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# taz.de -- Katalonien wählt: Wenn nichts mehr normal ist
> An vielen Orten ist die Schlange der Wähler lang. Es zeichnet sich ein
> enges Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern der Unabhängigkeit ab.
Bild: Lang sind die Schlangen der Wähler in Barcelona und noch länger sind ih…
Barcelona taz | Leles Galán (38) und Tona García (51) gehören zu den
Ersten. Geduldig stehen die beiden Arbeitskolleginnen vor dem Wahllokal in
der Schule Pia San Antoni in der Innenstadt von Barcelona an. „Es ist heute
ein ganz normaler Werktag. Wir wollen nicht allzu spät zur Arbeit kommen“,
erklären sie. Als das Wahllokal um neun Uhr öffnet, reicht die Schlange
bereits bis zum Ende des Häuserblocks. Überall in Katalonien wiederholen
sich diese Bilder.
5,5 Millionen Katalanen sind an die Urnen gerufen, um über ein neues
Autonomieparlament und damit über eine neue Autonomieregierung zu
bestimmen. Nach dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum am 1. und der
Ausrufung der Katalanischen Republik am 27. Oktober hatte die Regierung des
Konservativen Mariano Rajoy in Madrid mit Hilfe des Verfassungsartikels 155
die katalanische Regierung unter Carles Puigdemont des Amtes enthoben, die
nordostspanische Region unter Zwangsverwaltung gestellt und die Neuwahl
angesetzt.
Laut Umfragen könnte es zu einer Rekordwahlbeteiligung von rund 82 Prozent
kommen. Bei der letzten Autonomiewahl 2015 waren es 75 Prozent. Es zeichnet
sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Block der Befürworter und dem der
Gegner der Unabhängigkeit ab.
„Normalität“ ist das Wort, das die Wähler in der Schlange am häufigsten
benutzten. So auch Galán und García. „Wir wollen eine nicht normale
Situation beenden“, sagt die jüngere der beiden Frauen. Sie meint damit die
Zwangsverwaltung. Vertrauen haben sie in keinen der beiden großen
politischen Blöcke, nicht in die Befürworter der Unabhängigkeit, die einst
die Regierung Puigdemonts unterstützten, der erneut mit einer Liste mit dem
Namen „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCAT) antritt, und nicht in die
Parteien, die den Paragrafen 155 und die Einheit Spaniens verteidigen.
## „Die Nerven liegen blank“
„Wir wählen die da“, sagt García und deutet auf ein Wahlplakat von
„Katalonien gemeinsam können wir“, ein Bündnis der Partei der
Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, und der linksalternativen
Podemos. Die „Comunes“ wie sie hier genannt werden, suchen einen dritten
Weg zwischen einseitiger Unabhängigkeit und Zwangsverwaltung. Sie treten
für eine Verfassungsreform ein, die ein Unabhängigkeitsreferendum
ermöglicht und Spanien zum Bundesstaat macht.
Auch José, der seinen Nachnamen nicht verraten will, redet von
„Normalität“. „Ich bin seit 1955 hier in Katalonien. So wie in den letzt…
Monaten habe ich das hier noch nie erlebt“, sagt der Mann, der einst auf
der Suche nach Arbeit aus der Region Aragón kam. Er beschwert sich über
„die ständigen Demonstrationen der Unabhängigkeitsbewegung“. Seine Stimme
gibt er, auch wenn er das nicht explizit sagt, zweifelsohne einer der drei
Parteien, die sich selbst als „Verfassungsblock“ bezeichnen – die in Madr…
regierende Partido Popular (PP), die Sozialisten (PSC) und die
rechtsliberalen Ciudadanos (C's), die ebenso wie die Republikanische Linke
Kataloniens (ERC) darauf hoffen, stärkste Partei zu werden.
Und auch der 27-jährige selbstständige Grafiker Marc Pallas redet von
„Normalität“. Er hofft darauf, dass die drei Unabhängigkeitsparteien, die
ERC – die er wählen wird – Puigdemonts JxCAT und die antikapitalistische
CUP, erneut die Parlamentsmehrheit erreichen. „Die Nerven liegen blank, wie
beim Fußball“, sagt er. „Nur dass der Fussball eine Nebensache ist, und es
hier um unser Leben, unsere Zukunft geht.“
## Tragen der Farbe gelb verboten
Normalität ist ein hehrer Wunsch. Denn normal ist nichts bei dieser Wahl.
Puigdemont ist mit vier seiner Minister nach Brüssel geflohen. Sie alle
sind Kandidaten entweder für JxCAT oder ERC und können nicht zurück. Gegen
sie wird wegen „Rebellion“, „Aufstand“ und „Veruntreuung“ ermittelt…
stehen 55 Jahre Haft. Der ERC-Spitzenkandidat und einstige
Vizeregierungschef Junqueras Oriol sitzt zusammen mit zwei weiteren
Kandidaten wegen der gleichen Vorwürfe in Untersuchungshaft.
Die Wahlbehörde hat für Wahlhelfer [1][das Tragen der Farbe gelb verboten].
Denn eine gelbe Schleife ist das Symbol der Solidarität mit den
„politischen Gefangenen“ und „Exilierten“.
15.000 Polizeibeamte sorgen für die Sicherheit der Wahlen, so viele wie
noch nie. Und an der Grenze zu Frankreich wurden die Kontrollen verstärkt.
Madrid fürchtet, dass Puigdemont überraschend aus Brüssel zurückkehren
könnte.
21 Dec 2017
## LINKS
[1] /Puigdemonts-Geburtsort-vor-der-Wahl/!5469618/
## AUTOREN
Reiner Wandler
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