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# taz.de -- Kommentar Neuwahl in Italien: Überväter ohne Mehrheit
> Was kommt nach Renzi? Mit der Auflösung des Parlaments könnte 2018 das
> Jahr werden, in dem Italien seine fragile politische Stabilität einbüßt.
Bild: Der große Verlierer Matteo Renzi. Beppe Grillo und Silvio Berlusconi hab…
Mit der am Donnerstag vollzogenen [1][Auflösung des Parlaments] machte
Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella den Weg für Neuwahlen am 4. März
2018 frei. Damit tritt Italien in einen Wahlkampf ein, in dem wie schon
beim letzten Urnengang 2013 drei Lager um den Sieg kämpfen – und an dessen
Ende ein Parlament ohne Mehrheiten stehen könnte.
Hatten bis vor fünf Jahren zwei Pole – die Berlusconi-Rechte und das
Mitte-Links-Bündnis um die Partito Democratico (PD) – die politische
Landschaft dominiert, so veränderte der Triumph des Movimento5Stelle (M5S),
der Fünf-Sterne-Protestbewegung des Komikers Beppe Grillo, 2013 alles. Drei
Männer prägten seither die italienische Politik: Matteo Renzi, Vorsitzender
der PD, Silvio Berlusconi, Anführer der Rechten, und Beppe Grillo, Anführer
des M5S.
Matteo Renzi: Er schien zunächst der aufgehende Stern der gerade zu Ende
gegangenen Legislaturperiode zu sein. Die PD hatte im Februar 2013 mit 25
Prozent ein desaströses Ergebnis eingefahren – und Renzi nutzte die Gunst
der Stunde. Er trat als „Verschrotter“ der alten Parteiführung in den Ring,
wurde im Dezember 2013 in Urwahlen der PD-Anhänger zum Vorsitzenden gewählt
und übernahm im Februar 2014 auch das Amt des Ministerpräsidenten.
Der Erfolg schien dem jungen Politiker recht zu geben, bei den Europawahlen
2014 holte die PD sensationelle 41 Prozent. Renzi wollte diesen Erfolg
kapitalisieren, indem er auf dynamisches Durchregieren – in der Partei
genauso wie im Land – setzte. Und reihenweise beschworen die Kommentatoren
den Beginn einer neuen Epoche nach den 20 Jahren Berlusconismus: der Epoche
des Renzismus.
## Renzi hat seinen Spielschein verloren
Doch statt von einer Epoche wird in den Annalen wohl nur von einer Episode
der Geschichte die Rede sein. Ein Lottogewinner, der seinen Spielschein
verlor: So erscheint Renzi heute. Mit seinen Arbeitsmarktreformen
verprellte er die Gewerkschaften, mit der Wahlrechts- und Verfassungsreform
– die auf ein strafferes politisches System mit klaren Mehrheiten zielte –
den linken Flügel der PD.
Am Ende stand der Bruch des größten Gewerkschaftsbundes Italiens, der
linken CGIL, mit der PD, am Ende auch die Spaltung der Partei, als im
Februar 2017 der linke Flügel aus der PD ausschied.
Renzi nahm all das achselzuckend zur Kenntnis, überzeugt, er werde in der
Mitte überreichlich jene Stimmen gewinnen, die er auf der linken Seite
verlor. Doch vor gut einem Jahr erteilten die Wähler ihm im
Verfassungsreferendum eine Abfuhr, und gleich darauf kassierte das
Verfassungsgericht die Wahlrechtsreform.
Von diesen Niederlagen hat Renzi sich nicht mehr erholt. Er gab das Amt des
Ministerpräsidenten an seinen Gefolgsmann Paolo Gentiloni ab, mit dem Plan,
sich bei den jetzt anstehenden Parlamentswahlen wieder auf den Schild heben
zu lassen. Daraus wird wohl nichts: Seine Popularitätswerte sind weiter im
Keller, und die PD liegt in den Umfragen bei miserablen 23%.
## Die Wiedergeburt des Silvio Berlusconi
Auf der Rechten dagegen ist die Geschichte einer Wiedergeburt zu
besichtigen: jener Silvio Berlusconis. 2011 mit seiner Regierung in der
Eurokrise gescheitert, dann wegen Steuerhinterziehung verurteilt – dies
kostete ihn auch den Sitz im Senat – und zudem von seinen Sexskandalen
geplagt, schien der nunmehr 81-Jährige definitiv erledigt. Doch
ausgerechnet der Erfolg der Fünf Sterne, die nicht zuletzt gegen ihn, den
„Psycho-Zwerg“ (Beppe Grillo) angetreten waren, brachten Berlusconi wieder
ins Spiel.
Renzi brauchte ihn für die Reformen des politischen Systems, und selbst ihm
Ausland verfing die neue Nummer, die er jetzt zur Aufführung brachte:
Ausgerechnet seine Rechte sei „das Bollwerk gegen die Populisten“ des M5S.
Selbst Angela Merkel redet wieder mit ihm, zu Hause erweisen sich seine
gewohnt vollmundigen Versprechen – Mindestrente von 1000 Euro für alle,
eine Einheitssteuer von 23 Prozent und so weiter – als erfolgreich wie eh
und je.
Der Rechtsblock wächst kontinuierlich in den Meinungsumfragen und liegt
nunmehr bei knapp unter 40 Prozent, auch wenn Berlusconi selbst wegen
seiner Vorstrafe gar nicht antreten darf.
Auch der dritten Kraft, dem M5S, hatten vor fünf Jahren viele trotz ihres
Triumphs ein schnelles Scheitern vorhergesagt. In Kammer und Senat
präsentierten die Fünf Sterne sich zunächst als Chaostruppe; insgesamt
verloren sie durch Austritte und Ausschlüsse ein Drittel ihrer
Parlamentarier.
## Übervater Grillo zog sich zurück
Doch die Unzufriedenheit vieler Wähler mit der weiterhin schwierigen
wirtschaftlichen Lage und ihr Missmut über die regelmäßig mit Skandalen
glänzende politische Klasse der traditionellen Parteien sorgten dafür, dass
der Konsens für die Fünf Sterne stabil blieb.
Und Grillo sorgte für ein geschicktes Restyling. Er selbst, der polternde
Giftzwerg, zog sich in die Rolle des Übervaters zurück, Frontmann ist jetzt
der junge, immer perfekt gekleidete und immer um einen seriösen Ton bemühte
Luigi Di Maio. Um den Wählern und dem Ausland die Angst zu nehmen, legte Di
Maio vorneweg die alte Forderung nach einem Austritt Italiens aus dem Euro
zu den Akten, mit Erfolg.
Die Zustimmungsraten bewegen sich Richtung 30 Prozent, obwohl die Fünf
Sterne sich beharrlich weigern, sich als rechts oder links einzuordnen –
auch wenn sie sich die Option offenhalten wollen, je nach Mehrheiten mit
der aus der PD ausgescherten Linken oder auch mit der
rechtspopulistisch-fremdenfeindlichen Lega Nord zu regieren.
Doch als wahrscheinlichstes Szenario darf angesichts des Wahlrechts – knapp
zwei Drittel der Sitze werden nach Proporz vergeben, gut ein Drittel in
Wahlkreisen – ein neues Parlament gelten, in dem keiner der drei Blöcke
eine Mehrheit hat. 2017 war das Jahr, in dem Italien mit einem Wachstum von
1,5 Prozent wieder zu wirtschaftlicher Stabilität zurückgefunden hat. 2018
könnte zu dem Jahr werden, in dem das Land seine fragile politische
Stabilität vorerst einbüßt.
29 Dec 2017
## LINKS
[1] /Regierung-in-Italien/!5468731
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
Parlamentswahl
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Schwerpunkt Rassismus
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