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# taz.de -- Kitaplatzmangel in Berlin: Die Quadratur des Kita-Kreises
> Friedrichshain-Kreuzberg schlägt Alarm: Der Kitaplatz-Mangel verschärfe
> sich. Derweil wächst der Druck durch genervte Eltern, die an die
> Öffentlichkeit gehen.
Bild: Haben alle einen Platz gefunden? In Berlin ist die Kitaplatzsuche ein Pro…
Sie wolle ja keine Hysterie verbreiten, betont Friedrichshain-Kreuzbergs
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) am Mittwoch immer wieder –
aber die Berliner Eltern hätten „schlicht keine Vorstellung, wie schwierig
die Lage bei der Kitaplatzversorgung inzwischen ist“. Rund 400 Plätze
könnten die Träger im Bezirk derzeit nicht anbieten: weil Fachkräfte fehlen
oder weil Kitas nicht rechtzeitig fertiggebaut werden können. Gleichzeitig
stünden 350 Eltern auf der zentralen Warteliste des Bezirksamts, denen man
kein Angebot machen könne.
Besserung sei zudem nicht in Sicht, sagt Herrmann voraus: Rund 1.650 Plätze
will man bis 2022 in Abstimmung mit den Trägern schaffen – eigentlich.
Zahlreiche Planungen seien bereits verzögert, weil ErzieherInnen schlicht
nicht aufzutreiben seien. In einer neuen Kita habe ein Träger dreimal die
Aufträge für die Elektrik ausschreiben müssen, denn auch die
Handwerksbetriebe leiden unter Fachkräftemangel.
Herrmann, gleichzeitig Jugendstadträtin in ihrem Bezirk, hat am Mittwoch
quasi zu einer Art Krisengespräch in ihr Amtszimmer im Rathaus an der
Frankfurter Allee geladen. Und natürlich geht es ihr sehr wohl auch darum,
die Dynamik, die das Thema Kitaplatzmangel gerade entwickelt, für sich zu
nutzen. Denn die öffentliche Aufmerksamkeit, die das Thema erfährt, ist
tatsächlich beachtlich – auch, weil die Bezirke offenbar zunehmend die Nase
voll davon haben, für die notorische Notlage verantwortlich gemacht zu
werden.
Erst vergangene Woche teilte Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU)
mit, in seinem Bezirk gebe es die erste Elternklage wegen eines fehlenden
Kitaplatzes. Und das Hauptproblem sei nicht der Bau von neuen Kitas, deren
Ausbau das Land seit einigen Jahren massiv fördert. Das Problem sei das
Personal für die vielen neuen Kitaplätze, „das an allen Ecken und Enden“
fehle.
## Odyssee durch zig Kitas
Zu Hilfe kommen den BezirkspolitikerInnen dabei die genervten Eltern, die
zunehmend an die Öffentlichkeit gehen: Die Neuköllner Mutter erzählte in
der Presse bereitwillig von ihrer Odyssee durch zig Kitas. Anfang des
Monats beklagte ein Neuköllner Elternpaar in mehreren Medien, dass das
Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg sie abgewiesen habe mit dem Hinweis, man
vermittle freie Plätze nur noch an Kinder aus dem Bezirk.
Herrmann verteidigt diese Politik am Mittwoch: Zum einen betreue man
bereits 1.100 Kinder aus anderen Bezirken, vor allem aus dem nördlichen
Neukölln. „Das hat einen Umfang von zehn großen Kitas“, sagt Herrmann. �…
anderen verklagen uns die Eltern aus Friedrichshain-Kreuzberg, weil wir
ihren Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nicht umsetzen können.“ Bei den
Kitaplatzklagen gilt das Wohnortprinzip: Der zuständige Bezirk ist
verpflichtet, suchenden Eltern einen Platz anzubieten.
Tatsächlich existiert der Rechtsanspruch für Berliner Eltern im Zweifel
lediglich in der Theorie, wie auch ein Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts
vom Mittwoch zeigt. Dort hat man nun den Antrag von Eltern abgewiesen, die
einen Kitaplatz für ihren einjährigen Jungen geltend machen wollten.
Die Begründung des Gerichts: Die Eltern des einjährigen Jungen hätten zwar
einen Rechtsanspruch. Allerdings könne der Bezirk diesen Anspruch „mangels
Kapazität derzeit nicht erfüllen“. Und auch wenn der Bezirk verpflichtet
sei, „das unzureichende Angebot zu erweitern“ – dem Fachkräftemangel sei
nun einmal kurzfristig nicht beizukommen. Allerdings: Die Eltern können
sich nun vom Bezirk die Kosten erstatten lassen, wenn sie auf eigene Faust
eine private Betreuung organisieren.
## 15 Klageverfahren pro Woche
„Da ist mir allerdings völlig unklar, aus welchem Haushaltstopf wir das
eigentlich nehmen sollen“, sagt Herrmann. Man erwarte seit Langem ein
klärendes Wort durch die Bildungsverwaltung beim Senat. Tatsächlich, so ein
Gerichtssprecher, bearbeite man derzeit etwa 15 dieser Verfahren pro Woche
– viele erledigten sich, weil dann doch noch irgendwo ein Kitaplatz
gefunden wird. Die Kosten für eine private Nanny habe bisher noch kein
Bezirk tragen müssen. Warum man nun erstmals ausgerechnet den Beschluss vom
Mittwoch öffentlich macht, begründet der Gerichtssprecher mit der
„Signalwirkung“, die eine solche Entscheidung für die Elternschaft haben
könnte.
Herrmann sagt, sie hätte gerne mal eine Entscheidung, bei denen das Gericht
den Eltern recht gibt. Politisch würde das die zuständige Jugendsenatorin
Sandra Scheeres (SPD) tatsächlich stärker unter Druck setzen. Denn an der
entscheidenden Stellschraube Fachkräftemangel kann nur das Land drehen: zum
Beispiel bei der nächsten Tarifrunde, die 2019 ansteht.
Viele ErzieherInnen wandern nach der Ausbildung ins benachbarte Brandenburg
ab, weil dort nach einem anderen Tarifvertrag um einige Hundert Euro pro
Monat besser bezahlt wird. Auch an den Schulen verdienen ErzieherInnen
mehr. Laut des Paritätischen Wohlfahrtsverband, der viele Kitas in Berlin
betreibt, kommt rund ein Viertel der ausgebildeten ErzieherInnen nicht in
den Kitas an.
Die QuereinsteigerInnen, um die sich die Senatsbildungsverwaltung seit
einiger Zeit massiv bemüht, machten den Mangel an Fachkräften nicht wett,
betonte auch Bezirksbürgermeisterin Herrmann am Montag – vor allem, weil
viele Träger im Bezirk die gesetzlich möglichen 30 Prozent
QuereinsteigerInnen in den Kitas gar nicht ausschöpfen wollten. Das sei für
die Teams nicht sinnvoll.
28 Feb 2018
## AUTOREN
Anna Klöpper
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