikte vor dem | |
Hintergrund der Weltereignisse würden dabei, so Welp-Eggert, stereotype | |
Vorurteile und Ressentiments sichtbar. „Sie müssen mal mit einer | |
Israel-Flagge durch die Schule gehen und sehen, was dann passiert.“ | |
## Mehr politische Bildung gefordert | |
Er fordert mehr politische Bildung und mehr Unterstützung der Lehrkräfte: | |
Viele Schulungen seien allgemein auf den Umgang mit Interkulturalität | |
ausgerichtet, das greife aber zu kurz und sei letztlich ein | |
Vermeidungsverhalten: „Da muss dringend was passieren.“ | |
Grigori Pantijelew sagt, die jüdische Gemeinde habe in den letzten Wochen | |
einige Briefe von LehrerInnen erhalten, die ganz genau zu wissen glaubten, | |
dass es in deren Schule keinen Antisemitismus gebe. „Ich möchte all den | |
besorgten Pädagogen dazu gratulieren. Ich hoffe sehr, dass sie in diesem | |
Wissen durch die Realität nicht erschüttert werden.“ | |
Seiner Meinung nach müssten sich LehrerInnen und Schulleitungen stärker | |
positionieren, indem „sich die Lehrer für die Werte der eigenen Kultur | |
einsetzen, Weihnachtslieder mit den Kindern singen, über das Judentum | |
erzählen – ohne vorauseilende Angst vor einem arabischstämmigen | |
Schulkindesvater“. | |
## Erfolge auch ohne Coaching | |
Wolfgang Welp-Eggert betont, dass trotz fehlender Coaching-Angebote die | |
Arbeit der LehrerInnen durchaus erfolgreich ist: „Die Lehrer leisten viel | |
für die Demokratieerziehung. Wenn die nicht so einen guten Job machen | |
würden, sähe es noch ganz anders aus.“ Und auch Grigori Pantijelew lobt das | |
Engagement vieler im Kampf gegen den alltäglichen Antisemitismus und dankt | |
„all jenen, die mit dieser ernüchternden Realität tagtäglich konfrontiert | |
werden und bestehen und dem Lehrerberuf treu bleiben“. | |
Eine Möglichkeit, LehrerInnen besser in Bezug auf alltäglichen | |
Antisemitismus zu coachen, seien laut Wolfgang Welp-Eggert zum Beispiel | |
Fortbildungen an der International School for Holocaust Studies in Yad | |
Vashem. Das dort erarbeitete Infomaterial beschäftigt sich nicht nur mit | |
dem Holocaust, sondern auch mit aktuellem Antisemitismus unter anderem an | |
deutschen Schulen. Dass LehrerInnen die Gelegenheit haben sollen, sich dort | |
fortzubilden, hatte die Kultusministerkonferenz bereits im Jahr 2013 | |
beschlossen – auch Bremen hat dafür gestimmt. | |
Bislang setzen 13 von 16 Bundesländern den Beschluss um, Bremen allerdings | |
nicht. Dabei können Fortbildungen und Austauschprogramme einen | |
entscheidenden Beitrag leisten, den Antisemitismus wirksam zu bekämpfen. | |
Grigori Pantijelew sagt: „In der Familie und in der Schule wird es | |
entschieden, was die Zukunft des jüdischen Lebens und der Demokratie in | |
Deutschland sein wird. Nicht anderswo.“ | |
22 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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