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# taz.de -- Proteste zur EU-Ratspräsidentschaft: Bulgarien fühlt sich fit fü…
> Das ärmste EU-Land will rein. Doch bis zur Nr. 20 in der Währungszone ist
> es noch ein weiter Weg. Und dann ist da noch die Korruption.
Bild: Proteste gegen die EU-Ratspräsidentschaft in Sofia
Brüssel taz | Gleich zu Beginn der halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft gab
es Proteste. Mehr als 1.500 Menschen demonstrierten in der bulgarischen
Hauptstadt Sofia unter „Mafia“- und „Rücktritt“-Rufen gegen die
weitverbreitete Korruption im ärmsten Land der Union. Rentner forderten
eine höhere Mindestrente, Polizisten verlangten mehr Lohn.
Ministerpräsident Bojko Borissow ließ sich davon nicht beirren. Korruption
gebe es auch anderswo, sagte er am Freitag in Sofia nach einem Treffen mit
der EU-Kommission, die aus Brüssel angereist war, um den Beginn der
Ratspräsidentschaft einzuleiten. Ein halbes Jahr soll Bulgarien nun
turnusmäßig die Geschäfte des EU-Ministerrats führen.
Sein Land wolle dem Euro und dem Schengen-Raum beitreten – also die
Grenzkontrollen zu den anderen Mitgliedern minimieren, sagte Borissow. „Wir
haben unsere Hausaufgaben für die Eurozone gemacht“, erklärte der Premier.
Bulgarien sei nun „bereit für das sogenannte Wartezimmer des Euro.“ Der
Antrag werde im ersten Halbjahr 2018 gestellt, ergänzte Finanzminister
Wladislaw Goranow. Sein Land erfülle alle Kriterien, die nationale Währung
Lew ist seit Jahren fest an den Euro gebunden.
Rückendeckung erhält die konservative bulgarische Regierung, an der auch
radikale Rechte beteiligt sind, von Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker. Der Luxemburger hatte sich bereits im September für einen
Euro-Beitritt Bulgariens ausgesprochen. „Bulgarien ist auf einem guten
Weg“, sagte er in Sofia. Zwar werde bis zum Beitritt noch einige Zeit
vergehen, so Juncker. Doch die maßgeblichen Maastricht-Kriterien habe das
Land erfüllt. Die Staatsverschuldung sei eine der niedrigsten in der EU, es
gebe kein Haushaltsdefizit. Auch bei Wachstum und Arbeitslosigkeit kann
sich das Balkanland durchaus sehen lassen.
## Inflationsrate höher als der Durchschnitt der Eurozone
Doch die Inflation liegt deutlich höher als der Durchschnitt der bislang 19
Euroländer. Und von einer echten, realwirtschaftlichen Konvergenz, die die
Maastricht-Kriterien ja eigentlich sicherstellen sollen, kann keine Rede
sein. So lag das Bruttoinlandsprodukt 2017 nur bei ärmlichen 8.700 Dollar
pro Kopf.
Dies dürfte auch die Europäische Zentralbank einwenden, wenn sie im Mai
ihren nächsten Konvergenzbericht vorlegt. Und natürlich müssen auch die
übrigen Euro-länder zustimmen – vor allem Deutschland sieht den Anwärter
skeptisch.
Vorbehalte gibt es in Berlin auch gegen die ebenfalls geplante Aufnahme in
den Schengen-Raum. Zwar sichert Bulgarien durchaus erfolgreich die
südöstliche EU-Außengrenze zur Türkei. Doch Korruption und organisiertes
Verbrechen sind immer noch nicht eingedämmt, obwohl die EU-Kommission die
Regierung in Sofia im Kampf gegen die Mafia unterstützt.
Für Juncker ist dies kein Grund, Bulgarien in die Schmuddelecke zu stellen.
Schließlich wird das Land dringend gebraucht. Und das nicht nur für den
halbjährlichen EU-Vorsitz. Sondern auch für bessere Beziehungen zum großen
Nachbarn Türkei und zum westlichen Balkan.
Um Länder wie Serbien oder Mazedonien bei der Stange zu halten, wirbt Sofia
zunächst für Vernetzung, zum Beispiel über eine Senkung der
Roaming-Gebühren wie in der EU. Für den 17. Mai lädt Borissow zudem zum
Westbalkan-Gipfel nach Sofia.
12 Jan 2018
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Bulgarien
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Europäische Union
Umweltpolitik
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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