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# taz.de -- Friedel54 nach der Räumung: Jetzt eben auf dem Bürgersteig
> Im Juni wurde der Kiezladen Friedel54 geräumt. Doch das Kollektiv hinter
> der Friedel macht weiter – auch, um eine Neuvermietung der Räume zu
> verhindern.
Bild: Da war noch Hoffnung: Die Friedel54 während einer Demo im April
Berlin taz | Freitagabend, Mitte Dezember, es ist nasskalt. Auf einem
Bürgersteig in der Nord-Neuköllner Friedelstraße bereiten sich vier junge
Menschen auf einen gemütlichen Abend vor. Auf einem mit einer Lichterkette
geschmückten Tisch stehen kleine Herdplatten, darauf Töpfe mit Kürbis- und
Couscous-Pilz-Suppe. In einen weiteren Topf haben sie mehrere Flaschen
Glühwein gekippt. Es ist 18 Uhr, bald werden die ersten Gäste erwartet.
Ihren Outdoor-Tresen nennen die Einladenden „Unvermietbar“, so steht es
auch auf einem Transparent, das am Tisch befestigt ist.
Unvermietbar soll aber vor allem der verrammelte Laden hinter ihnen sein:
der ehemalige Kiezladen Friedel 54. Bis Mitte Juni war das Ladenlokal
Anlaufpunkt für die Nachbarschaft, mit Mieterberatung, Siebdruckwerkstatt,
Volksküchen, Vorträgen und Bar-Abenden, links-alternativ und offen für
alle. Seitdem die Friedel, wie sie von ihren SympathisantInnen liebevoll
genannt wird, von einem Großaufgebot der Polizei geräumt und versiegelt
wurde, steht sie leer. Hinter der Eingangstür sind noch immer die
Barrikaden aufgetürmt, die Polizisten kamen von hinten.
„Es ist nicht solidarisch, sich hier einzumieten“, sagt eine der Frauen aus
dem Friedel-Kollektiv, dass sich immer noch eng mit diesem Ort verbunden
fühlt. Ein bisschen ist das auch als Warnung an potentielle neue
Interessenten zu verstehen. Der luxemburgischen Briefkastenfirma, die das
Haus besitzt und die die Räumung veranlasste, wird man wohl kaum ins
Gewissen reden können.
Dem Kollektiv gehören VertreterInnen all jener politischen Gruppen an, die
den Ort für ihre Veranstaltungen nutzten. Fast alle haben inzwischen,
zumindest vorübergehend, neue Räumlichkeiten gefunden: die kritischen
Jurist*Innen im Projektraum an der Hermannstraße, die Antira-Gruppe Corasol
im Zielona Gora, die Mieterberatung und der Punkrocktresen im Infoladen
Lunte, die Voküs im Hausprojekt in der Braunschweiger Straße. Ihre
Veranstaltungen stellen sie unter den verbindenden Titel „Friedel im Exil“.
„Nach der Räumung war erst einmal Stille. Viele waren geschockt über die
Ereignisse“, sagt Friedel-Sprecher Matthias Sander. Nach einer Zeit der
Erholung hat sich auch das Kollektiv neu formiert und kommt wieder zu
regelmäßigen Treffen zusammen. Seit November sind sie mit der monatlich
stattfindenden „Unvermietbar“ zurück am ihrem Ausgangsort. „Wir können …
keinen anderen Ort“, sagt Sander auf die Frage, warum sie jetzt hier im
Kalten stehen. Der ersten Einladung zum Bürgersteig-Happening folgten bis
zu 70 Menschen.
„Ich werde immer noch unruhig, wenn ich daran denke, wie die Räumung
ablief“, sagt Sander und spielt dabei mit seinen Händen. Der etwa
30-Jährige hat dabei nicht nur den Frontalblick auf das Haus vor Augen, der
an jenem Tag medial vermittelt wurde. Dabei war zu sehen, wie die mehr als
200 Menschen, die die ganze Nacht vor der Friedel 54 ausgeharrt hatten, um
die Räumung zu verhindern, einzeln von Polizisten weggetragen oder über den
Boden geschliffen wurden. Eine Polizeiaktion der härteren Art.
Sander aber denkt an die von Medien unbeobachtete Blockade im Hinterhof.
„Die Polizei kam über das Nachbargrundstück, trat den trennenden Zaun
nieder, hetzte Hunde auf die Sitzenden und schlug auf uns ein.“ Sander
schluckt und fügt an: „Die Bilder von Bewusstlosen, die durch den Hof
gezogen werden, vergisst man nicht.“ Die vielfach bestätigte
Gewalteskalation abseits der kritischen Blicke blieb letztlich kaum
beachtet.
## Nicht die Rigaer94
Anders als eine weitere Polizei-Verfehlung des Tages: „Lebensgefahr für
unsere Kollegen. Dieser Handknauf in der #Friedel54 wurde unter Strom
gesetzt“, hatte die Polizei noch während ihres Einsatzes getwittert. Es
waren Fake News. Einen Tag später musste sie einräumen, dass ein an der
betreffenden Tür eingeklemmtes Kabel keine Stromquelle hatte und damit auch
keine Gefahr bestand. Doch viele Medien hatten da bereits über die
„Todesfalle“ der „Linksextremisten“ berichtet. Für den robusten Einsat…
mehr als 700 Beamten die ideale Rechtfertigung.
Dabei liegen zwischen den Friedelianern und den BewohnerInnen und
UnterstützerInnen der Rigaer94 Welten. Auseinandersetzungen wie in
Friedrichshain hat es um die Friedelstraße nie gegeben. „Mir fällt kein
Stein, kein brennendes Auto mit Bezug zur Friedel ein“, sagt Sander. Einige
Autonome haben diese Gewaltlosigkeit in einem Indymedia-Beitrag Mitte
Dezember kritisiert. Darin sprechen sie vom „Erfolg der Repression“, weil
„unsere kollektive Reaktion am Morgen der Räumung der Friedel54 das passive
Warten am Gitter war und nicht die spontane Besetzung des Rathauses
Neukölln oder die wilde Aneignung des kommenden Google-Campus in
Kreuzberg“.
Sanders Radikalität drückt sich eher in seiner Haltung zum Staat aus: „In
diesem System wird Eigentum mit aller Härte durchgesetzt“, sagt er.
Insofern habe sich sein politisches Verständnis durch die Räumungsaktion
„nicht verändert, sondern bestätigt“. Man sei auf der Suche nach
Ersatzräumen im Kiez, für nicht viel mehr als die alte Miete von 600 Euro,
also „total unrealistisch“. Von der Politik erwarte man sich dennoch keine
Hilfe: „Es ist nicht unsere Art, beim Bezirk zu betteln“, so Sander.
Etwas Positives bleibt im Rückblick und beim Warten auf den ersten warmen
Glühwein dennoch. Die meisten Modernisierungsvorhaben, die für viele Mieter
des Hauses den Auszug bedeutet hätten, konnten abgewehrt werden. Auch wenn
der Laden, der zugleich Treffpunkt der Hausgemeinschaft war, nun weg ist,
sagt Sander: „Der Kampf hat sich gelohnt.“
7 Jan 2018
## AUTOREN
Erik Peter
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Friedel54
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