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# taz.de -- Urteil zu Kita-Rechtsanspruch: Falsche Freudensprünge
> Senat und Bezirke jubeln über ein Urteil, das sie zwingt, schnell
> Kitaplätze bereitzustellen. Doch wo sollen die herkommen?
Bild: Große Sprünge muss das Land machen, um den Fachkräftemangel in den Gri…
Das wird jetzt spannend: Allem ErzieherInnenmangel zum Trotz müssen binnen
fünf Wochen Kitaplätze für zwei Kinder aus Pankow und
Friedrichshain-Kreuzberg her, und zwar maximal 30 Minuten Fahrtzeit mit
öffentlichen Verkehrsmitteln von deren Zuhause entfernt. Mit anderen
Worten: Der bestehende Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für über
Einjährige gilt tatsächlich, hat das Berliner Oberverwaltungsgericht Ende
vergangener Woche entschieden und damit die gängige Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichts kassiert.
Dort hatte man bei solchen Klagen stets argumentiert, der gravierende
Fachkräftemangel bei ErzieherInnen sei quasi höhere Gewalt. Nun hat
Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) fünf Wochen Zeit, um den
Rechtsanspruch Realität werden zu lassen.
Dabei müssen einen die Reaktionen von Bezirken und Senat am Wochenende
misstrauisch werden lassen. Wenn sich Bezirke und die verantwortliche
Senatsverwaltung einhellig über ein Urteil freuen, das beide unter Druck
setzt, dann geht es oft darum, dem anderen die Schuld an der Misere
zuzuschieben.
Tatsächlich entspann sich das übliche Verantwortlichkeitspingpong: Die
Bezirke müssten nun alles tun, um freie Plätze zu vermitteln, mahnte eine
Sprecherin von Senatorin Scheeres. Dabei geht es der Senatsverwaltung immer
auch um Tausende Plätze, für die die Kitaträger zwar eine Betriebserlaubnis
haben, die sie aber nicht anbieten: vor allem, weil ihnen ErzieherInnen
fehlen. Trotz Verdopplung der Ausbildungsplatzkapazitäten, trotz massiv
geförderten Quereinstiegs.
Die Bezirke sagen indes: Sorry, wir würden ja gern mehr Kitaplätze
vermitteln können – immerhin kriegen wir den geballten Frust der Eltern auf
den Jugendämtern zuerst ab. Aber dann müsse das Land gefälligst zusehen,
dass die Fachkräfte irgendwo herkommen. Sonst könnten die Träger ihre
Kapazitäten eben leider auch nicht weiter ausbauen.
## Leidige Zuständigkeitsdebatte
Unglücklicherweise lenken diese leidigen Zuständigkeitsdebatten davon ab,
dass man jetzt vor allem handeln muss. Mehrere Kitaplatzklagen erreichten
das Verwaltungsgericht jede Woche, sagte ein Gerichtssprecher kürzlich.
Ziehen die alle weiter vors Oberverwaltungsgericht, könnte es bald mehr als
zwei Fälle geben, um die sich Scheeres’ Verwaltung kümmern darf.
Wahrscheinlich ist, dass die Kitas in Folge des Urteils ihre Gruppen
vergrößern müssen. Das Versprechen nach einer besseren Betreuung gerade bei
den Kleinsten, also in den Krippengruppen für die unter Dreijährigen, das
Scheeres vor zwei Jahren gegeben hatte, wird sie wohl nicht halten können.
Damit ist durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auch klar: Die vor
zwei Jahren, damals noch unter Rot-Schwarz, im Kita-Gesetz festgeschriebene
Verbesserung des Betreuungsschlüssels war politisches Wunschdenken. Bereits
bis Mitte 2109 sollte eine ErzieherIn im Schnitt eigentlich ein Kind
weniger zu betreuen haben. Diese Idee, mit der die SPD auch die
Beitragsfreiheit rechtfertigte („Gebührenfreiheit und mehr Qualität, das
geht beides!“), trifft nun auf die Realität. Dabei wird es den Eltern – zu
Recht – erst einmal egal sein, ob in der Kita die Gruppen ein bisschen
größer ausfallen: Hauptsache, es gibt einen Platz, wenn das Ende der
Elternzeit drohend näher rückt.
Auf Senatorin Scheeres kommt indes viel Arbeit zu: Sie muss dafür sorgen,
dass die Kitaträger QuereinsteigerInnen positiver gegenüberstehen. Bis zu
einem Drittel der Stellen kann eine Kita so besetzen. Die meisten nutzen
das bei Weitem nicht aus, weil sie es für pädagogisch nicht sinnvoll
halten.
Scheeres muss zudem Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) dazu
bringen, sich in der kommenden Tarifrunde Anfang 2019 für deutlich
verbesserte Gehälter bei den ErzieherInnen in den landeseigenen Kitas
einzusetzen; die privaten Träger orientieren sich an diesen
Tarifabschlüssen. Eine Gehaltslücke von immer noch einigen Hundert Euro im
Vergleich zu anderen Bundesländern kann Berlin sich nicht mehr leisten –
jetzt, da der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz gilt.
26 Mar 2018
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Kitaplätze
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Sandra Scheeres
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