# taz.de -- Kommentar Unsinnigkeit guter Vorsätze: Lob des Exzesses | |
> Die neoliberale Selbstoptimierung führt geradewegs in die Hölle. Hören | |
> wir auf, uns für andere zu verändern – und zelebrieren den Moment. | |
Bild: Noch ein Bier. Noch einen Schnaps. | |
Weniger, gesünder, motivierter: Das neue Jahr wird für die meisten Menschen | |
beginnen wie jedes andere zuvor. Mit guten Vorsätzen. Endlich das Rauchen | |
aufgeben, weniger trinken, abnehmen und am besten ganz auf Fleisch | |
verzichten, im Job vorankommen, häufiger die Familie besuchen – so lauten | |
die Klassiker der Selbstkasteiung. Doch ihnen allen ist eines gemeinsam: | |
Sie machen das Leben ärmer, weniger lebenswert. Der Weg zur Hölle ist | |
gepflastert mit guten Absichten. | |
Der beste Abzweig von diesem Irrweg ist der Exzess, der hemmungslose Taumel | |
ohne Skrupel und schlechtes Gewissen. 2016 wird nur dann ein gutes Jahr, | |
wenn wir uns von allen scheinheiligen und auferlegten Zwängen befreien, den | |
neoliberalen Selbstoptimierern so richtig in die Suppe spucken. Der Homo | |
oeconomicus gehört beerdigt – es lebe der Hedonismus! | |
Seien wir doch ehrlich: Die dauerhafte Selbstbeschränkung dient gar nicht | |
uns selbst, sondern stets den anderen. Wir wollen dem Partner gefallen, für | |
den Chef mehr leisten, Bekannte beeindrucken. Wieso? Ja, wieso nur? Die | |
Stimme der Vernunft ist keine, die aus unserem Inneren spricht, sie ist die | |
Dauerbeschallung um uns herum. Das ewige Lied der Leistungsgesellschaft. | |
Nicht umsonst sind die allermeisten „guten Vorsätze“ spätestens im Februar | |
wieder vergessen; es sind nicht die unseren. Übrig bleibt das Gefühl, | |
versagt zu haben. Oder noch schlimmer: andere enttäuscht zu haben. | |
Machen wir uns also das Leben wieder angenehm. Ergreifen wir die schönen | |
Momente und zwingen uns zum Verweilen. Das nächste Mal nachts in der Kneipe | |
mit guten Freunden, wenn die Stimmung intensiv und die Geborgenheit groß | |
ist, die Uhr gleich eins schlägt und der Wecker in sechs Stunden klingelt, | |
sich das schlechte Gewissen meldet und der Gedanke „Ich muss doch morgen | |
arbeiten“ Raum ergreift, gehen wir einfach zur Bar und sagen: Noch ein | |
Bier. Noch einen Schnaps. Bitte. | |
31 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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