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# taz.de -- Kita-Streit in Mitte eskaliert: Machtkampf in der Kita
> ErzieherInnen kündigen, Eltern fühlen sich allein gelassen: In einer Kita
> in Mitte liefen sich Eltern und Träger einen harten Schlagabtausch.
Bild: Kann man sich trefflich drüber streiten: Das Thema Mittagsschlaf in der …
Der Brief, den die Eltern der Kita F.A.I.R. Play in der Albrechtstraße in
Mitte am 12. Februar an die Jugendstadträtin des Bezirks schreiben, klingt
drastisch: Beinahe das komplette ErzieherInnenteam habe innerhalb weniger
Monate gekündigt. „Es herrscht Chaos, Aufregung, Angst. Manche Kinder
wollen am liebsten nicht mehr in die Kita gehen.“ Die Eltern selbst fühlen
sich vom Träger mundtot gemacht, weil der ihre Sorgen ignoriere. Sie
fragen: „Wie konnte das passieren?“
Passiert ist das: Im vergangenen Jahr beschloss der Träger GFJ, der rund
250 Kinder in drei Kitas in Mitte betreut, das pädagogische Konzept der
Kita in der Albrechtstraße zu ändern. Die Überschrift hieß: „Teilhabe“.
Die Kinder sollten mehr mitbestimmen dürfen – zum Beispiel sollten sie
nicht länger „zum Liegen und Ruhen angehalten“ werden, sondern selbst
entscheiden, ob sie Mittagsschlaf machen möchten. Überhaupt wollte man zu
einem offeneren Konzept übergehen, die altershomogenen Gruppenstrukturen im
Haus sollten aufgebrochen werden. So erklärt es der Träger. Hintergrund,
sagt GFJ-Geschäftsführerin Monika Zantke, sei eine externe Evaluation
gewesen, die genau das angemahnt habe: Die Kita müsse sich mehr am Berliner
Bildungsprogramm der Senatsverwaltung für Jugend und Familie orientieren.
Das klingt nach Ideen, die man den Eltern durchaus hätte vermitteln können.
Doch etwas lief dann schief in der Albrechtstraße: Inzwischen geht es
längst nicht mehr um die Sinnhaftigkeit eines pädagogischen Konzepts. Der
Konflikt ist in einen Machtkampf zwischen Träger und Eltern eskaliert, der
ein Lehrstück darüber ist, wie sich solche Streitigkeiten hoch schaukeln
können: Es geht um anonyme Drohbriefe, um ein ErzieherInnenteam, das bis
auf eine Ausnahme die Kündigung eingereicht hat – und um eine unbequeme
Elternvertreterin, der der Träger die Kitaplätze für ihre zwei Kinder
gekündigt hat.
Im Büro der GFJ-Geschäftsführung in der Linienstraße rekonstruiert sich der
Streit so: Im Sommer 2017, erklärt Katalin Zantke, Fachberaterin bei GFJ,
habe man bei einem Elternabend „versucht, das neue, offene Konzept zu
vermitteln“. Das sei „nicht gelungen“. Stattdessen hätten die Eltern sie
mit Beschwerdebriefen überzogen, der in einem anonymen Drohbrief an die
Geschäftsführerin „Frau Dr. Zantke persönlich“ gegipfelt sei: Warum sie …
Kita „zerstört“ habe? Der Brief endet mit den Zeilen: „Ich hoffe Sie wer…
dafür bezahlen müssen.“
## Gegen die Sorgen der Eltern
Das Schreiben liegt der taz vor – doch eine Mutter aus der Elternvertretung
sagt, die Elternschaft distanziere sich geschlossen gegen den Vorwurf, den
Brief geschrieben zu haben.
Aus Sicht der Eltern geht die Geschichte so: Der Träger habe versucht, ein
nicht zu Ende gedachtes Konzept gegen alle Sorgen der Eltern
„durchzudrücken“, sagt die Mutter, die anonym bleiben will. Tatsächlich
scheinen die ErzieherInnen überfordert gewesen zu sein: Es sei nicht klar
gewesen, was dieses „offene Konzept“ eigentlich bedeute, sagt eine
ehemalige Mitarbeiterin, die ebenfalls anonym bleiben will.
Es habe „Dienstanweisungen“, etwa zum Thema Mittagsschlaf, gegeben, aber
„keine Kommunikation“. Schließlich hätten die KollegInnen „aus
Überforderung“ gekündigt, sagt die Exmitarbeiterin. „Sie wollten bei dem
Streit zwischen Träger und Eltern nicht länger zwischen den Fronten
sitzen“, sagt Zantke.
Unklar bleibt, warum man über das Konzept nicht einfach reden konnte – ein
Kompromiss bei den Reizthemen Mittagsschlaf und Mittagessen statt einer
Kündigung von beinahe der kompletten Belegschaft, „was letztlich vor allem
zu Lasten der Kinder geht“, sagt die Mutter, die anonym bleiben will.
Wir wollten reden, aber die Eltern haben uns nicht zuhören wollen, sagt
Geschäftsführerin Zantke.
Wir wollten reden, aber der Träger wollte nicht, schreiben die Eltern in
ihrem Brief an die linke Jugendstadträtin Sandra Obermeyer.
## Rasanter Personalaustausch
Im November traf man sich schließlich – auf Initiative der Eltern – bei der
Kita-Aufsicht der Senatsverwaltung für Jugend und Familie. Dort mag man
indes in dem rasanten Personalaustausch kein Problem erkennen, „das aus
unserer Sicht nicht bewältigt werden“ könnte, teilt eine Sprecherin mit.
„Entscheidend ist, dass die Stellen nachbesetzt wurden.“ Auch die im
Kita-Gesetz verankerten Mitbestimmungsrechte der Eltern sieht man nicht in
Gefahr: Zwar sei „manches zu spät und nicht gut kommuniziert“ worden. Aber
nun gebe es ein Mediationsverfahren „auf Augenhöhe“ zwischen Eltern und
Träger, die Kitaaufsicht sei beteiligt.
Auch Jugendstadträtin Obermeyer verweist auf die Mediation und sagt: Sie
habe eher den Eindruck, dass die Eltern, die inzwischen einen Trägerwechsel
für die Kita fordern, „sich auf keinen Dialog mehr einlassen“ wollten.
Es bleibt aber auch der Eindruck: Da geben sowohl Kitaaufsicht als auch
Bezirk in erster Linie den Eltern die Schuld und ziehen sich zugleich auf
den Hinweis einer „Mediation auf Augenhöhe“ zurück – obwohl der Träger
nicht viel Interesse daran zu haben scheint, dass die einen guten Start
findet: Am Dienstag fand Elternvertreterin Sulamith Hamra, die den Protest
der Eltern organisiert hatte, das Kündigungsschreiben des Trägers im
Briefkasten. Ab dem 1. Mai hat die berufstätige Mutter für ihre zwei Söhne
keinen Betreuungsplatz mehr. GFJ begründet die Kündigung mit einem
zerrütteten Vertrauensverhältnis.
Die Kitaplatzsuche in Berlin ist extrem schwierig für Eltern. Das macht sie
auch erpressbar – denn der Träger sitzt am längeren Hebel. Wer keinen Ärger
will, verhält sich im Zweifel ruhig. Sulamith Hamra hofft nun auf eine
einstweilige Verfügung gegen die Kündigung. „Augenhöhe ist das jedenfalls
nicht“, sagt eine Mutter.
16 Mar 2018
## AUTOREN
Anna Klöpper
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