| # taz.de -- Turbo-Bauten für Kitas und Flüchtlinge: Von Mokibs und Mobs | |
| > 3.000 Kitaplätze an maximal 40 Standorten in modularer Bauweise: | |
| > Schnellbauten sind, nicht nur bei Kitas, die Antwort des Senats auf die | |
| > wachsende Stadt. | |
| Bild: Tempo, tempo: Baustelle für eine modulare Flüchtlingsunterkunft, kurz M… | |
| Seit 2014 versucht das Land mit Schnellbauten dort hinterherzukommen, wo | |
| Berlin besonders stark wächst – zunächst bei den Schülerzahlen, ein Jahr | |
| später dann bei der Unterbringung der Geflüchteten, die in die Stadt kamen. | |
| Nun werden künftig auch Kitas in der sogenannten Modulbauweise errichtet: | |
| als stark standardisierte Gebäude, die aus vorgefertigten Bauteilen – quasi | |
| nach dem Baukastenprinzip – nur noch zusammengesteckt werden müssen. | |
| „In zwei Jahren ist so eine Kita fertig“, sagte Bausenatorin Katrin | |
| Lompscher (Linke) am Mittwoch bei der Vorstellung der neuen Schnellbauten. | |
| Zeit gewinne man vor allem durch den Einsatz von Fertigteilen, der die | |
| Bauzeiten verkürze, vor allem aber auch beim Planungsprozess: Durch die | |
| starke Standardisierung reduzierten sich etwa zeitfressende baufachliche | |
| Genehmigungsverfahren. Zunächst sollen die Turbokitas auf 16 Grundstücken | |
| in ganz Berlin – allerdings nicht in Friedrichshain-Kreuzberg – realisiert | |
| werden. | |
| Tatsächlich könnte die zunehmende Konkurrenz um die vielerorts knappen | |
| landeseigenen Grundstücke die größte Bremse für alle | |
| Beschleunigungsversuche sein. So habe Friedrichshain-Kreuzberg „leider gar | |
| keine geeigneten Flächen benennen können“, sagte Jugendsenatorin Sandra | |
| Scheeres (SPD), die am Mittwoch ebenfalls in die Senatsverwaltung für | |
| Stadtentwicklung gekommen war. „Dabei wissen wir, dass dort der Bedarf an | |
| Kitaplätzen hoch ist und weiter steigen wird“, sagte Scheeres. | |
| Das gilt gleichermaßen für die ganze Stadt: Zwar sind in den vergangenen | |
| fünf Jahren 35.000 neue Kitaplätze entstanden, doch die aktuell 168.000 | |
| Plätze reichen nicht aus: 25.000 Plätze sollen bis 2021 noch dazukommen. | |
| Man befinde sich, so Scheeres, „weiter in einem Wettlauf mit den stark | |
| steigenden Kinderzahlen “ Um den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz | |
| aufrechterhalten zu können, „müssen wir noch einmal an Tempo zulegen“. | |
| 3.000 Kitaplätze an maximal 40 Standorten sind nun zunächst in der | |
| Turbobauweise geplant. Die Finanzmittel kommen aus dem Sondervermögen | |
| Infrastruktur für die wachsende Stadt (Siwana). Für gut die Hälfte der | |
| Plätze beginnen auf den 16 bereits ausgewählten Grundstücken demnächst die | |
| Bauarbeiten – im Frühjahr 2019 sollen die ersten Kitas in Betrieb gehen. | |
| Zwei verschiedene Typenbauten sind geplant: eine kleine Variante für 60 | |
| Kinder, eine große für 150 Kinder. | |
| ## Das Land baut selbst | |
| Nicht überall sollen dabei komplett neue Gebäude entstehen: An neun Orten | |
| handele es sich um Ergänzungsbauten für bereits bestehende Kitas, sagte | |
| Lompscher. Dort gibt es also auch schon einen Träger, der die Kita künftig | |
| betreibt. Für die anderen Standorte soll es ein Ausschreibungsverfahren | |
| geben. | |
| Für Kitabetreiber dürften die Standorte durchaus attraktiv sein: Die neuen | |
| Gebäude mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als Bauherrin gehören | |
| dem Land. Die Träger als Betreiber der Kitas wären für die Instandhaltung | |
| der Gebäude zuständig, zahlen aber keine Miete. Angesichts der stetig | |
| steigenden Mieten in der Innenstadt, auch der Gewerbemieten, könnte das auf | |
| lange Sicht ein Vorteil sein. | |
| Zumindest keinen Nachteil mochte Senatorin Lompscher am Mittwoch darin | |
| sehen, dass mit der Neigung des Senats zu Schnellbauten nun eine gewisse | |
| Uniformität ins Stadtbild einziehen könnte. Eine gewisse Varianz, etwa auch | |
| in der Fassadengestaltung oder bei der Anordnung der Gebäudeteile, sei | |
| möglich. Scheeres betonte zudem, „schnell“ bedeute nicht mindere Qualität: | |
| „Die neuen Kitas sind hell, barrierefrei, haben eine eigene Küche und | |
| erfüllen natürlich das Musterraumprogramm, das für alle Kitas gilt.“ | |
| ## Misstrauen bei den Mufs | |
| Misstrauisch auf ihre Qualität hin beäugt wurden im April 2015 auch die | |
| Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge, kurz Muf, die der damalige | |
| Sozialsenator Mario Czaja (CDU) damals vorstellte. Schon vor der so | |
| genannten Flüchtlingskrise gab es 2015 einen eklatanten Mangel an guten | |
| Unterkünften; viele Geflüchtete lebten in Notunterkünften. | |
| Zunächst wurden Muf an 18 Standorten mit je maximal 240 Plätzen geplant, | |
| also für rund 8.500 Menschen. Die Grundidee war, dass die Gebäude, die 100 | |
| Jahre halten sollen, nur temporär von Geflüchteten bewohnt werden, später | |
| sollten sie anderen Benutzergruppen wie Wohnungslosen oder Studierenden | |
| offen stehen. Der Umbau von einer Gemeinschaftsunterkunft zu separaten | |
| Wohneinheiten sollte leicht möglich sein. Die Baukosten für die drei- bis | |
| fünfgeschossigen Gebäude sollten bei 2.000 bis 2.500 Euro pro Quadratmeter | |
| liegen und damit später günstige Mieten ermöglichen. Ziel war zunächst | |
| Fertigstellung im Sommer 2016. | |
| Ende 2015, als tausende Geflüchtete notdürftig in Turnhallen lebten, | |
| erhöhte der Senat die Planungen auf 60 MUF-Standorte für bis zu 30.000 | |
| Menschen. Allerdings erwies sich die Auswahl der Grundstücke als schwierig, | |
| obwohl sogar das bundesweite Baurecht geändert wurde, damit | |
| Flüchtlingsheime auch in Gewerbegebieten gebaut werden dürfen. Die Bezirke | |
| legten sich oft quer, etwa wegen zu erwartender Probleme mit der | |
| Nachbarschaft oder weil die Heime, die nun bis zu 500 Menschen beherbergen | |
| sollten, auch die entsprechende Infrastruktur wie Schulen und Kitas | |
| benötigten. Nun rechnete die zuständige Staatssekretärin mit der | |
| Fertigstellung der ersten MUF für Ende 2016. | |
| Daher plante der Senat ab Februar 2016 zudem, 15.000 Geflüchtete in rund 30 | |
| Containerdörfern unterzubringen, die schneller gebaut werden können – dafür | |
| aber auch nur drei Jahre halten. | |
| ## Erst Flüchtlinge, dann andere Bedürftige | |
| Die erste Muf war dann im Januar 2017 bezugsfertig, die reine Bauzeit | |
| betrug zehn Monate, das Heim kostete rund 17 Millionen Euro. Bis heute sind | |
| neun Mufs realisiert, weitere acht sind derzeit in Bau, wie der | |
| Staatssekretär für Integration, Alexander Fischer, in der Antwort auf eine | |
| kleine Anfrage der FDP erklärte, die am Dienstag veröffentlicht wurde. | |
| Und es geht weiter: Weitere 30 Muf seien geplant, erklärte Sozialsenatorin | |
| Elke Breitenbach (Linke) vorige Woche im Anschluss an die 1. | |
| Strategiekonferenz zur Wohnungslosenhilfe. Sie würden für drei Jahre | |
| Geflüchteten zur Verfügung stehen, dies verlange das geänderte Baurecht. | |
| Danach könnten sie jedoch „integrativen Wohnprojekten“ zur Verfügung | |
| stehen, etwa gemischten Wohnformen von Studierenden und wohnungslosen | |
| Familien. Die Grundstücke für diese Mufs würden aktuell gesucht, erklärte | |
| Breitenbachs Sprecherin auf taz-Anfrage. | |
| In Friedrichshain-Kreuzberg sind mangels Grundstücken keine Mufs geplant. | |
| 18 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
| Susanne Memarnia | |
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