# taz.de -- Vor der Parlamentswahl in Italien: Milliardenschwere Versprechen | |
> Rentenerhöhung, keine Studiengebühren, weniger Einkommensteuer: Die | |
> Parteien in Italien überbieten sich mit teuren Wahlkampfversprechen. | |
Bild: Geld für alle: Silvio Berlusconi macht im Wahlkampf große Versprechen | |
ROM taz | Ein dichtes Programm hat die Rentnerin Luigina Rossi vor sich an | |
diesem Tag Anfang Mai 2018. Erst muss sie auf die Post, die Rente abholen, | |
dann mit ihrem Dackel beim Tierarzt vorbei, und einen Zahnarzttermin hat | |
sie auch noch. Danach dann will sie sich in den Zug setzen, von Turin nach | |
Mailand, es geht zu Tochter, Schwiegersohn und Enkeln. Ihre Laune ist | |
gedrückt, jede Menge Ausgaben stehen an, und das bei ihrer knappen Rente | |
von 650 Euro. | |
Am Postschalter stutzt die 70-Jährige, 1.000 Euro schiebt der Postmensch | |
herüber. Da habe er sich wohl verrechnet, wendet die Rentnerin ein. Nichts | |
da, erhält sie als Antwort, „die Regierung hat doch die Mindestrente auf | |
1.000 Euro monatlich erhöht, ganz so, wie es das Berlusconi-Lager für die | |
Wahlen vom 4. März versprochen hat“. | |
Da kann eigentlich auch die Tierarztrechnung nicht mehr schrecken. Als der | |
Termin vorbei, die Antiparasitenkur verordnet ist, zückt sie ihr | |
Portemonnaie – doch der Veterinär winkt ab. „Haben Sie’s nicht mitbekomm… | |
dass Tierarztbesuche jetzt auf Rechnung der Regierung gehen? Für Sie ist’s | |
gratis.“ Bleibt der Zahnarzt: Das Gebiss wackelt, das könnte richtig teuer | |
werden. Doch auch er schüttelt den Kopf und sagt: „Sie zahlen keinen Cent, | |
ich rechne jetzt mit dem Ministerium ab.“ | |
So geht es fröhlich weiter. Der Taxifahrer erledigt die Tour zum Bahnhof | |
umsonst, am Schalter geht die Fahrkarte nach Mailand für lau über den | |
Tresen, „Rentner fahren jetzt an Wochentagen gratis“. Ungefähr so wird | |
Italien aussehen, wenn die Rechtsallianz im März die Wahlen gewinnt – | |
jedenfalls wenn man Silvio Berlusconi glauben darf. Und es ist nur ein Teil | |
seiner Versprechen. | |
Auch die KFZ-Steuer auf das erste Auto soll abgeschafft werden, und | |
Einkommen sollen nur noch mit einer flat tax, einer einheitlichen Steuer | |
von 23 Prozent belastet werden. Woanders mögen Parteien sich mit | |
Bildungsoffensiven oder mit Digitalisierung beschäftigen, Berlusconi | |
dagegen setzt im Wahlkampf auf seine seit mehr als 20 Jahren erprobten | |
Rezepte: Wohltaten noch und nöcher. „Weniger Steuern für alle“, „eine | |
Million Arbeitsplätze“ verhieß er in vergangenen Kampagnen, und 2008 | |
versprach er gar, „binnen drei Jahren“ werde ein von ihm geführtes Kabinett | |
den Krebs besiegen. | |
## Fünf-Sterne-Bewegung wirkt fast moderat | |
Eigentlich sind die Kassen leer, der Berg der Staatsschulden türmt sich auf | |
132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – doch im gerade angelaufenen | |
italienischen Wahlkampf werden diese Daten zur vernachlässigbaren Größe, | |
nicht nur für die Berlusconi-Allianz. Von linksaußen bis extrem rechts | |
hagelt es Versprechen von Wohltaten, die mal sinnvoll, mal weniger sinnvoll | |
klingen, die jedoch allesamt mit Milliarden zu Buche schlagen würden. | |
So kündigte die linke Liste Liberi e Uguali (LeU) an, sie wolle sämtliche | |
Studiengebühren an den Unis abschaffen, macht etwa 1,8 Milliarden Euro. | |
Matteo Renzi, Chef der gemäßigt linken, mit LeU verfeindeten Partito | |
Democratico (PD), giftete, das sei „Trumpismus“. | |
Doch Renzi eröffnete seinerseits die Wahlkampagne mit einem genauso teuren | |
Versprechen. Er selbst, bis Dezember 2016 Regierungschef, hatte in seiner | |
Amtszeit die Zahlung der Rundfunkgebühren allgemein verbindlich gemacht, | |
indem er sie einfach mit auf die Stromrechnung packte. Nun erfolgte die | |
180-Grad-Wende: Komplett abschaffen will er jetzt die Zahlung der Gebühren, | |
100 Euro jährlich pro Familie. Und weil die Fünf-Sterne-Bewegung des | |
Komikers Beppe Grillo für die Einführung eines Mindestlohns von neun Euro | |
eintritt, sattelte Renzi einfach eins drauf. Unter ihm soll es zehn Euro | |
Mindestlohn geben. | |
Überhaupt die Fünf Sterne. Gegenüber den etablierten Kräften, gegenüber | |
Berlusconi oder der PD, wirken die angeblich so wüsten Populisten fast | |
moderat. Sie würden sich zum Beispiel mit einer Mindestrente von 780 Euro | |
monatlich begnügen. Ihre Kernforderung ist ein Grundeinkommen für alle, für | |
Arbeitslose genauso wie die sogenannten working poor, die sich trotz Arbeit | |
finanziell kaum über Wasser halten können: Auch ihnen sollen 780 Euro | |
garantiert werden. Da mag Berlusconi nicht hintan stehen, und wieder legt | |
er die Latte höher. Für ihn sollen es bitteschön 1.000 Euro sein. | |
Und auch die Faschisten sind dabei. Casa Pound lockt mit einem Kindergeld | |
von satten 500 Euro monatlich, selbstverständlich nur für den italienischen | |
Nachwuchs, nicht für die Immigrantenkinder. Bei den Faschos wenigstens | |
steht die Gegenfinanzierung: Ein Gutteil soll durch die Streichung der | |
Mittel für die Migranten- und Flüchtlingsbetreuung hereinkommen. | |
16 Jan 2018 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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