| # taz.de -- Pro & Contra Silvester: Braucht es ein Böllerverbot? | |
| > Der Linken-Politiker Hakan Taş will das Knallen in der Berliner | |
| > Innenstadt verbieten. Ist das ein notwendiger Schutz oder realitätsferne | |
| > Verbotsapostelei? | |
| Bild: Knall. Bumm. Peng. | |
| Ja | |
| Die Forderung nach einem Böllerverbot zu Silvester ist richtig. Das mag man | |
| spießig finden, aber selbst wenn man kein Anhänger einer Verbotskultur ist: | |
| Silvester ist in einigen Berliner Innenstadtbezirken vor allem ein Fest der | |
| Rücksichtslosigkeit. | |
| Die Kosten für die Allgemeinheit sind nun einmal zu hoch, als dass sie der | |
| Spaß, den die Knallerei vielen mit Sicherheit macht, rechtfertigen könnte: | |
| Menschen, die sich völlig sinnlos ihre Gliedmaßen weggesprengt haben, | |
| blockieren das Notrufsystem der Feuerwehr – gemeinsam mit denjenigen, denen | |
| ein Böller in der Kapuze völlig sinnlos das Trommelfell zerfetzt hat. | |
| Jedes Jahr aufs Neue beklagt man sich in dieser Stadt über die Tonnen von | |
| Raketenmüll, die am Neujahrsmorgen (und in einigen Kiezen noch viele Wochen | |
| danach) die Rad- und Gehwege unsicherer machen. Und auch wenn das besonders | |
| spießig klingen mag: Die Feinstaubbelastung in der Silvesternacht ist in | |
| etwa so krass, als wenn man freiwillig auf der Autobahn Wandern geht. | |
| Nun sind Verbotsdebatten immer schwierig. Vielleicht sollte man deshalb | |
| auch besser darüber diskutieren, wo man in Berlin künftig knallen darf. | |
| Warum nicht einige Plätze explizit für die Knallerei freigeben – dann | |
| wissen auch alle, welche Orte man meiden muss. | |
| Mag sein, dass diese Debatte alle Jahre wieder geführt wird – und alle | |
| Jahre wieder verpufft, sobald die Stadtreinigung den letzten Raketenmüll | |
| von der Straße gekratzt hat. Mag sein, dass ein Verbot seitens des | |
| Ordnungsamts und der Polizei in einigen Kiezen in Kreuzberg, Neukölln und | |
| Friedrichshain nur schwer durchsetzbar wäre. | |
| Aber das ist kein Argument dafür, diese Diskussion nicht trotzdem immer | |
| wieder zu führen. Und zwar am besten schon ein paar Tage früher als kurz | |
| vor knapp – denn der Vorwurf, dass alles andere vor allem nur PR für den | |
| Verbotsforderer ist, ist ja durchaus berechtigt. Nächstes Jahr ist wieder | |
| Silvester. Anna Klöpper | |
| ## Nein | |
| Verletzte, Brände, Müll, Geldverschwendung, Mackergehabe: Na klar spricht | |
| viel gegen das Knallen an Silvester. Ebenso viele Argumente lassen sich | |
| allerdings gegen Vollzeitarbeit, Sex in Darkrooms und | |
| Wochenendtrip-Flugreisen finden. Gibt es alles trotzdem. Die so sicher wie | |
| der Jahreswechsel wiederkehrenden Böller-Verbotsdebatten sind daher vor | |
| allem eines: überflüssig. Denn sie spiegeln die Realitätsferne und | |
| Abgehobenheit der Verbotsapostel wider. | |
| Es sind nicht die linken Weltverbesserer, die ihr Geld lieber an SeaWatch | |
| spenden (IBAN: DE77100205000002022288) und nicht die Veganer mit Sorge um | |
| das Trommelfell der Stadtbiber, die an Silvester die Raketen aufsteigen | |
| lassen. Es ist die Mehrheit der Bevölkerung. Viele, die sich nicht ständig | |
| um das große Ganze Gedanken machen, weil sie mit ihrem täglichen Leben | |
| genug beschäftigt sind. Für viele von ihnen ist es – verstehe das, wer will | |
| – geradezu ein Bedürfnis, 50 abgesparte Euro für Chinaböller und | |
| Kanonenschläge auszugeben. Zum Ende des Jahres einmal lauthals hoffen, dass | |
| es im nächsten besser wird. | |
| Die Verbotsbefürworter haben es sich heimelig gemacht in ihrer Blase des | |
| Guten und Reinen. Teil ihrer Blase ist leider viel zu oft auch ein | |
| Unverständnis, mitunter eine Verachtung der Unterschicht. Viele der | |
| Debatten um gendergerechte Sprache oder fahrradfreundliche Städte sind von | |
| diesem Begleitgefühl geprägt: dem Pöbel die bessere Welt erklären, notfalls | |
| verordnen. Dabei sollten die mit rechtem Populismus angestachelten Trotz- | |
| und Wutbürgerbewegungen der letzten Zeit doch zur Vorsicht mahnen. | |
| Schlussendlich kann man sich jedoch darauf verlassen: Ein Verbot ist nicht | |
| durchsetzbar. Wenn es die Ordnungsliebhaber brauchen, bitte sehr. Wer | |
| dagegen knallen will, wird es weiter tun. Und wenn die Finger vom Böllern | |
| kalt sind, wird der Joint in der nächsten Kneipe helfen. So viel zum Thema | |
| Verbote. Erik Peter | |
| 28 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
| Erik Peter | |
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