# taz.de -- Räumung der Friedel 54: Nach der Party wird abgeräumt | |
> 500 Polizisten räumten in einer stundenlangen Aktion den Kiezladen. Sie | |
> stießen auf viel Widerstand – und auch auf Beton. | |
Bild: Polizisten im Eingang der Friedel 54 | |
Berlin taz | Mit einem Großeinsatz hat die Polizei am Donnerstag den | |
alternativen Kiezladen Friedel 54 in der Neuköllner Friedelstraße geräumt. | |
Etwa 300 Demonstranten stellten – und setzten – sich den 500 eingesetzten | |
Polizisten in den Weg, um die Zwangsräumung des Nachbarschaftstreffs, der | |
sich in einem Wohnhaus befindet, zu verhindern. Die größte Mühe bereitete | |
den Einsatzkräften jedoch die Verbarrikadierung des Ladens. | |
Die Räumungsaktion begann bereits morgens um halb Neun. Zunächst drängten | |
Polizisten die anwesenden Medienvertreter unsanft hinter die | |
Polizeiabsperrungen, dann folgte innerhalb einer halben Stunde die | |
Auflösung der Sitzblockade vor dem Gebäude. Viele der etwa 150 Blockierer | |
wurden weggetragen, andere über den Boden geschleift, es gab Schmerzgriffe | |
im Gesicht und verdrehte Arme. Die Protestierenden konnten den Ort ohne | |
Feststellung der Personalien verlassen. Es gab laut Polizei eine Festnahme | |
wegen Widerstands. | |
Im Hinterhof warteten noch einmal Dutzende Verteidiger der Friedel 54 auf | |
die Beamten. Laut Aussagen des Kiezladen-Anwalts Lukas Theune kam es dabei | |
zu einem „völlig unverhältnismäßigen Einsatz“. Die Polizei ging auf dem | |
beengten Gelände mit Hunden gegen die Menschen vor, zwei Frauen verloren | |
kurzzeitig ihr Bewusstsein. | |
Doch im Laden selbst waren die Polizisten damit immer noch nicht. An den | |
zur Verhinderung der Räumung zubetonierten Eingängen machten sich Techniker | |
über Stunden zu schaffen. Auch Kettensägen und ein Presslufthammer führten | |
zunächst nicht zum Erfolg. Erst nach 13 Uhr gelang der Zutritt zu dem Raum, | |
in dem sich noch mehrere Menschen befanden. Die Räumlichkeiten wurden | |
anschließend dem Gerichtsvollzieher übergeben. | |
## Strom am Knauf? | |
Laut Polizei soll ein Türknauf im Haus unter Strom gesetzt worden sein, es | |
habe „Lebensgefahr“ für die Beamten bestanden. Eine unabhängige Bestätig… | |
dafür gab es nicht. Von Seiten des Kiezladens wurde der Vorwurf | |
zurückgewiesen. Das von der Polizei gezeigte Foto zeige eine Kellertür, die | |
mit dem Kiezladen im Erdgeschoss nichts zu tun habe. Insgesamt sprach die | |
Polizei von einem verletzten Beamten. Deutlich mehr Verletzte gab es auf | |
der Gegenseite zu beklagen. | |
Die Protestaktionen hatten bereits am Mittwochabend begonnen. Hunderte | |
Teilnehmer hatten sich vor dem Haus zu einer Videokundgebung versammelt. | |
Viele blieben die ganze Nacht. Gegen vier Uhr morgens sperrte die Polizei | |
dann die Friedelstraße zwischen Weser- und Lenaustraße. | |
Bis zum Beginn der Räumung war die Stimmung ausgelassen. Von den Balkonen | |
spielte Musik, in Eimern wurde Frühstück in die Blockade abgeseilt. Dass | |
den Protestierenden ausgerechnet jene Hundertschaften gegenüber standen, | |
die am Dienstag wegen ihrer Eskapaden von ihrem G-20-Einsatz in Hamburg | |
[1][zurückgeschickt wurden], sorgte für Belustigung: Immer wieder waren | |
Sprüche wie „Partytouristen – Berliner Polizisten“ oder „Ich bin nicht… | |
ich kann nichts, gebt mir einen Bademantel“ zu hören. | |
Hakan Taş, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, wurde wie auch | |
andere Abgeordnete kurz vor der Räumung von der Polizei aufgefordert, den | |
abgesperrten Bereich vor dem Haus zu verlassen. Dort sei es zu gefährlich. | |
Doch er blieb, ebenso wie die Medienvertreter, die sich ebenfalls entfernen | |
sollten. Der taz sagte Taş, seine Partei sei „grundsätzlich gegen | |
Zwangsräumungen“. Er kritisierte zudem scharf das Vorgehen gegen die | |
Journalisten: „Türkische Verhältnisse wollen wir in Berlin nicht.“ | |
## Arbeit für eine Briefkastenfirma | |
Die Räumung der Friedel 54 hatte sich [2][schon lange abgezeichnet.] Dabei | |
hatten die Bewohner mit Unterstützung einer Stiftung im vergangenen Sommer | |
kurz vor der Übernahme ihres Hauses gestanden. Trotz fortgeschrittener | |
Verhandlungen verkaufte der Voreigentümer Citec überraschend an den | |
jetzigen Eigentümer, die luxemburgische Briefkastenfirma Pinehill – für | |
300.000 Euro mehr, als die Bewohner mithilfe der Stiftung geboten hatten. | |
Pinehill übernahm die bereits ausgesprochene Kündigung gegen das Ladenlokal | |
und war damit auch vor Gericht erfolgreich. Im Oktober erwirkte sie einen | |
Räumungstitel. Eine Duldungsfrist endete Ende März. | |
Seit Monaten hatten die Betreiber der Friedel 54 und ihre Unterstützer | |
gegen die Räumung mobilisiert, mit wöchentlichen Kundgebungen und | |
Konzerten. Matthias Sander, Pressesprecher der Friedel 54, sagte nach der | |
Räumung: „Wir sind wütend und traurig, dass heute der friedliche Protest | |
und ziviler Ungehorsam so viele Verletzte nach sich gezogen haben. Und | |
darüber, dass heute ein Teil subversiver Kiezkultur zwangsgeräumt wurde.“ | |
Anwalt Theune kritisierte: „Die Durchsetzung der „Eigentümerinteressen | |
einer Briefkastenfirma aus Luxemburg geht auf Kosten der Nachbarschaft.“ | |
Denkbar sei, dass der Laden jetzt eine Weile leer stehe, und „damit ist | |
auch niemandem geholfen“, so Theune. | |
29 Jun 2017 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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