# taz.de -- Kiezladen Friedel 54 vor der Räumung: Friedel den Hütten | |
> Die angekündigte Räumung des linksalternativen Ladens wird zu handfesten | |
> Konflikten führen. Die Politik ist daran selbst schuld. | |
Bild: Mit Transparenten geschmückte Fassade der Friedel 54 | |
Berlin taz | Kurz vor seiner für Donnerstagmorgen angesetzten Zwangsräumung | |
ist der linksalternative [1][Kiezladen Friedel 54] in Nordneukölln so | |
populär wie nie. Der seit 2004 im Nordneuköllner Reuterkiez beheimatete | |
Veranstaltungsraum mit angeschlossener Bar war lange Zeit nur | |
Szene-Insidern und direkten Nachbarn, die hier etwa eine kostenlose | |
Mietrechtsberatung erhielten, bekannt. | |
Doch im Konflikt um den mehrfachen Weiterverkauf des Hauses, der | |
schließlich zur gerichtsfesten Kündigung der Gewerbefläche führte, ist die | |
Friedel 54 aufgestiegen: Ihr Bekanntheitsgrad hat sich vervielfacht, der | |
Symbolwert im Kampf gegen Verdrängung ist gewaltig, ihr Stellenwert für die | |
linke Szene der Stadt auf dem Höhepunkt. | |
All das führt dazu, dass Berlin am Donnerstag ein handfester Konflikt ins | |
Haus steht. Wenn ab 9 Uhr der Gerichtsvollzieher anrückt, um die Räume in | |
Besitz zu nehmen, wird er das nicht ohne Hilfe tun können; vermutlich | |
mehrere hundert Polizisten werden ihn unterstützen müssen. Ihnen gegenüber | |
werden ebenso Hunderte stehen oder sitzen; mit dem Ziel, die Zwangsräumung | |
zu verhindern. | |
Vieles erinnert an die letzte angekündigte Räumung eines linken | |
Hausprojekts, der Liebigstraße 14 im Februar 2011, auch wenn diesmal keine | |
Wohnräume betroffen sind. Damals folgten dem Polizeieinsatz heftige | |
Krawalle mit großem Sachschaden – ähnliche Aufrufe sind auch jetzt wieder | |
im Umlauf. Die Drohung: „Jede Räumung hat ihren Preis.“ | |
Eine schöne Vorstellung ist das für niemanden, auch nicht für den | |
rot-rot-grünen Senat und die rot-grüne Zählgemeinschaft in Neukölln, die | |
mitten hinein in einen Konflikt mit der linksradikalen Szene der Stadt | |
schlittern. Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte | |
schon im März zur taz: „Ich sehe den sozialen Frieden in Neukölln | |
gefährdet, sollte sich die Lage in der Friedelstraße 54 zuspitzen.“ | |
## Globaler Kapitalismus | |
Nun ist es so weit. Und doch wird es, wenn alles normal läuft und das | |
staatliche Gewaltmonopol die Oberhand behält, einen Gewinner geben: die | |
luxemburgische Briefkastenfirma Pinehill S.a.r.l., der das Haus seit | |
vergangenen Sommer gehört, beziehungsweise die dahinterstehende | |
Gesellschaft Paddock Corporate Services, die wiederum mit der B.A. Trust | |
Group verbandelt ist – alle Firmen mit derselben Postadresse. Vor Ort in | |
Luxemburg anzutreffen ist lediglich die Paddock mit ihrem Geschäftsführer | |
Robert Faber. Der Geschäftsführer von Pinehill sitzt in Texas und ist nicht | |
erreichbar. | |
Klar ist: Das unscheinbare Haus und der kleine Kiezladen sind in die Fänge | |
eines globalen Immobilien-Finanzkapitalnetzwerks geraten. „Wie könnte der | |
Kapitalismus schöner dargelegt werden“, schreibt das Bündnis Zwangsräumung | |
verhindern, das zur Blockade der Räumung aufruft. | |
Den bedrohten sozialen Frieden hat sich die Politik jedoch selbst | |
zuzuschreiben, nicht zuletzt Franziska Giffey persönlich, aber auch ihr | |
Parteikollege und ehemalige Baustadtrat Thomas Blesing, dem | |
Mieterinteressen stets herzlich egal waren. Vergangenen Sommer standen die | |
Bewohner mit Unterstützung einer Stiftung kurz vor der Übernahme ihres | |
Hauses, sie hatten etwa 1,7 Million Euro geboten. | |
Trotz fortgeschrittener Verhandlungen verkaufte der Voreigentümer Citec | |
überraschend an Pinehill – für einen Preisaufschlag von etwa 300.000 Euro. | |
Der Kaufvertrag liegt der taz vor.Es wäre ein idealer Fall gewesen, vom | |
bezirklichen Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen, zugunsten eines Dritten, der | |
Nord-Süd-Stiftung, also ohne finanzielles Risiko für den Bezirk. Die | |
Bewohner schlugen Alarm, doch weder Giffey noch Blesing rührten sich. So | |
schnell wollte man sich des Instruments im erst kurz zuvor ernannten | |
Milieuschutzgebiet Reuterplatz in Neukölln offenbar nicht bedienen. | |
## Große Mobilisierung | |
Dass die staatliche Exekutive nun auch noch für das formelle Recht des | |
Eigentümers, so anonym er sein mag, in die Bresche springen wird, löste | |
eine große Solidaritätswelle mit den räumungsbedrohten Ladenbetreibern aus. | |
Schon seit Monaten mehren sich die Aktionen. Seit März fand an jedem | |
Sonntag eine Kundgebung vor dem Haus statt, auch die Hausverwaltung bekam | |
unangemeldet Besuch. | |
Am Wochenende ist die Mobilisierung in ihre letzte, heiße Phase | |
eingetreten. Einem Konzert auf dem nahen Reuterplatz am Freitag folgte am | |
Samstagabend eine Demo mit mehr als tausend Teilnehmern. Nach einen | |
kritischen Kiezspaziergang am Sonntag waren für Dienstag- und Mittwochabend | |
Videokundgebungen geplant; unter anderem wird dort direkt vor der Friedel | |
der Film „Mietrebellen“ gezeigt. | |
Für Donnerstag, dem seit Monaten anvisierten „Tag X“, wird dazu aufgerufen, | |
deutlich vor dem angekündigten Räumungstermin zur Verteidigung des | |
soziokulturelle Zentrums, wie seine Betreiber es nennen, zu erscheinen. | |
„Wir erhoffen uns, dass die Solidarität, die man durch Schilder, Plakate, | |
Transpis oder Wimpel im Straßenbild sieht, durch Menschenmasse zum Ausdruck | |
kommt“, sagt Matthias Sander, Sprecher der Friedel 54. Das ganz klare Ziel | |
sei es, „die Zwangsräumung zu verhindern“. | |
28 Jun 2017 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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