| # taz.de -- Verhandlung vor Menschengerichtshof: Berlusconi gegen Italien | |
| > Der frühere Regierungschef kämpft vor dem Gericht gegen sein Ämterverbot. | |
| > Er will bei der nächsten Wahl sein Comeback geben. | |
| Bild: Er ist zurück – aber erst muss da noch so ein kleines Ämterverbot aus… | |
| Straßburg taz | Kann Silvio Berlusconi nach den Wahlen im Frühjahr noch | |
| einmal italienischer Regierungschef werden? Noch gilt für ihn eine Art | |
| Amtsverbot, weil er Steuern hinterzogen hat. Doch am Mittwoch verhandelte | |
| der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über Berlusconis | |
| Klage. | |
| Der vierfache Regierungschef Berlusconi ist inzwischen 81 Jahre alt, | |
| zeitweise galt er schon als Politikerkarikatur. Doch nachdem sein | |
| Mitte-rechts-Bündnis überraschend die Regionalwahlen in Sizilien gewann, | |
| gilt der „Cavaliere“ plötzlich wieder als zentraler Player der | |
| italienischen Politik. | |
| Allerdings kann Berlusconi nach derzeitigem Stand kein fünftes Mal | |
| Regierungschef werden. Denn Ende 2013 beschloss der italienische Senat (die | |
| zweite regional gewählte Parlamentskammer) ein sechsjähriges Mandats- und | |
| Regierungsverbot für Berlusconi. Die Entscheidung beruht auf dem | |
| Severino-Gesetz, das nach der damaligen parteilosen Justizministerin Paola | |
| Severino benannt ist. Es sieht vor, dass Mandatsträgern, die zu einer | |
| Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wurden, das Mandat und | |
| die Wählbarkeit entzogen werden kann. | |
| Berlusconi war 2012 im Mediaset-Fall wegen Steuerhinterziehung in Höhe von | |
| 470 Millionen Euro zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Im | |
| August 2013 wurde das Urteil rechtskräftig. Zwar musste Berlusconi aufgrund | |
| seines Alters letztlich nur Sozialstunden in einem Altersheim ableisten, | |
| die Voraussetzungen des Severino-Gesetzes waren aber erfüllt. Im November | |
| 2013 entschied der Senat, Berlusconi seinen Senatssitz zu entziehen. | |
| Außerdem dürfe er bis Ende 2019 nicht mehr für das Parlament kandidieren | |
| und kein Regierungsamt übernehmen. | |
| ## Erst jetzt verhandelt Straßburg | |
| Dagegen klagte Berlusconi sofort. Doch erst jetzt, vier Jahre später, | |
| verhandelte der EGMR in Straßburg. Berlusconis Anwalt Edward Fitzgerald | |
| bezeichnete das Mandatsverbot als Strafe mit unzulässiger Rückwirkung. | |
| Schließlich habe das Severino-Gesetz noch gar nicht gegolten, als | |
| Berlusconi 1995 bis 1998 Steuern hinterzog. | |
| Außerdem enthalte das Gesetz keine klaren Kriterien für den Mandatsentzug. | |
| „Letztlich entscheiden Berlusconis Gegner über sein politisches Schicksal“, | |
| so Fitzgerald, „das ist Politik, keine Gerechtigkeit“. Rechtsstaatlich | |
| unerträglich sei auch, dass die Entscheidung des Senats nicht gerichtlich | |
| überprüft werden könne. | |
| Die Regierungsvertreterin Maria Giuliana Civinini erklärte: „Der Entzug des | |
| Mandats ist keine Strafe, sondern eine politische Entscheidung der | |
| Abgeordneten.“ Das Rückwirkungsverbot für Strafgesetze gelte hier nicht. | |
| Denn es gehe nicht um persönliche Schuld, sondern um Arbeitsfähigkeit und | |
| Ansehen des Parlaments. | |
| Der EGMR habe den Mitgliedstaaten in Fragen der Wählbarkeit immer einen | |
| großen Gestaltungsspielraum eingeräumt. „Wenn der Gerichtshof gegen Italien | |
| entscheidet, wäre das ein Rückschlag im Kampf gegen Korruption und | |
| Steuerhinterziehung“, erklärte Civinini. | |
| Die Richter nahmen die Klage Berlusconis ernst und stellten der | |
| italienischen Regierung zahlreiche kritische Fragen. „Warum kann in Italien | |
| der Ausschluss von der Wahl für lokale Ämter gerichtlich überprüft werden, | |
| nicht aber der Ausschluss auf nationaler Ebene?“, wollte etwa der | |
| portugiesische Richter Paulo Pinto de Albuquerque wissen. | |
| Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet. Sollte Berlusconi gewinnen, | |
| der EGMR aber erst kurz nach den Wahlen entscheiden, könnte er zwar nicht | |
| mehr Abgeordneter, aber immerhin noch Regierungschef werden. | |
| 22 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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